Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht. Marie Brennan

Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht - Marie  Brennan


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sie eine lebendige Population von Drakoneern entdeckt und deren Existenz der Welt verkündet hat … aber der Appetit auf Antiquitäten ist seither ständig heftig, und es gibt allzu viele von Armut geplagte Einheimische, die bereit sind, sich ihren Weg in Stätten zu hämmern und Objekte zu suchen, die sie für wenige Dinare verkaufen können. Das Letzte, was ich tun sollte, ist es, derartige Dinge zu fördern.

      Wie sich herausstellt, muss ich das nicht.

      Lord Gleinleighs Berechtigung ist exklusiv, ja – aber das bedeutet, dass er jedem, den er will, die Erlaubnis gewähren kann. Die Akhier haben, nachdem er den Hort gefunden hatte, direkt gefragt, und er hat sie abgewiesen … aber als ich heute Morgen mit ihm sprach, stellte ich heraus, dass, falls dort später irgendetwas Bedeutendes gefunden wird, alle denken werden, dass er ein Narr ist, weil er nicht weitergesucht hat. Wogegen er, wenn er erlauben würde, dass ich mich dort umsehe, der reiche Schirmherr wäre, der das Lob für weitere Entdeckungen einstreichen würde.

      Ich erwartete ehrlich nicht, dass es funktionieren würde. Ich habe Jahre mit dem Versuch verbracht, Dorak einen Riegel vorzuschieben, und ich bin sicher, dass zumindest die Hälfte von Gleinleighs Sammlung durch die Lagerhäuser von jenem Bastard gegangen ist. Aber sein Ego ist so groß wie seine Sammlung, und ich glaube, die Aussicht, dass andere Leute ihn verspotten könnten, war nicht zu ertragen.

      Wohlgemerkt, er willigte nicht sofort ein. Zuerst sagte er vage Dinge über zukünftige Pläne, nur dass er gerade jetzt völlig mit den Tafeln beschäftigt und nicht wirklich fähig sei, so viel Aufmerksamkeit, wie er gerne wollte, der Jagd nach neuen Funden zu widmen – als würde er überhaupt irgendeine Arbeit machen, wenn er sich in Ecraie vergnügt, während Audrey eine Glyphe nach der anderen an der Übersetzung kaut. Ich bin nicht überrascht, dass er nicht begierig darauf ist, wieder nach Akhien zu reisen. Tatsächlich glaube ich, dass diese Expedition in den Qajr das erste Mal war, dass er selbst ins Feld gezogen ist (außer du zählst Urlaubsorte auf dem Kontinent als »das Feld«).

      Aber dann kam er zum Geschäft und nahm mich um eine heftige Lizenzgebühr aus – womit er, wie ich sicher bin, einiges von dem, was er für seine eigene Erlaubnis bezahlt hat, zurückholte – und, tja, als ich feststellte, dass er überhaupt auf mich einging, war ich so überrascht, dass ich zustimmte.

      Ich denke nicht, dass er erwartet, dass ich irgendetwas finde. Eigentlich frage ich mich, ob er das Gebiet bereits so gründlich abgesucht hat, dass er weiß, dass es nichts mehr zu finden gibt, und sich deshalb nicht daran stört, wenn ich etwas herumstochere. Aber seine Leute können keinesfalls lange genug dort gewesen sein, um sich dessen sicher zu sein, nicht, wenn jener Teil des Qajr von so vielen kleinen Höhlen durchzogen ist. Und wenn schon nichts sonst, kann ich mir wenigstens sagen, dass ich mein Bestes getan habe, um irgendetwas Nützliches zu bekommen, bevor die Plünderer es getan haben.

       Also reise ich offenbar nach Akhien, und zwar bald. Der Kauf jener Lizenz bedeutet, dass ich nicht mehr als einen kurzen Ausflug aus eigener Tasche finanzieren kann, aber ich habe den Verdacht, dass man wohl Lord Trent überzeugen könnte, mit der Finanzierung zu helfen, wo doch seine Enkelin am Originalhort arbeitet und überhaupt. (Dein eigenes Budget ist sicher, keine Angst. Zumindest bis ich nächste Woche vorbeikomme und mit dir über Rafaats Vorschlag rede.)

       Wie kommt Audrey eigentlich voran? Ich weiß, dass es erst eine Woche oder so her ist, aber ich hätte erwartet, dass ich schon sechs Briefe mit Meldungen über ihren Fortschritt bekommen hätte. Lord Gleinleigh zensiert nicht ihre Post, oder?

