Happy Endstadium. Jan Off

Happy Endstadium - Jan Off


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aufgetragen?«, wandte Jan ein.

      »Na, wenn wir Angst und Schrecken verbreiten wollen, sind Formulierungen, die an die Zeit des bewaffneten Kampfs erinnern, doch gar nicht das Schlechteste«, gab ich zurück.

      »Ja, für den Staatsschutz vielleicht. Die warten doch nur auf so was. Und die Zeitungen sowieso.«

      »Die Pfeifen vom Staatsschutz sollten, was unsere inhaltliche Ausrichtung angeht, nun wirklich die Letzten sein, die uns interessieren. Und wenn du dich an dem orientieren willst, was die Medien mögen, organisierst du vielleicht besser ’ne Lichterkette.«

      Julia unterbrach unser Geplänkel.

      »Also ich find’s gut. Was meinst du, Lasse?«

      Was meinst du, Lasse?! Warum nicht gleich: Was meinst du, Lasse-Schatz?!

      »Ich denke auch, dass wir’s so stehen lassen können. Das mit dem Kommando klingt allerdings wirklich zu abgehoben. Das sollten wir ändern. Vielleicht in Autonome Zusammenhänge

      Autonome Zusammenhänge?! Jesus, wie ich diesen Ausdruck verabscheute. Natürlich bezog er sich auf Menschen, also auf einen (losen) Personenzusammenhang. Wem das allerdings nicht bekannt war (und dazu zählte sicher das Gros der Bevölkerung), konnte auf den Begriff nur mit Verwirrung reagieren. Denn Zusammenhänge hat es ja nicht wenige auf diesem Planeten. Von welchen war also hier die Rede? Etwa von dem zwischen mangelnder Hygiene und der Ausbreitung von Krankheiten? Oder dem zwischen einem katastrophalen Fernsehempfang und einer erhöhten Geburtenrate? Und was hatte schließlich der Zusatz autonom im Zusammenhang mit derlei Zusammenhängen zu bedeuten? Da hatte selbst der Kreuzworträtselfreund eine schöne Nuss zu knacken. Davon ab, klang der Begriff einfach altertümlich, genau wie Volksküche (am besten noch mit x statt sk geschrieben) oder Lauti und was da sonst noch alles an sprachlichen Blindgängern durch die Welt irrlichterte, als ob die Achtziger nie zu Ende gegangen wären. Kein Wunder, dass die hiesige Linke seit Jahren keinen Fuß mehr auf den Boden bekam. Wer schon in seiner Wortwahl eine derart strenge Traditionspflege betrieb, musste von Außenstehenden zwangsläufig als altbackener Trachtenverein wahrgenommen werden, dem beizutreten nur trüben Tassen Gewinn versprach.

      Das alles hätte ich jetzt natürlich sagen können. Aber ich hielt hübsch den Mund, auch als Lasses Vorschlag unter dem zustimmenden Gemurmel der anderen angenommen wurde. Ich hatte mein Ziel längst erreicht, müßig jetzt noch über Nebensächlichkeiten zu debattieren.

      Als Julia ein paar Tage zuvor laut darüber nachgedacht hatte, ob es Sinn machen würde, unsere nächsten Aktionen mit einer Art Bekennerschreiben zu unterfüttern, hatte ich mich ohne zu zögern bereiterklärt, einen entsprechenden Entwurf zu verfassen. Denn da war sie, die Gelegenheit zur allumfassenden Rehabilitation.

      Eine Hoffnung, die sich bewahrheitet hatte. Ob nun Kommando Schwarzer Freitag, Autonome Fenstervorhänge oder Landschlachterei Herbert Schygalla & Söhne unter der Erklärung stand, spielte keine Rolle. Wie es auch zu verzeihen war, dass man meinen agitatorischen Fertigkeiten nicht den Tribut gezollt hatte, der ihnen doch unzweifelhaft zustand. Allein die Formulierung behalten wir uns das Recht vor, ebenfalls aktiv in die Umgestaltung unserer Umgebung einzugreifen hätte nach meinem Empfinden stehende Ovationen verdient gehabt. Eine bessere Umschreibung für die unverhohlene Androhung von Krawall ließ sich wohl schwerlich finden, oder? Na, sei’s drum. Die Erklärung selbst war akzeptiert worden. Und damit war ich wieder im Geschäft, genauer: im Rennen um die Schürfrechte auf dem steinigen Acker der Minne.

      Tatsächlich gewährten mir die anderen die Teilnahme an den nächsten Aktionen mit einer Selbstverständlichkeit, als ob es mein anfängliches Versagen nie gegeben hätte. Auch in die Vorbereitungen war ich von nun an miteinbezogen. Ich gab dieses Vertrauen zurück, indem ich mich meinen Aufgaben mit der Hingabe eines Gläubigen widmete. Nach dem bewährten Muster nahmen wir uns die Filiale eines Mobilfunkanbieters vor, der wir einen hübschen Farbbeutel-Anschlag auf einen dieser Gourmettempel folgen ließen, die sich mittlerweile auch in unserer Gegend ausbreiteten wie Staphylokokken in der Latrine eines Pfadfinderlagers.

