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INSEL DER URZEIT. Rick Poldark
David. »Sie wird, falls Sie sich für unsere Expedition entscheiden sollten, uneingeschränkt kooperieren. Es hat natürlich geholfen, dass wir eine großzügige Spende für das Paläontologie-Programm Ihrer Universität in Aussicht gestellt haben, wenn wir auf Sie beide zählen dürfen.«
Tracey jubelte beinahe vor Freude. »Pete, das ist der absolute Hammer! Die perfekte Win-win-Situation. Wir werden fürstlich bezahlt, und unsere Uni kann noch dazu weitere Ausgrabungen finanzieren.«
»Und wir könnten gefressen werden«, ergänzte Peter trocken. »Erinnerst du dich noch an diesen Film?«
David schmunzelte. »Dr. Albanese, in Ihrem Vortrag, bei dem ich vor Kurzem anwesend war, haben Sie doch selbst gesagt, dass Hollywood allerlei Mythen über Dinosaurier propagiert hat. Bei dem hohen Sicherheitsgrad unserer Operation und Ihrem Know-how werden Sie bestimmt nicht auf irgendeiner Speisekarte stehen.
Und vergessen Sie nicht: es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es auf dieser Insel gar keine Dinosaurier gibt. Dann sind Sie einfach nur mit dabei und werden sehr großzügig fürs Nichtstun bezahlt.« Davids Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass er genau wusste, dass er Peter am Haken hatte – genau genommen hatte Peter sogar den Haken, die Pose und die gesamte Schnur verschluckt.
Peter und Tracey sahen aus wie ein Paar, das gerade dabei war, sich zu verloben, wobei sie auf ihre Schecks starrten, als wären diese ein gigantischer Diamantring. Sie flüsterten sich gegenseitig etwas zu und schließlich wandte sich Tracey an David. »Wir sind dabei!«
So kam es, dass Peter und Tracey in Windeseile mit Poseidon Tech verheiratet waren.
Hawaii
In einem der Biologielabore der Universität von Hawaii saßen gerade ungefähr zwanzig Studenten auf ihren Laborhockern und beugten sich über ihre mit Erde gefüllten Einweg-Plastikbecher, in denen eine winzige Pflanze spross. Jeder von ihnen hatte zwei etikettierte Becher vor sich. Auf dem einen Becher stand Experiment, auf dem anderen Kontrolle. Neben den Bechern lagen mehrere Pipetten. Einige der Studenten sahen auf ihre Sämlinge herab, andere blickten nach vorn zum Dozententisch.
Dr. Allison McGary stand gerade vor der Gruppe und erklärte den nächsten Schritt. »Wenn wir gleich die Gibberellin-Hormone hinzufügen, erinnern Sie sich bitte an die drei Ergebnisdimensionen, die es zu beobachten gilt …« Sie machte eine kurze Pause und wartete darauf, dass einer der Studenten ihren Gedanken vervollständigte.
»Keimung, Wachstum und Blüte«, ergänzte eine Studentin, die ganz vorn saß.
Allison lächelte. »Das ist richtig. Bitte denken Sie daran, das Hormon nur in den Becher mit der Aufschrift Experiment zu träufeln.« Etwas tauchte plötzlich in ihrer peripheren Sicht auf. Durch das kleine, quadratische Fenster in der Tür zu ihrer Linken war ein Mann zu sehen, der sie aufmerksam beobachtete, doch sie kannte ihn nicht.
Ihr Assistent Mark näherte sich jetzt ihrem Tisch. Sie gab ihm die Flasche mit Wachstumshormonen. »Mark wird nun mit der Flasche herumgehen. Nachdem Sie die Behandlung vorgenommen haben, werde ich ihn den Hemmstoff verteilen lassen, der für Ihren Becher mit der Aufschrift Kontrolle bestimmt ist.« Als sie wieder nach links blickte, war der Dekan durch das Fenster der Tür zu sehen und winkte sie mit dem Finger zu sich.
Na großartig. Was hatte sie denn jetzt schon wieder angestellt, dass Dekan Munoz sie während eines Seminars aus ihrem Labor holte? »Mark, übernimmst du bitte kurz?«
***
Allison hatte gerade noch genug Zeit, vor dem Flug nach Vietnam kurz ihren Ehemann Patrick anzurufen. »Denk daran, dass du das Fläschchen-Protokoll sorgfältig führst.«
»Natürlich mache ich das«, antwortete Patrick.
