INSEL DER URZEIT. Rick Poldark
für Petras lockere Einstellung dem Leben im Allgemeinen und im Speziellen gegenüber. »Es gibt eine große Grabung an einem Standort in Arizona. Sie haben einige Triceratopsknochen mit Markierungen gefunden, die vermutlich von einem physischen Trauma herrühren, und sie brauchen noch gutes Personal für die Analyse.«
Petra sah Peter mit ihren tiefblauen Augen an. »Wirklich?«
»Ich … ich könnte meine Beziehungen spielen lassen und dafür sorgen, dass du in das Projekt aufgenommen wirst.«
Sie lächelte. »Das würdest du für mich tun?«
Peter lächelte zurück. »Für meine beste Schülerin? Aber natürlich.« Es klang wie ein freundliches Kompliment, aber Peter meinte es wirklich ernst. Sie war eine seiner besten Schülerinnen gewesen, wenn nicht sogar die beste.
Petra verzog ihre Mundwinkel zu ihrem typischen Grinsen. »Ante oder post mortem?«
»Ich glaube, Dr. Rathi sagte ante.«
»Irgendwelche Anzeichen eines Heilungsprozesses?«
Jetzt grinste Peter. »Vielleicht.« Er hatte auf einmal gute Laune und neckte sie deshalb ein wenig, damit sie auf andere Gedanken kam und nicht länger an die Abwesenheit ihre Eltern denken musste.
»Wirklich? Vielleicht nehme ich dein Angebot an.«
»Ich hoffe tatsächlich, dass du es tust.«
Sie nahm einen Zug von ihrer Zigarette. »Was genau läuft da zwischen dir und Tracey?«
Peter war überrascht wegen des plötzlichen Themenwechsels. »Was meinst du genau?«
Petra grinste verschwörerisch und stieß ihn spielerisch in die Seite. »Du weißt schon, was ich meine.«
»Wir sind nur Kollegen und Freunde.«
»Das ist alles?«
»Ja, wobei ich nicht wüsste, was dich das angeht.«
Petra dachte eine Minute darüber nach. »Gut.«
Peter war verwirrt. »Was soll das heißen?«
Sie nahm einen weiteren Zug und richtete ihren aufmerksamen Blick dann wieder auf ihn. »Ich weiß es nicht, aber wir könnten es bei einem Drink herausfinden.«
Peter trat sofort zurück und hob die Hände. »Petra, ich denke, du missverstehst hier etwas. Ich möchte dir nur dabei helfen, einen Job zu finden. Das ist alles.«
Petra machte große Augen und klimperte übertrieben mit ihren Wimpern. Bei jedem anderen Mädchen hätte das unschuldig gewirkt, aber Petra war alles andere als unschuldig. Sie war ein Raubtier. »Oh, komm schon, Peter. Das ist doch keine große Sache.«
»Ich bin dein Professor und ich habe deine Dissertation betreut.«
Petra ließ ihre Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus, wobei sie ihren tätowierten Knöchel hin und herdrehte. »Aber jetzt bist du mein Ex-Professor. Ich habe meinen Abschluss nämlich in der Tasche, wenn es das ist, was dir Sorgen macht. Ich bin nicht mehr länger deine Schülerin.«
Peter wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Rein sachlich hatte sie recht. »Wo kommt das denn auf einmal her?«
Petra machte einen Schritt nach vorn und schloss auf diese Weise die Lücke zwischen ihnen. Sie glühte förmlich vor Selbstvertrauen. »Du hast mir schon immer gefallen.«
Peter wich einen Schritt zurück. »Ist das so?«
»Ja. Ich konnte es nur nicht zeigen. Schließlich warst du der Professor, der meine Dissertation betreut hat.«
Sie spielte mit ihm und es erregte ihn. »Ich glaube dir nicht.« Seine Reaktion war mehr als nur Selbstschutz. Sie war die Verteidigung eines schüchternen Mannes, der nicht an weibliche Aufmerksamkeit gewöhnt war. Die meisten Männer mit besseren sozialen Fähigkeiten hätten die Gelegenheit sofort genutzt und die Stimmung aufgegriffen, die Petra aussendete, aber nicht Peter.