       Dein Freund

       Alan

       Aus dem Notizbuch von Cora Fitzarthur

      Audrey hat ihrem Vater heute einen Brief geschrieben. Ich bin nicht sicher, ob ich es Onkel erzählen soll oder nicht. Da steht, dass die Arbeit überraschend schwierig ist, dass sie sich trotzdem freut, sie zu tun, dass sie dafür wahrscheinlich eine lange Zeit brauchen wird, obwohl sie nicht schreibt, wie lange, und dass sie bisher genug gelesen hat, dass sie nicht glaubt, dass es richtig ist, wenn sie allein an etwas so Wichtigem arbeitet. Dann fragt sie ihren Vater, ob er glaubt, dass jemand namens Kudshayn Zeit hätte, vorausgesetzt, sie könnte die Vereinbarung mit Onkel treffen, dass eine andere Person ihr helfen darf.

      Sie hat recht, dass ich keine ausreichend gute Assistentin bin, obwohl sie das nicht direkt schreibt. Die Sprache ist viel komplizierter, als mir bewusst war, und darüber hinaus ärgert sie mich. Sie ergibt keinen Sinn, noch weniger als Scirländisch.

      Nirgendwo davon steht irgendetwas über die Tafeln, nicht direkt, und auch nicht über Onkel, und genau danach sollte ich für ihn suchen. Aber sie möchte mit diesem Kudshayn arbeiten, und das würde bedeuten, ihm alles darüber zu erzählen, was sie gerade tut. Selbst wenn sie beschließt, nicht mit Onkel über die Idee zu sprechen, denke ich, dass er wissen sollte, dass sie sie in Betracht gezogen hat, weil er will, dass all das hier geheim gehalten wird, bis es fertig ist.

      Ich werde ihm morgen schreiben.

       Aus dem Tagebuch von Audrey Camherst

       19. Pluvis

      Ich schreibe es hier auf, damit ich keinen Rückzieher machen und vorgeben kann, dass ich diese Entscheidung nicht getroffen habe: Heute werde ich mit Lord Gleinleigh über Kudshayn sprechen.

      Er ist endlich zurück auf Stokesley. Er war in einer geschäftlichen Angelegenheit in Thiessin und ist mit Kisten voller Neuerwerbe zurückgekommen – die Sonne weiß, wo er sie hinstellen wird, weil dieser Ort bereits bis an die Decke vollgestopft ist. Hauptsächlich eriganisch, wenn man das glauben kann. Er sagt, das sei wegen mir. Ich denke, er meint das schmeichelnd? Er wollte meine Meinung über sie, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu sagen: »Ich hoffe, sie sind nicht geplündert.« Zum größten Teil sind sie keine Antiquitäten, aber ich kann mich nicht auf Stokesley umsehen, ohne Alan, Simeon und Großpapa in meinem Kopf zu hören, die alle im Chor mit den Zähnen knirschen. Nicht nur wegen des drakoneischen Materials, obwohl das natürlich das Furchtbarste ist. Ich bin mir sicher, dass Gleinleigh die Hälfte dieser Objekte vom Schwarzmarkt hat.

      Vielleicht ist er, wenn ihm diese Übersetzung einen Haufen Geld einbringt, zufrieden genug mit mir, dass ich ihn überreden kann, mit so etwas aufzuhören.

      Ganz ehrlich, es war eine gewisse Erleichterung, als er weg war. Ich bin froh, dass er mir auf jede erdenkliche Weise helfen will, aber es ist schnell deutlich geworden, dass Lord Gleinleigh die Art von Mann ist, die keine Idee sehen kann, ohne dieser seine eigenen »Verbesserungen« aufzudrücken. (Er hat im Glashaus Spiegel installiert, nachdem mir klar wurde, dass ich es nutzen konnte, um während Regenperioden an der Transkription zu arbeiten. Sie bringen nicht viel, wenn es draußen düster ist, und an sonnigen Tagen fühle ich mich wie eine Ameise, die von einem sadistischen Schuljungen gebrutzelt wird.)

      Und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, fragt er, wie es läuft. Was ganz verständlich ist – nur dass ich sehen kann, wie sich die Zahnräder in seinem Kopf drehen wie bei einer Rechenmaschine und meinen derzeitigen Fortschritt mit dem Zeitplan abgleichen, den ich ihm gegeben habe. Es läuft relativ gut, aber dass er mir (bildlich gesprochen) mit einer Taschenuhr in der Hand über die Schulter späht, macht die Arbeit überhaupt nicht einfacher.

      Ich muss allerdings zugeben, dass auf gewisse Weise seine Bedingung zur Geheimhaltung das hier doch einfacher macht. Wenn ich wie üblich an all meine Freunde und Verwandten schreiben würde, würden die mir (bildlich gesprochen) über die Schulter spähen, und auf deren Meinung gebe ich viel mehr als auf die von Lord Gleinleigh. Geheimhaltung bedeutet zumindest, dass Großpapa nie zu erfahren braucht, dass ich das hier ganz ohne die richtige Reihenfolge gemacht habe, indem ich laufend übersetzt habe, statt das ganze


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