»Und dass die Flaschen und Sauger jedes Mal sterilisiert werden.«
»Ja, Liebling.«
»Und ihr Schlaf-Protokoll ist ebenso wichtig.«
»Ich werde alles aufschreiben. Möchtest du, dass ich auch ihren Stuhlgang wiege?«
»Ich meine das ernst, Pat.«
»Ja, ich weiß. Hab eine gute Reise und ein erfolgreiches Meeting. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, antwortete Allison. »Ich rufe dich an, sobald es vorbei ist.« Dann beendete sie das Telefonat.
Sie fühlte sich unwohl bei dem Gedanken daran, ihr vier Monate altes Baby zurückzulassen. Nach ein paar Monaten wieder zur Arbeit zu gehen, war eine Sache, zum südchinesischen Meer zu fliegen, um an einer Expedition teilzunehmen, hingegen eine ganz andere.
Aber da war dieser Scheck gewesen. Dieser über alle Maßen gewaltige Scheck. David Lennox hatte ihr versichert, dass es mehr Geld sei, als sie in ihrer gesamten Karriere als Botanikerin jemals zu sehen bekommen würde, und er hatte recht. Sie hasste es, es zuzugeben, aber das hier waren die College-Gebühren für die kleine Amber Rose. Dieser Scheck bedeutete Sicherheit.
Patrick war erst vor Kurzem entlassen worden, was in diesen Zeiten für die Karriere eines Chemikers exemplarisch war. Der großzügige Scheck würde außerdem dafür sorgen, dass sie ihr Haus behalten konnten. Zumindest war er dadurch zu Hause, um auf ihre kleine Amber Rose aufpassen zu können. Als Allison gezögert hatte, war er es gewesen, der sie sanft davon überzeugt hatte, das Angebot von Poseidon Tech anzunehmen, auch wenn er die Details gar nicht kannte.
Die Geheimhaltungsvereinbarung, die sie hatte unterschreiben müssen, bezog sich nämlich auch auf Ehegatten. Alles, was er wusste, war, dass sie eine Menge Geld dafür bekommen würde, an einem weit entfernten Ort Pflanzen zu katalogisieren. Allisons Dekan Munoz hatte ebenfalls sanften Druck auf sie ausgeübt, denn die Gelegenheit, unbekannte Pflanzenarten zu entdecken und zu katalogisieren, war zu attraktiv, um sie nicht zu nutzen. Dazu kam außerdem eine großzügige Spende an die Universität.
Jetzt befand sie sich auf Honolulus Großflughafen, dem Daniel K. Inouye International Airport, und wartete auf den Privatjet von Poseidon Tech. Ihre Eltern hatten ihre Leidenschaft für Wissenschaft und Mathematik immer gefördert, ebenso wie die Eltern von Patrick die ihres Sohnes. Ökonomisch gesehen vielleicht nicht die beste Studienwahl, denn normalerweise erhielten Wissenschaftler keine großen Schecks und flogen auch nicht in Privatjets. Deshalb hatte Allison beschlossen, Amber Rose zu einer Business-Karriere oder zu einem Job in der Gesundheitswirtschaft zu ermutigen. Ihr Kind sollte sich eines Tages keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz oder ihre berufliche Zukunft machen müssen.
Allison gestand sich ein, dass sie verdammt neugierig auf diese unerforschte Insel war, die sich einer Entdeckung bisher so erfolgreich widersetzt hatte. Aufgrund der Lage und der geografischen Isolation konnte es gut sein, dass sich dieser Ort als ein neues Galapagos herausstellte. Außerdem würde ihre Teilnahme an der Expedition dabei helfen, etwas Abstand zu Dekan Munoz zu gewinnen.
Die beiden hatten sich von Anfang an nicht verstanden. Obwohl Allison fest angestellt war, hatte Munoz sie ganz offensichtlich auf dem Kieker. Es war ein klassischer Konflikt zwischen zwei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten (zumindest war das die offizielle Sichtweise der Personalabteilung). Große Egos, die aufeinanderprallten und sich dann offen bekämpften, waren im Wissenschaftsbetrieb nicht selten, aber Allison konnte es sich nicht leisten, ihren Job zu verlieren. Nicht jetzt.
Dann war plötzlich David Lennox aufgetaucht, ihr Ritter in glänzender Armani-Rüstung, mit seinen großen Schecks und seiner Spende an die Universität. Poseidon Tech war genau zum richtigen Zeitpunkt auf der Bildfläche erschienen. Es war das exemplarische Beispiel für ein Deus-ex-Machina-Ereignis, und wie durch ein Wunder war Allison eine schwere Last von den Schultern genommen worden.
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie das Gefühl, dass alles gut werden würde.
Baltra Island, Galapagos
Nachdem sie gerade ihren Kurs in Biologie der neotropischen Region zusammengefasst und abgeschlossen hatte, telefonierte Mary Tambini mit ihrer Mutter, während sie ihre Tasche für Vietnam packte.
»Wohin