Sein Rückzug schien Petra jedoch nur weiter zu ermutigen. »Ach ja?« Sie beugte sich vor und küsste ihn jetzt auf den Mund. Es war ein tiefer und langer Kuss, und als sich ihre Lippen wieder trennten, fühlte sich Peters Gesicht heiß an. In einem schuldbewussten Reflex sah er sich nervös um, denn er spürte jemanden hinter sich stehen und betete, dass es nicht die Dekanin war.
Er drehte sich um und erblickte Tracey.
Sie starrte sie beide mit einem ungläubigen Blick und weit aufgerissenem Mund an.
»Es … es tut mir leid. Ich wollte nicht stören.«
»Nein«, war alles, was Peter hervorbrachte, doch Tracey blieb nicht stehen, um sich eine ausgiebige Erklärung anzuhören. Hastig ging sie davon und verschwand wieder im Festsaal.
Peter drehte sich zu Petra um. »Bitte entschuldige mich.«
Heftig fluchend eilte er hinein und suchte wie von Sinnen die Menge nach Tracey ab, doch sie war in dem Meer von Menschen verschwunden. Seine Gedanken rasten und er bemühte sich, ihre Reaktion zu interpretieren. War sie verärgert? Wenn ja, warum? Weil sie gesehen hatte, wie er eine Studentin geküsst hatte? Warum sollte das für sie relevant sein? Petra war schließlich eine ehemalige Studentin. Oder war sie enttäuscht? Eifersüchtig?
Als echter Analytiker begann er jetzt seine eigene Reaktion zu hinterfragen. Warum war er deshalb so verärgert? Jeder Mann hätte die Gelegenheit, bei Petra zu landen, beim Schopf ergriffen. Aber hatte er das gewollt? Was wollte er überhaupt? Wen wollte er? Hatte er vielleicht Gefühle für Tracey?
Peter stieß jetzt gegen Nick Lyons, der ebenfalls hier lehrte und fast sein Getränk verschüttete.
»Hey, Peter. Was für ein Menschen-Auflauf, nicht wahr?«
»In der Tat. Nick, hast du Tracey gesehen?«
»Ja, sie ist mit Joel gegangen.«
»Sie ist schon gegangen? Mit Joel?«
»Sieht ganz so aus.«
»Wann denn?«
»Vor ein paar Minuten. Du hast sie gerade so eben verpasst.«
Peter zog sein Handy aus der Hosentasche und er wählte Traceys Kontakt aus. Sein Daumen schwebte über dem Wählknopf.
Nick, der nichts von Peters Problemen ahnte, hatte sich schon wieder unter die Menge gemischt. Peter überlegte, was er jetzt tun sollte. Sollte er es wagen, sie anzurufen? Aber wie würde das aussehen? Verzweifelt? Oder schlimmer noch, schuldig? Schuldig woran? Petra hatte schließlich ihn geküsst. Aber woher sollte Tracey das wissen? Wie viel hatte sie überhaupt gesehen?
Peter verfluchte sich innerlich.
Noi Bai International Airport, Vietnam
Bill Gibson verstaute sein Handgepäck in der Ablage über sich und ließ sich in den Fenstersitz über dem Flügel des Flugzeuges fallen. Er hatte eigentlich am Gang sitzen wollen, da es ihm seine Blase mittleren Alters nicht mehr erlaubte, ohne Toilettenbesuch nonstop nach Hause zu fliegen. Aber er würde sich deswegen das Triumphgefühl über seinen Sieg in Hanoi nicht nehmen lassen.
Der Bau der neuen Fabrik würde innerhalb eines Monats beginnen, was Alan äußerst glücklich machen würde, und wenn Alan glücklich war, würde das Bills Chancen auf den Posten des Vizedirektors deutlich verbessern. Der Flurfunk besagte nämlich, dass die Firma zurzeit hausintern nach einer Neubesetzung suchte. Endlich würde er Trish die neue Küche ermöglichen können, die er ihr schon so lange versprochen hatte.
Eine ältere, asiatisch aussehende Frau schlurfte jetzt zu dem Platz neben ihm. Sie lächelte ihn an und mühte sich dann erfolglos damit ab, ihr Handgepäck zu verstauen. Sie stöhnte, als sie es nicht schaffte, die Tasche über ihren Kopf zu heben.
Bill stand auf und machte gebückt einen Schritt auf sie zu, um sich nicht den Kopf an den Lüftungsöffnungen zu stoßen. »Lassen Sie mich Ihnen doch helfen.«
Die