H'mong. Gebhard Friebel
kaufte ein neues Handy, und rief Chris an.
„Ich habe das Haus gefunden. Es ist ideal für unsere Zwecke. Ein acht Meter langes Boot wird heute Nachmittag hingebracht. Damit werde ich die Gegend erkunden. Ihr könnt kommen.“
„Gut, wir werden morgen früh aufbrechen. Am Abend werden wir den Fluss erreichen. Wo genau sollen wir hinkommen? Wo ist der Treffpunkt?“
„Sage dem Herrn Lia Thao, er soll Euch fünf Kilometer nördlich von Muang Palxxan direkt am Flussufer absetzten. Genau dort, am anderen Ufer liegt dieses Haus.“
„Du sorgst für Getränke und Essen?“
„Ich habe einen Jeep gemietet. Morgen früh gehe ich auf Einkaufstour. Ich werde Euch am laotischen Ufer abholen.“
„Gut. Also alles im grünen Bereich?“
„Alles grün!“
*****
Am nächsten Morgen holte Lia Thao Chris am Hotel ab. Nach einer Stunde parkten sie auf dem leeren Waldparkplatz. Es dauerte eine Minute, bis Bewegungen zwischen den Bäumen wahrzunehmen waren.
Fast gleichzeitig rannten die Flüchtlinge auf die geöffnete Schiebetür des Minibusses zu. Die Frauen mit den Kindern nahmen hinten Platz. Es folgten die Männer auf den vorderen Sitzen.
Lia Thao fuhr langsam an. Er streckte Chris die Hand entgegen: „Das Geld bitte.“
Chris zählte 700 US Dollar neben sich auf die Sitzbank. Er legte das Geld zusammen, und reichte es an Lia Thao, der es mit einem Kopfnicken in seine Hosentasche steckte.
Chris sah hinter sich. Er grüßte, und betrachtete die Mitfahrer genauer. Die Frauen hatten sich viel Mühe mit dem Ändern der Kleidung gemacht. Die Männer waren rasiert; die Haare waren geschnitten.
Wenn die Polizei nicht nach Papieren fragt, muss alles in Ordnung gehen. Sie sehen aus wie durchschnittliche thailändische Touristen.
Er sagte: „Also dann: Auf zum Fluss.“ Die Fahrt in die Freiheit begann.
*****
Die Landschaft war gebirgig. Tiefe Täler wechselten sich mit atemberaubenden Berghöhen ab. Die kurvenreiche, enge Straße zwang zu langsamer Fahrt. Oftmals stiegen auf einer Seite der Straße Berge fast senkrecht an. Auf der anderen Straßenseite taten sich tiefe, beinahe senkrechte Schluchten auf.
Chris blickte nach hinten. Er sah freundliche Gesichter. Er entspannte sich, plauderte. „So sind viele Strassen in Südamerika, die durch die Anden führen. Man ist dem Himmel nah. Wenn man nach unten schaut, blickt man in die Hölle. Es kann einem Angst und Bange werden!“
Zwei Stunden nach der Abfahrt hielten sie an einem Militärposten. Keiner der Soldaten wollte seinen schattigen Platz unter einem alten Sonnenschirm verlassen. Unkontrolliert winkte man sie durch.
Nach vier Stunden legten sie an einer Raststätte einen Stopp ein. Alle bis auf Lia Thao stiegen aus. Chris ging in den angeschlossenen Supermarkt und kaufte Bananen, Wasser und Milchgetränke für die Kinder.
Vor ihnen lagen noch etwa 200 Kilometer, also mindestens weitere vier Stunden bergauf und bergab auf der kurvenreichen, gefährlichen Strecke.
*****
Zwei Stunden später kam ein weiterer Kontrollposten in Sicht. Einer von zwei Soldaten näherte sich auf der Fahrerseite dem Bus und sprach mit Lia Thao. Er umrundete das Auto und sah Chris an. „Passports, please.“
Der Soldat blätterte in dem Pass, und steckte ihn in die rechte Hosentasche.
“No, no,“protestierte Chris.
Der Soldat murmelte etwas und ließ seinen Blick wissend über die restlichen Insassen schweifen: „Your Lao travel permit.“
Die hinten sitzenden H’mong sahen sich an.
Der Soldat ließ sein am Trageriemen geschultertes Gewehr zur Seite gleiten und brachte es in Anschlag. Der zweite Posten am Straßenrand stand auf.
