Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht. Marie Brennan

Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht - Marie  Brennan


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von Kudshayn gehört haben. Hadamisten kennen Kudshayn, weil er das sehr öffentliche Emblem von allem ist, was sie verachten. Als Lord Gleinleigh nickte, sagte ich: »Er und ich sind schon von Kindheit an gute Freunde. Seine Kenntnis der antiken Sprache ist sogar noch weitreichender als meine, und er genießt unter seinem eigenen Volk sehr großes Prestige – ganz zu schweigen von unter den Menschen. Selbst wenn er per Post arbeitet, bin ich sicher, dass sein Beitrag unschätzbar wäre.«

      Lord Gleinleigh hielt inne, gerade als er sein Weinglas hob. »Per Post?«

      »Ich weiß, dass Sie nicht wollen, dass ich Briefe verschicke«, fügte ich hastig an. »Wir können alle Arten von Tricks nutzen, um es zu verschleiern, wenn Sie finden, dass das nötig ist – obwohl ehrlich gesagt die Chancen, dass irgendwer meine Briefe liest, wirklich sehr gering sind. Aber wenn man die Zeit für den Seeweg mit einrechnet, würde es Monate dauern, um ihn hierherzubringen. Ich kann mir nicht leisten, so lange zu warten, nicht, wenn die Übersetzung vor dem Kongress veröffentlicht werden soll. Und weiterzuarbeiten, während er auf dem Weg ist, würde wirklich den Zweck verfehlen. Caeligerpost ist die einzige praktikable Möglichkeit.« (Natürlich keine billige – aber ich war bereit, diese aus eigener Tasche zu bezahlen. Obwohl das, wie ich annehme, am Ende auf Gleinleighs Tasche zurückfällt, weil er ja mich bezahlt.)

      »Hmmm.« Lord Gleinleigh nippte an seinem vernachlässigten Wein, dann stellte er ihn nachdenklich ab. Ich hatte ihn es sich nicht irgendwie anders überlegen lassen, oder?

      Als er sagte: »Nein, das geht überhaupt nicht«, sank mir das Herz bis in die Zehen. Ich tadelte mich innerlich, weil ich die Post erwähnt hatte. Ich hätte warten sollen, ihn sich mit dem Gedanken, Kudshayn zu rekrutieren, anfreunden lassen, ehe ich herausstellte, dass ich mein Versprechen zur Geheimhaltung würde brechen müssen, damit es funktionierte.

      Aber Lord Gleinleigh war noch nicht fertig. »Wenn er hierherkommen soll, müssen wir das Beste aus seiner Zeit machen. Die Post ist viel zu langsam – und mit dem Schiff zu kommen, würde ihn durch die Tropen führen, was, wie ich mir vorstellen kann, schrecklich hart für ihn wäre, selbst wenn er unter Deck bleiben würde. Nein, ich werde einen Caeliger arrangieren.«

      Mein Herz sprang aus meinen Zehen zurück, als würde es direkt aus meinem Schädel platzen wollen. »Sie würden dafür bezahlen?« Eine Caeligerreise von hier nach, sagen wir, Eiversheim ist eine Sache, aber um die halbe Welt zu fliegen, ist eine ganz andere!

      Lord Gleinleigh sah mich stirnrunzelnd an. Ich habe zu viel von meinem Leben in Gesellschaft von Seeleuten verbracht, was heißen will, mit sehr vielen Kaufleuten, und Mutters Familie ist stolz darauf, Händler zu sein. Ich habe nie ganz gelernt, dass Männer wie Lord Gleinleigh vorgeben, dass Geld nicht wichtig ist. »Für einen Gelehrten von Kudshayns Status«, sagte er, »wäre alles andere eine Beleidigung.«

      Kudshayn denkt natürlich nicht so. Er ist mit Geld sogar noch schlimmer als ich, außer dass es bei ihm daran liegt, dass er überhaupt nicht viel darüber nachdenkt. Aber das macht kaum einen Unterschied, weil Lord Gleinleigh eingewilligt hat, ihn hierherzubringen!

      Ich bin einfach so schockiert, dass der Graf es selbst vorgeschlagen hat. Angesichts all seiner Besorgnis um die Geheimhaltung war ich sicher, dass er widerwillig wäre, eine weitere Person einzuweihen – besonders einen Drakoneer, wenn ich bezweifle, dass er in seinem Leben je einem von Angesicht zu Angesicht begegnet ist. Stattdessen ist es, als hätte er meine Gedanken gelesen.

      Ich werde Kudshayn heute Abend schreiben!

       Von: Charlotte Camherst

       An: Audrey Camherst

       23. Pluvis

       Clarton-Platz 3, Falchester

      Liebste Audrey,

      wie du sehen kannst, bin ich in Falchester! Wir sind letzte Woche angekommen und waren seitdem so beschäftigt, dass das hier der erste Moment ist, den ich habe, um mich hinzusetzen und dir zu schreiben. Gibt es kein Telefon, wo du bist? Papa hat mir erzählt, dass Stokesley nicht so sehr weit entfernt ist, nur über die Grenze in Greffen – bitte sag mir, dass du zu Besuch kommst, während ich hier bin. Ich weiß, dass du formelle Bälle und so etwas verabscheust, aber es würde mir so viel bedeuten, dich wenigstens für ein paar Tage bei mir zu haben.

