H'mong. Gebhard Friebel
Lia Thao. Gerhard erklärte ihm: „Ich will möglichst bald nach Thailand zurück fliegen. Es gibt dort einiges vorzubereiten.“
Lia Thao schaute auf seinen Bildschirm.
„Im Moment ist kein Flugplatz frei. Ich setze Sie gerne auf die Warteliste für die Abendmaschine von Morgen.“
Gerhard war enttäuscht. Es war geplant, dass Chris am nächsten oder übernächsten Tag mit den Leuten losfahren sollte. Gerhard wollte genügend Zeit haben, auf der anderen Seite der Grenze nach einer geeigneten Unterkunft zu suchen.
„Dann müssen sie halt warten. Wir sollten wieder Hähnchen kaufen.”
Auf dem Weg zum Supermarkt kamen sie an einem weiteren Reisebüro vorbei. Im Schaufenster hingen neben Plakaten von Lao Aviation auch solche von Bangkok Airways und Thai Airways. Gerhard betrachtete sie -– ihm kam ein Gedanke.
„Warte einen Augenblick auf mich,“ sagte er zu Chris, und betrat das Büro. Eine ältere Frau erhob sich hinter ihrem Schreibtisch und begrüßte ihn. Er setzte sich.
„Hallo, ich suche einen Flug nach Thailand.“
„Wann soll es denn sein?“
„Sobald es möglich ist. Ich habe in Ihrem Schaufenster gesehen, dass sie Flüge von Thai Airways und Bangkok Airlines anbieten. Fliegen die auch von hier?“
Sie schaute auf ihren Monitor.
„Leider geht es nur mit Lao Aviation von hier.“
„Schade, aber da ist heute alles besetzt. Wie komme ich denn sonst weg von hier?“
Sie legte die Stirn in Falten und schaute wieder auf ihren Monitor.
„In der Abendmaschine sind noch vierzehn Plätze frei.“
„Ich war vorhin in einem anderen Reisebüro. Da waren noch alle Flüge von hier besetzt.“
„Manchmal sind die Computer sehr langsam. Augenblick!“
Sie wählte, lauschte, sprach und sah Gerhard an. „Es sind noch vierzehn Plätze frei. Es hätte mich gewundert. Ganz voll ist die Maschine an einigen Feiertagen und manchmal in der Hochsaison.“
„Gut, dann buche ich bei Ihnen. Ich muss nach Loei in Thailand.“
„Loei. Sie müssen von hier nach Luam Prabang. Dann nach Bangkok; und von dort nach Loei.“
„Wie lange dauert das?“
„Ich hätte da doch noch einen Flug nachmittags. Wenn sie die Maschine am Nachmittag nehmen, können Sie um zehn Uhr heute Abend in Loei sein. Aber warten Sie, ich schau lieber noch mal genau nach.“
Sie bediente die Tastatur.
„Also: um halb fünf heute Nachmittag von hier los nach Luam Prabang, dann von dort über Bangkok nach Loei. Sie kommen in Loei um Viertel vor zehn an.“
„Was kostet der Spaß?“
„Ungefähr 250 Dollar.“
Er winkte Chris herein, und sagte: „Es klappt doch noch heute, alles zusammen: Zweihundertfünfzig Dollar.“
„Dann buche doch gleich. Nur seltsam, dass der Neffe des Ältesten die Plätze nicht gefunden hat. Will der kein Geld verdienen? Aber was soll’s. Falls Du es morgen tatsächlich schaffst, ein Haus zu mieten, kommen wir übermorgen Nacht am Ufer an. In Thailand steckt nach den Krawallen am Flughafen der Tourismus immer noch in der Krise. Da wird leicht etwas Geeignetes zu finden sein. Wir werden telefonieren.“
Gerhard bat, die Flüge zu buchen.
*****
Sie fuhren zum Treffpunkt in der Ebene. Als sie eine halbe Stunde unterwegs waren, kurbelte Chris sein Seitenfenster hoch.
„Mir stinkt’s.“ Chris rümpfte die Nase. „Es kribbelt im Hals. Dieser Geruch! Mach Dein Fenster zu! Faule Eier sind Parfum dagegen“
„Mach’ die Hose zu, das bist Du“ antwortete Gerhard süffisant.
