Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht. Marie Brennan

Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht - Marie  Brennan


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ist klar, dass einige Fehler in ihrer Übersetzung daran liegen, dass sie die Schriftzeichen für ša und ma und auch gil mit suk verwechselt – sehr häufige Anfängerfehler, und sie erklären das zusammenhanglose Zeug und so weiter, auf das sie gekommen ist.

      Ach, das hätte ich nicht schreiben sollen. Großpapa redet immer davon, wie man jeden Schritt nacheinander machen sollte. Kopieren, dann Transkribieren, und erst, wenn das fertig ist, Übersetzen. (Und jedes Mal, wenn er das tut, macht Großmama eine spitze Bemerkung über seine »verdammenswerte Geduld«, und dann erzählt sie die Geschichte von jener zerfallenden Tür im Herzen der Wächter und wie er sie diese hat zeichnen lassen, ehe er irgendjemanden durchließ, um zu sehen, was sie geschützt hatte.) Aber ich bin nicht aus solch geduldigem Holz geschnitzt, und ich habe bereits den ersten Teil der Transkription …

      Alle anderen sind im Bett. Es wird unser kleines Geheimnis bleiben, Tagebuch.

       Tafel I: Anrufung

       Übersetzt von Cora Fitzarthur

      Lausche mit deinen Schwingen in den Gräben und Felsen in allen Ecken.

      Durch mich sage ich, wie Ton gemacht wurde, Staub und Wasser und Decke und Wind und Korn und Tiere des Bodens und Flundern und Himmel, die drei Herzschilfe und die vier, die später drei waren. Stein meine Worte für das kommende Jahr, weil Verstandsaufzeichnungen die eine echte für immer sind. Wenn diese Klammer aufgezeichnet wird, leben wir mit ihnen, und die Güte ihres Schatzes wird die gehenden Generationen weiter Dinge tun lassen.

      Einer war rot von der Sonne und geformt wie viele eiserne Hände.

      Zwei waren grünes Wasser und wuchsen vom geschlafen werden groß.

      Drei waren himmelblau und kamen klug mit ihren Baumzweigen.

      Vier, die männlich waren, schwarz bedeckt und wurden zum ersten Mal niedergeschrieben.

      Vier brachen zusammen ein einziges Ei, was ein Ding war, das niemand zuvor getan hatte.

      Zusammen gingen sie hinunter und hinauf und wurden Finsternis durch Licht.

       Tafel I: Kolophon

       Übersetzt von Audrey Camherst

      Hört, breitet eure Schwingen aus, um zu lauschen, von den Schluchten zu den Höhen aus Stein, in jeder Ecke der Welt.

      Durch mich wird dieser Ton davon sprechen, wie alles gemacht wurde, die Erde und die Wasser, der Himmel und der Wind, die Pflanzen und die Tiere von Land und Flüssen und Himmel, die drei Völker und die vier, die danach drei waren. Bewahrt meine Worte für die kommenden Zeitalter, denn die Erinnerung ist die einzig wahre Unsterblichkeit. Solange man sich an diese vier erinnert, werden sie in uns leben, und der Segen ihrer Taten wird andauern.

      Die Erste war golden wie die Sonne, und ihre Hände waren als Waffen geeignet.

      Die Zweite war grün wie Wasser und bepflanzte die Erde, sodass das Getreide hoch wuchs.

      Die Dritte war blau wie der Himmel und war klug im Bauen von Dingen.

      Der Vierte war ein Bruder mit schwarzen Schuppen, und er war der Erste, der Sprache in Ton aufzeichnete.

      Diese vier schlüpften aus einer einzigen Schale, was man nie zuvor gesehen hat.

      Zusammen stiegen sie hinab und wieder herauf und machten die Finsternis zum Licht.

       Aus dem Tagebuch von Audrey Camherst

       7. Pluvis

      Oh, Cora ist clever. Sie mag zwar eine fürchterliche Übersetzerin sein, aber sie hat einen sehr geordneten Verstand und hat etwas entdeckt, das ich noch nicht bemerkt hatte.

      Ich habe schon erwähnt, dass die Tafeln, als ich zum ersten Mal in die Bibliothek kam, in einer Reihe ausgelegt waren. Ich bin so daran gewöhnt, mit Texten zu arbeiten, an denen bereits jemand gearbeitet hat, dass mir nie der Gedanke gekommen wäre, dass irgendetwas seltsam daran war, als ich um die erste Tafel bat und sie mir diese ohne Zögern reichte. Aber natürlich hätte ich mich wundern müssen: Woher wusste sie, dass diese die Erste war?