      Kurz darauf erledigten wir in einer Nacht zwei Läden gleichzeitig. Kleingeld und ich brachten die Scheiben eines Maklerbüros zum Bersten, während sich Julia in Begleitung der anderen Buben noch einmal um die Klamotten-Klitsche in der Morbus Hansen kümmerte.

      Auf das Mitführen von Sprühdosen wurde bei all diesen Gelegenheiten dankenswerterweise verzichtet. Dafür hatten wir ja unser Flugblatt, von dem wir stets ein paar Exemplare am Ort des Geschehens zurückließen. Jan hatte den Schrieb in der Uni-Bibliothek noch einmal abgetippt und dort auch vervielfältigt.

      Wie nicht anders zu erwarten, interessierten sich die Zeitungen für den theoretischen Hintergrund unseres Wirkens jedoch herzlich wenig. Es war wie gewohnt von Chaoten und gewissenlosen Gewalttätern die Rede. Und das noch nicht mal in großer Aufmachung und nur selten bebildert. Nun, wir waren natürlich nicht die Einzigen, die es häufiger hinaus in die Nacht zog, und so hatte der Nachrichtenwert unserer und vergleichbarer Taten im Verlauf der letzten Monate naturgemäß nachgelassen. Stattdessen wurden die Schlagzeilen seit kurzem von einer anderen Form des Feierabendvergnügens beherrscht, hinter dem allerdings ebenfalls linksradikal motivierte Volksfeinde vermutet wurden: In schöner Regelmäßigkeit gingen in den frühen Morgenstunden Personenkraftwagen in Flammen auf, hauptsächlich Modelle der gehobenen Preisklasse. Und wenn es um das Wohl seines Lieblingsfetischs geht, legt der Deutsche ja bekanntlich eine Sensibilität an den Tag, der kein noch so großer medialer Aufwand gerecht werden kann.

      »Warum Autos?«, fragte Jan beim morgendlichen Studium des örtlichen Boulevardblatts.

      »Warum nicht?!«, lautete Lasses lapidare Antwort.

      Und damit war zu diesem Thema auch schon alles gesagt.

      Glaubten wir zumindest, bis wir feststellen mussten, dass das Treiben der Hassbrenner und Schizo-Zündler auch auf unser Leben erhebliche Auswirkungen hatte. Zwar war die Zivi-Dichte in unserem Viertel schon immer recht hoch gewesen. Nun aber nahm die Bullenpräsenz orwellsche Ausmaße an. Wannen und Staatsschutzschleudern, wohin das Auge blickte. Um den Feinden der Fortbewegung das Handwerk zu legen, ließen die Sicherheitsorgane immer häufiger sogar Hubschrauber in den Nachthimmel aufsteigen. Die Brandstifter störte das wenig, sie wichen einfach auf andere Bezirke aus. Wir aber sahen uns aufgrund dieser Entwicklung gezwungen, unseren stadtplanerischen Aktivitäten erst einmal eine Pause zu verordnen.

      So plätscherte das WG-Leben eine Weile recht unspektakulär dahin, beschränkte sich auf gemeinsames Kochen und andere häusliche Aktivitäten, bis Julia eines Vormittags in meinem Zimmer erschien.

      Ich war gerade dabei, CDs in ein Regal zu räumen, hatte ihr Eintreten nicht bemerkt und fuhr erschrocken herum, als sich mir ihre Hand auf die Schulter legte.

      »Hey«, sagte sie und lächelte mich an.

      Ich lächelte zurück. Und dann drückte sie mir, ohne dass sich ihr Gesichtsausdruck dabei veränderte, eine Packung Kondome in die Hand.

      Eine unendliche Sekunde lang sah ich mich am Ziel all meiner Sehnsüchte. Die stummen Gebete, die ich Nacht für Nacht an den Schutzpatron der Onanisten gesandt hatte, waren endlich erhört worden. Denn was konnte diese zugegebenermaßen unkonventionelle Geste anderes bedeuten, als …

      Und dann sagte Julia: »Vollmachen!« Und die Seifenblase, die sich in dem törichten Zellhaufen ausgebreitet hatte, den ich mein Gehirn nannte, zerplatzte.

      »Äh, vollmachen? Aber … womit denn?«, stotterte ich, aufrichtig durcheinander, weil ich mir auf dieses Ansinnen partout keinen Reim machen konnte.

      Wollte Julia Wasserbomben anfertigen und damit auf Passanten zielen? Aber um den Hahn aufzudrehen, brauchte sie ja wohl kaum meine Hilfe. Nein, sie musste etwas anderes im Schilde führen. Aber was? Vielleicht eine künstliche Befruchtung, für die sie eine Samenspende …

      Julia erlöste mich aus meiner Verwirrung.

      »Na, mit dem hoffentlich harnsäurereichen Inhalt deiner Blase natürlich. Weniger vornehm ausgedrückt: Du sollst die Dinger mit


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