Chris drückte den Türöffner blitzschnell nach vorne, und trat mit aller Gewalt von innen gegen die Tür. Sie sprang mit einem Ruck auf. Der obere Fensterrahmen knallte mit voller Wucht dem Soldaten ins Gesicht. Der untere Teil der Tür traf den Uniformierten am Bauch.
Sein Gewehr polterte zu Boden. Der Soldat ging rückwärtstaumelnd in die Knie.
Chris sprang aus dem Bus. Er hob das Gewehr, das neben dem Soldaten am Boden lag, auf und hieb ihm mit Schwung den Schaft auf den Kopf. Der Uniformierte sank mit leisem Stöhnen in sich zusammen.
Lia Thao rief dem zweiten Posten etwas zu. Chris sah ihn durch die Frontscheibe vor dem Bus herbeistürmen. Der Soldat trug sein Gewehr in beiden Händen, den Lauf nach vorne gerichtet.
Chris reagierte blitzschnell. Er zog den Sicherungshebel der Waffe in seinen Händen nach unten und ging in die Hocke. Als der Soldat um die vordere Ecke des Busses stürmte, schoss er auf einen Oberschenkel des Mannes.
Der Getroffene sackte zusammen. Er umklammerte jammernd sein Bein. Sein Gewehr fiel Chris vor die Füße. Der hob es auf und sah zum Fahrer.
Lia Thao war über dem Lenkrad zusammengesunken. Seine Augen blickten ins Leere. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Messers.
Ler schrie auf ihn ein. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. Aus Lia Thao’s Mund tropfte blutiger Schaum. Er war tot. Chris trat an den Fahrersitz.
„Er hat uns verraten.“ In Ler’s Stimme schwang Ekel mit. „Er hat den zweiten Soldaten gewarnt. Bevor er starb, hat er es zugegeben. Man hat ihm Geld versprochen.“
*****
Ungefähr 500 Meter vor dem Bus fuhr ein Militär-LKW aus einem Seitenweg auf die Strasse. Beschleunigend hielt er auf den Bus zu.
„Wir müssen weg,“ schrie Ler.
Chris bückte sich. Er zog seinen Pass aus der Hosentasche des ersten Soldaten, der leise aufstöhnte. Chris reichte beide Gewehre an Ler. Er öffnete die Fahrertür und zog Lia Thao vom Fahrersitz.
Der Verräter fiel zu Boden.
Panisch sprang er auf den Fahrersitz, trat die Kupplung durch und knallte den Rückwärtsgang ein. Er trat das Gaspedal durch, ließ die Kupplung zurückschnellen und drehte wie ein Irrer das Lenkrad bis zum Anschlag nach links.
Der Minibus beschrieb schleudernd einen Viertelkreis rückwärts und rammte hinten in die Böschung.
Chris lenkte nach rechts. Der Bus schlingerte auf die Straße zurück und beschleunigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Der LKW war bis auf 200 Meter herangekommen. Er machte eine Vollbremsung vor den beiden Soldaten am Boden. Vier Uniformierte sprangen von der Ladefläche, warfen die beiden Kameraden auf die Pritsche, und kletterten in Windeseile zurück. Der LKW nahm wieder an Fahrt auf.
Ler stieg von hinten auf den Beifahrersitz, eines der Gewehre in der Hand. Der Vorsprung zum LKW vergrößerte sich. Ler sah zurück. Ein weiterer H’mong zog das seitlichen Schiebefenster hinter Chris auf. Er hatte das zweite Gewehr in der Hand.
„Mach’ jetzt langsamer, Chris. Fahr’ in Schlangenlinien. Lass’ sie herankommen.“
„Gut! Zielt genau!“
Chris trat auf die Bremse und wedelte im Zickzack über die schmale Straße. Er beobachtete den näherkommenden LKW durch den Rückspiegel.
Über dem Führerhaus des LKW hatte sich eine Luke geöffnet. Zwei Soldaten legten ein Maschinengewehr in eine Halterung im Dach.
Aus dem Beifahrerfenster schoss der begleitende Offizier mit einer Pistole auf den in Schlangenlinien fahrenden Minibus. Eine Kugel durchschlug das Rückfenster. Es zerbarst in tausend Teile.
„Köpfe einziehen!“ brüllte Chris nach hinten.
Ler und der