JURASSIC DEAD. David Sakmyster

JURASSIC DEAD - David Sakmyster


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Der Soldat verzog missmutig sein Gesicht und blickte wieder hinab in die Tiefe, wo Alex, der sich über die Kante beugte, kaum irgendetwas erkannte. Weil sich die Strahlen der Scheinwerfer ständig kreuzten, nicht zu vergessen die verschlungenen Leitungen und Hebebühnen, das behelfsmäßige Metallgerüst und das schattenhafte Ding auf der hochfahrenden Plattform, konnte er überhaupt nichts sehen, weder scharf noch verschwommen; jedenfalls nichts, was einen Sinn ergab.

       Waren das auf dem Rücken des Dinosauriers Menschen, die kletterten und sich gegeneinander zur Wehr setzten? Ab und zu erhellte Mündungsfeuer die durchdringende Dunkelheit, und während sich die Plattform weiter hob, fiel Alex Blick auf etwas, das sein Herz aussetzen ließ.

       Zwei schwarz gekleidete Gestalten mit Schuppen in den Gesichtern und leuchtend gelben Augen … ein Kontrast zu dem kräftig roten Blut, das von ihren gefletschten Zähnen tropfte, während sie die Jacke eines Amerikaners zerrissen und sich an seinen Innereien weideten.

      ***

       »Hören Sie mich, Sir?«, bellte der Soldat in sein Funkgerät.

       Marcus packte Alex’ Schulter und versuchte, ihn von der Kante wegzuziehen.

       »Nein, Dad. Alle zuhören: Bergung abbrechen!«

       »Das können wir nicht tun«, hielt Marcus dagegen.

       »Werden wir auch nicht«, bekräftigte der befehlshabende Soldat.

       Die Plattform kam immer näher, und jetzt erkannte Marcus, was bisher nicht eindeutig klar gewesen war. Es standen Soldaten darauf – Männer in Schwarz, die gegen welche in Weiß kämpften –, und da war Blut … Blut überall. Weniger infolge der Schusswechsel als …

       »Himmel, die fressen unsere Männer …«

       »Gott steh uns bei«, stöhnte der Soldat neben ihm. Er zielte durch das Visier seiner Waffe. »Scheiß drauf! Team Alpha? Feuer!«

       »Nein!«, brüllte Marcus und langte nach dem Gewehr, doch der Soldat holte schwungvoll damit aus und rammte es ihm ins Kreuz. Dann legte er auf Alex an.

       »Wollen Sie mir etwa auch Schwierigkeiten machen?«

       Alex verneinte mit erhobenen Händen. »Aber die werden es tun, außer Sie töten sie alle.«

       Der Mann nickte und zielte wieder nach unten. »Wir kriegen sie.« Damit eröffnete er das Feuer.

       Alex konnte das Ganze bloß tatenlos mit ansehen, genauso wie Marcus, der auf seine blutende Lippe drückte, nachdem er sich aufgerafft hatte, und untröstlich in die Grube schaute. Er zuckte bei jedem Schuss zusammen.

       »Das führt zu nichts«, sah der Soldat ein, während die schwarzen Monturen wieder und wieder durchlöchert wurden. Nichts hielt die Russen in ihrem gefräßigen Ansturm auf die Amerikaner zurück, die nach Kräften versuchten, rings um den Körper des T-Rex in Deckung zu gehen, wobei sie über die Plattform krochen und sich mit ihren Pistolen verteidigten.

       »Kugelsichere Westen?«

       Der Soldat nickte und sprach wieder in sein Funkgerät. »Scharfschützenmunition und die Köpfe treffen. Auf meinen Befehl, los!«

       Danach ging das Blutbad erst richtig los.

       Die Plattform befand sich nur noch fünfzig Fuß unter der Oberfläche, da verschoss das Dutzend Soldaten seine restlichen Patronen und steckte neue Magazine auf. Anlegen – Feuer. Anlegen – Feuer. Marcus fuhr zusammen, während er beobachtete, wie Köpfe platzten, und sich Hirnmasse und Blut über den Dinosaurier ergossen. In der irrigen Hoffnung, keiner der Schüsse verfehle, stellte er sich vor, wie er wochenlang Kugeln aus dem Untersuchungsobjekt ziehen würde.

       Die Russen fielen – und einen Moment lang dachte Marcus, er sehe etwas Unmögliches. Eines der Gesichter kurz vor einem Treffer: Verschwommen, aber unleugbar mit dicken Schuppen bedeckt, gelblich blass, blutbesudelt – und diese Augen … dann explodierte der Schädel, und der zuckende Leib kippte über den Rand der Plattform.