       Wenn sonst schon nichts, musst du einfach das Kleid sehen, das ich zu meiner Präsentation bei Hof getragen habe. Es ist absolut antik – nicht buchstäblich, weil es natürlich speziell für mich genäht werden musste, aber es unterscheidet sich nicht sehr von dem, das Großmama getragen haben muss, als sie präsentiert wurde. Warum müssen verstaubte alte Zeremonien in verstaubter alter Kleidung durchgeführt werden? […]

      […] Aber ich möchte dich nicht mit Gerede über Leute langweilen, die du nicht kennst und um die du dich nicht scherst. Ich habe Lady Cossimere nur erwähnt, weil ich dir von der seltsamen Sache erzählen wollte, die an jenem Abend passiert ist.

       Irgendwann, als ich stehen geblieben war, um wieder zur Puste zu kommen, habe ich gehört, wie Lord Gleinleigh angekündigt wurde. Also bin ich natürlich sofort an eine Stelle gesprintet, von wo aus ich den Eingang sehen konnte, weil ich wissen wollte, wie er aussieht. Ich dachte, tja, wenn meine Schwester Tafeln für ihn übersetzt, sollte ich Hallo sagen. (Es gibt immer noch Leute hier, die darauf beharren, dass eine Dame nie ein Gespräch mit einem Mann anfangen sollte, dem sie nicht vorgestellt worden ist – kannst du das glauben? Zum Glück habe ich Cousine Rachel hier, um ein vernichtendes Starren einzusetzen, wenn nötig.)

      Also habe ich Lord Gleinleigh gesehen. Aber dann musste ich mit Mr. Trunberry tanzen, und eines kam zum anderen, und eine ganze Stunde verstrich, ehe ich eine Gelegenheit bekam, auch nur daran zu denken, mit Lord Gleinleigh zu reden, und dann musste ich ihn natürlich im Gedränge suchen. Schließlich fand ich ihn oben auf der Galerie, die um den Ballsaal von Lady Cossimere führt … wo er mit Mrs. Kefford sprach.

      Ich war so schockiert, wie du jetzt bist! Und ja, ich bin sicher, dass sie es war. Vergiss nicht, dass ich an jenem Tag bei dir war, als wir Großpapa zum Mittagessen getroffen haben – wie du dich erinnerst, nachdem er das Synedrion dazu bekommen hatte, dafür zu stimmen, den Kongress auszurichten, und danach diesen unglaublich öffentlichen Streit mit ihr in der Säulenhalle draußen hatte.

      Es sollte mich nicht überraschen, dass sie bei Lady Cossimere war. Jeder, der jemand ist oder sein will, kommt zu ihren Gesellschaften, und Mrs. Kefford ist unbestreitbar jemand, selbst wenn ich wünschte, sie wäre es nicht. Aber mit Lord Gleinleigh zu reden? Und es wirkte auch wie ein richtiges Gespräch. Ich meine, dass sie einander eindeutig kannten, und wenn sie nur das Wetter diskutiert hätten, dann habe ich nie gewusst, dass Regen eine so ernste Sache sein kann. Es wirkte, als würde Lord Gleinleigh versuchen, Mrs. Kefford von irgendetwas zu überzeugen. Er war sehr ernst und energisch, und sie wirkte fasziniert, aber auch ein wenig verärgert. Ich wollte wirklich nähertreten und lauschen, aber es bestand absolut keine Chance – besonders nicht, weil es bei diesen Veranstaltungen wenige Mädchen gibt, die so dunkelhäutig sind wie ich. Lord Gleinleigh hätte mich auf jeden Fall als deine Schwester erkannt, und Mrs. Kefford hätte sich vielleicht an mich erinnert, besonders weil ich ihnen sehr nahe hätte kommen müssen, um irgendetwas zu hören.

      Aber ist das allein nicht seltsam? Ich hatte keine Ahnung, dass Lord Gleinleigh Mrs. Kefford überhaupt kennt, ganz zu schweigen davon, dass er ihr so nahesteht. Ich vermute, dass er wohl im Synedrion ihrem Mann hätte begegnen können, aber sie vertreten Sitze in unterschiedlichen Kammern und sind nicht als Freunde bekannt. Oder vielleicht haben Mrs. Kefford und er sich auf dem Kontinent kennengelernt. Wie ich höre, verbringt sie dort sehr viel Zeit, und sie könnte uns allen einige Kopfschmerzen ersparen, wenn sie dauerhaft in Ecraie wohnen bleiben würde. (Na ja, es würde Scirland einige Kopfschmerzen ersparen. Aber dann hätten die Leute in Thiessin diese stattdessen.) Sie sammeln beide drakoneische Antiquitäten, also könnten sie sich vielleicht über jene Kanäle kennengelernt haben. Aber sie ist extrem gehässig zu ihnen – den Drakoneern, meine ich, nicht den Antiquitäten –, und Lord Gleinleigh nicht, erst recht nicht, wenn er dich jene Tafeln


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