      Die Antwort liegt natürlich in dem Teil, den ich bereits übersetzt habe. Sie war zwar wohl nicht fähig, ihn sehr gut zu lesen, aber sie konnte sehen, dass er anders war. »Dieser Teil war mit einer horizontalen Linie abgetrennt«, sagte sie, als ich sie fragte. »Keine von den anderen hat einen abgetrennten Teil, nicht so. Es schien mir nicht logisch, dass sie das am Ende der Reihe machen würden oder irgendwo in der Mitte – nicht, wenn es in der oberen Ecke war wie hier.«

      »Es ist beinahe wie ein Kolophon«, sagte ich und beugte mich über die fragliche Tafel. »Dann aber auch wieder nicht. Normalerweise verrät einem ein drakoneischer Kolophon alle möglichen Dinge, von einer Zusammenfassung des Texts oder einigen Schlüsselsätzen bis dahin, welcher Schreiber ihn verfasst hat oder wer ihn in Auftrag gegeben hat und warum. Dieser gibt eine Art Zusammenfassung, aber der Rest jener Informationen ist nicht da. Ist er auf der letzten Tafel? Manchmal haben sie ihn stattdessen ans Ende gesetzt.«

      Cora schüttelte den Kopf. »Falls er das ist, haben sie ihn nicht markiert.«

      Ein schneller Blick auf die letzte Tafel in der Sequenz reichte, um mir zu verraten, dass der letzte Text auch kein Kolophon war. Dann runzelte ich die Stirn und blickte an dem Tisch entlang. »Bist du sicher, dass das hier der Letzte ist?«

      »So sicher, wie ich sein kann«, sagte Cora. »Ich habe sie zuerst geordnet, bevor ich versucht habe, mit der Übersetzung anzufangen.«

      Ich war von einem Mysterium ins nächste gestolpert. »Woher weißt du, dass sie in der richtigen Reihenfolge sind?«

      Obwohl ich mit meinem Kopieren noch nicht sehr weit gekommen war, hatte ich mir jede Tafel angesehen und das Fehlen einer Nummerierung bemerkt. Was Sinn ergibt. Dieser Text ist offensichtlich ein sehr früher und scheint vor der Idee zu datieren, eine Zahl und das Incipit des Texts an den Rand der Tafel zu schreiben, um Dokumente besser zusammen und in Ordnung halten zu können. Aber ohne dies und ohne die Fähigkeit, den Text zu lesen, wie um aller Welt hatte Cora irgendeine Ahnung über ihre Reihenfolge?

      Sie strahlte, als ich sie das fragte. Ich glaube, sie wusste, dass sie etwas Kluges gemacht hatte, und war berechtigt stolz. »Schau«, sagte sie und hastete zurück zum Anfang der Reihe. »Siehst du das hier, am Ende dieser Tafel? Und dann den Anfang der nächsten.«

      Ich sah es tatsächlich. Die letzte Glyphe auf der ersten Tafel war das Schriftzeichen für »zwei«, und das erste Symbol auf der zweiten Tafel war das Zeichen für »eins«. Die zweite Tafel endete mit »drei«, während die dritte mit »zwei« begann, und so weiter die Reihe entlang.

      Was offensichtlich ist, wenn man weiß, worauf man achten muss – aber für jemanden wie Cora, deren Kenntnis der Sprache so rudimentär ist wie die eines Anevrai-Schuljungen, ist es eine gewaltige Leistung, das zu bemerken! Besonders, weil zwei von ihnen so schwer beschädigt sind (möge die Sonne verbrennen, wer auch immer dafür verantwortlich ist!). Und alle von ihnen haben natürlich Text auf beiden Seiten, die Ziffern aber nur am Anfang der Vorderseite und am Ende der Hinterseite, ohne irgendeine andere Markierung, die einem sagt, welche Seite welche ist. Ein schneller Blick zeigte mir sogar zwei Stellen, wo die Hinterseite mit einer Ziffer beginnt oder die Vorderseite mit einer endet, aber einfach als normaler Teil des Texts, nicht als Andeutung einer Reihenfolge. »Ja«, sagte Cora, als ich auf jene hinwies. »Die haben mir für eine Weile einen Haufen Schwierigkeiten gemacht.«

      »Ich habe das nie zuvor gesehen«, sagte ich staunend, während ich hastig einige Notizen kritzelte. (Pfeif auf die Übersetzung. Ich vermute, ich könnte den Rest meines Lebens damit verbringen, Fachartikel und Monografien über andere Aspekte dieser Tafeln zu schreiben.) »Keiner von den drakoneischen Texten, die ich schon untersucht habe, hat diese Methode der Reihung benutzt.


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