       Die Amerikaner formierten sich neu. Mehrere standen tapfer ihren Mann, scharten sich gegen die verbliebenen Russen zusammen und warfen mehrere von ihnen hinunter.

       Immer noch krachten Schüsse, während sie die wenigen übrigen Feinde beseitigten.

       Marcus stieß einen erleichterten Seufzer aus – gemeinsam mit den amerikanischen Soldaten. Dann hielt der Befehlshaber inne, um zu hören, was ihm über den Funkhörer im Helm aufgetragen wurde.

       »Wie bitte? Aber … jawohl, Sir. Ich verstehe, wird gemacht.«

       Daraufhin hob er seine Waffe wieder und schaute ins Visier.

       »Was tun Sie da?«, fragte Marcus, als er seinen Schatz, den T-Rex in seiner blutbefleckten Riesengröße, fast auf gleicher Höhe sehen konnte. »Sie haben sie alle erwischt, also können Sie jetzt wegtreten.«

       Und mir die Befehlsgewalt zurückgeben, hätte er gerne hinzugefügt.

       Aber der Soldat feuerte erneut. Ein Amerikaner fiel, als es ihm die Schädeldecke wegriss.

       Nun schrie Alex auf und wollte sich auf den Schützen stürzen, doch Marcus hielt ihn zurück. Sie drehten sich beide um. »Was zur Hölle soll das?«

       Dann knatterten weitere Schüsse, und zwar von allen Seiten. Fast enthauptete Leiber brachen auf dem wie siegreich hochgefahrenen T-Rex zusammen. Einige rutschten erschlafft unter den Erschütterungen der Plattform herunter und fielen über den Rand.

       »Werfen Sie den Rest zurück in die Grube«, knurrte ein Soldat in sein Sprechteil, »und fahren Sie mit der Extraktion fort.« Nachdem er sein Gewehr geschultert hatte, wandte er sich wieder Marcus zu.

       »Sie übernehmen, Doktor.«

       »Wieso?«, wisperte Alex, der immer noch mit weit aufgerissenen Augen dastand, während die Leichen ohne viel Aufhebens von der Plattform gestoßen wurden.

       »Ist ein Befehl«, antwortete der Soldat.

       Nur ganz kurz drängte sich Alex Tonys Gesicht auf, dessen Haut sich verändert hatte; die klaffende Wunde an seinem Arm …

       Er schluckte schwer, als Marcus seine Stimme wiederfand und gerade eine Diskussion anfangen wollte.

       »Dad«, sagte Alex. »Lass es bleiben. Ich glaube, sie haben das Richtige getan, das einzig Mögliche.«

       Marcus wandte sich seinem Sohn zu. »Bist du verrückt geworden?«

       Der Junge hatte sich abgewandt und ging jetzt auf die Plattform zu, um sich den Schädel und das Auge des Riesen – es war nun geschlossen – aus unmittelbarer Nähe anzusehen. Alex erschauderte und überlegte kurz. »Sie haben keine kugelsicheren Westen getragen, Dad; das konnte ich sehen, dort unten auf der anderen Seite.«

       »Unmöglich«, behauptete der Soldat.

       »Aber wahr«, beharrte Alex, »und falls sie mit dem infiziert wurden, was auch immer in dem See gewesen ist, dann …«

       Er starrte den T-Rex an, die enormen Kiefer und die Ahnung von Zähnen; die übereinanderliegenden Schuppen und die dicke Oberhaut … die Einkerbungen durch Kugeln, die sie nicht durchschlagen hatte.

       »Du würdest gut daran tun, einen sehr kalten Schiffscontainer zu benutzen, und musst hoffen, dass dieses Ding niemals auftaut …«

      9

      An Bord des Öltankers Hammond-1, Erebus Point, Antarktis

       »Erebus Point? Der Wind ist ja lauter als jeder Vulkanausbruch!« Xander musste fast schreien, um sich gegen die tosenden Böen Gehör zu verschaffen, welche in der Einfahrt zur Bucht vorherrschten, während sie zu zweit vom Deck auf die verglaste Brücke traten.

       »Seien Sie einfach froh darüber, dass der Vulkan nicht ausbricht«, erwiderte der Captain, der eindeutig betrunken war, als er vor den zahllosen Anzeigen und Instrumenten Platz nahm, mit denen das gewaltige Schiff gesteuert wurde. Er bebte vor herzhaftem Lachen über seinen eigenen Scherz, als er Schalter auf dem Kontrollpaneel umlegte. Xander fragte sich erneut, wie viel er selbst saufen musste und inwieweit – falls überhaupt – diese Skipper beaufsichtigt wurden, insbesondere solche, die DeKirk


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