„Immer noch der alte Spruch. Noch so’n Spruch, Kieferbruch. Trotz Geruch.“
„Da vorne ist es neblig.“
„Nebel um halb elf, und die Sonne knallt vom Himmel. Das war noch nie da.“
Gerhard schloss auch seine Scheibe.
„Wahrscheinlich eine brennende Müllhalde. Der Müll von Phonsavan. Sie haben die Stadt gekehrt.“
„Ich dachte eher an Manila.“
Der Qualm wurde dichter. Der Gestank war kaum noch auszuhalten.
Sie erreichten den Treffpunkt. Gerhard öffnete die Wagentür, wollte aussteigen. Fluchend knallte er die Tür wieder zu.
Ein beißender Geruch allüberall. Auf beiden Straßenseiten waberten gelbe Schwaden vorbei. Die Sonne war eine blassgelbe Scheibe geworden. Sie hatte vor dem Qualm kapituliert. Sie war zu schwach, ihn zu durchdringen. Man konnte sie erahnen, nicht sehen.
„Niemand da! Was tun wir jetzt?“ grunzte Chris durch sein Taschentuch.
„Warten. Ich muss gleich kotzen.“
Ler tauchte im Nebel auf. Er materialisierte sich erst zwei Meter vor dem Kühler und kam ans Auto heran. Er hielt sich am Auto fest, atmete schnell und flach.
Sein Gesicht hatte eine ungesunde, grünlich-gelbe Farbe. Er hustete. „Sie waren wieder mit dem Flugzeug da und haben Gift versprüht. Sie vermuten mehrere Gruppen von uns hier in der Gegend. Es wäre wirklich gut, wenn wir bald weg kämen. “Sein Körper verkrampfte sich im Dauerhusten.
Chris öffnete die Fondtür und schrie: „Komm’ schnell ins Auto. Wenn das Giftnebel ist, dann... “Ein Hustenanfall schüttelte ihn. Er hatte zu tief eingeatmet.
Ler fiel in das Husten ein. Mit hochrotem Kopf und vorsichtig atmend begann Chris noch einmal:
„Im Internet hat mein Onkel Maklerfirmen in Loei gefunden und dort angerufen. Es stehen viele Ferienhäuser direkt am Mekong leer. Er wird eines mieten, das groß genug für uns alle ist. Übermorgen früh können wir hier wahrscheinlich weg. Gegen Abend sind wir dann an der Grenze und gehen nachts rüber über den Fluss. Der Onkel fliegt...“ Nach einem neuen Hustenanfall fuhr er fort „fliegt heute Nachmittag nach Thailand. Dort wird er alles Notwendige für uns vorbereiten. Der Neffe von eurem Ältesten spielt mit. Er wird uns bis zum Fluss bringen.“
„Die meisten von uns können nicht schwimmen.“Er unterdrückte einen neuerlichen Anfall.
„Der Onkel wird versuchen, in Thailand ein Boot zu besorgen, das uns abholt. Wir haben Kleider mitgebracht, damit Ihr zivilisiert ausseht. Damit wird Euch jeder auf der Fahrt zum Fluss für Thailänder halten – nur für alle Fälle.“
Sie stiegen widerwillig aus und begannen hastig, die mitgebrachten Plastiktüten mit den Kleidern auszupacken.
Ein Pfiff von Ler ertönte. Drei Gestalten tauchten hustend mit Stofffetzen vor den Gesichtern aus dem giftigen Nebel auf. Ler gab ihnen mit heiserer Stimme kurze Anordnungen.
Sie wankten zum Wagen, ergriffen die Einkaufstüten, und verschwanden wieder im Nebel.
Ler sah Chris an. Er zögerte, wollte etwas sagen, schwieg dann aber. Chris merkte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, und sagte:
„Da ist doch etwas, was dir auf der Seele lastet? Los, sprich es aus.“
„Na ja.“ Ler hustete wieder.
Dann nahm er seinen Mut zusammen.
„Unser Ältester hat gesagt, er würde gerne informiert sein, wenn wir alle in Sicherheit sind. Er lässt fragen, ob einer von Euch ihm sein Telefon überlassen kann. Er wird alleine zurückbleiben; aber er wüsste gerne, was aus uns geworden ist.“
Gerhard hustete. „Ich kann mir in Thailand wieder ein Handy kaufen. Das ist kein