H'mong. Gebhard Friebel
Vielleicht ist es für Euch ganz gut, ein Handy zu haben. Chris wird mit dem Neffen eures Ältesten übermorgen früh mit dessen Minibus hier herkommen. Chris weiß noch nicht genau, wann sie hier sein werden. Er wird Euch auf diesem Telefon anrufen, wenn sie in der Stadt losfahren. Ihr kommt dann zum Rastplatz und steigt schnell zu. Dann geht es los.“
Ler griff in seine Hosentasche, und krächzte heiser.
„Der Älteste hat kein Geld. Ich soll das Telefon hiermit bezahlen.“
Er drückte ihm zwei kleine Steine in die Hand. An einer Ecke war ein leichter rötlicher Schimmer zu erkennen.
„Steine wie diese haben wir früher oft gesucht und verkauft. In Luam Prabang wird daraus Schmuck gefertigt. Wenn wir in Thailand sind, kannst Du in ein Schmuckgeschäft gehen, und fragen, ob man damit etwas anfangen kann.“
Gerhard gab Chris einen der Steine. Schnaufend überreichte er Ler sein Handy. „Sag dem Ältesten, wenn es klingelt, soll er einfach die grüne Taste drücken. Wir fahren wieder. Vielen Dank für die Steine. Und: Viel Glück.“
Sie bestiegen das Auto. Je mehr sie sich der Stadt näherten, desto klarer wurde die Sicht. Die Sonne schien wie bei der Abfahrt. Sie brannte wieder. Normal. Unbarmherzig normal!
Gerhard schüttelte den Kopf. Er wandte sich an Chris:
„Besorge später ein Nachtglas, damit ihr mich beim Übersetzen über den Fluss auch findet. Und eine Taschenlampe. Ich melde mich dann aus Thailand mit den notwendigen Instruktionen, wie und wo Ihr mich finden werdet! Es wird Zeit, hier weg zu kommen. Für alle “
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In Phonsavan angekommen, fuhren sie zu Herrn Lia Thao. Chris fragte ihn sofort: „Können wir uns übermorgen früh auf den Weg machen? Wir sammeln die Leute ein. Dann geht es auf dem kürzesten Weg zur Grenze. Wir haben neue alte Kleidung gekauft. Damit hält sie jeder für Thailänder, für Touristen.“
„Übermorgen schon?“Er zögerte etwas. „Na gut. Bringen Sie das Geld mit. Aber keine Kip, sondern US Dollar.“
Chris fuhr fort. „Übrigens: Der Onkel wird doch noch heute Nachmittag wegfliegen. Ihr Buchungscomputer funktioniert nicht richtig. Wir waren in dem Reisebüro zwei Strassen weiter. Die Dame dort hat viele freie Plätze gefunden, und direkt das Ticket ausgestellt.“
Lia Thao wirkte überrascht, dann verärgert. Doch nach wenigen Sekunden lächelte er wieder. Er war schließlich Asiat.
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Sie kehrten ins Hotel zurück. Gerhard packte, und nahm ein Taxi zum Flugplatz von Phonsavan. Als die Maschine abhob, atmete er tief durch.
Die Anschlussflüge erreichte er ohne Probleme. Um zehn Uhr abends verließ er das Flughafengebäude des Regionalflughafens von Loei und nahm ein Taxi zum Loei Town Hotel. Während der Fahrt betrachtete er interessiert das quirlige Leben und verglich diese Kleinstadt mit dem doppelt so großen Phonsavan.
Der Unterschied war auch nachts beeindruckend.
Loei war eine durchschnittliche thailändischen Stadt. Saubere, beleuchtete Straßen führten zu gepflegten Häusern, die keineswegs als groß und luxuriös bezeichnet werden konnten. Doch überall erkannte man Bemühen und Eigeninitiative der Einwohner, ihr Eigentum zu pflegen.
Bei weitem nicht alle Häuser waren aus Stein gebaut. Aber selbst kleine Holzhäuser oder Hütten wirkten gepflegt und sauber. Häuser Straßen und Wege waren mit Blumenpflanzen, Zierbüschen und Sträuchern dekoriert. Wenn kein Platz für einen Garten vorhanden war, griff man auf Pflanzkübel oder Blumentöpfe zurück. Die Straßen waren asphaltiert. Keine Schlaglöcher, kein Staub und kein Müll behinderte den Verkehr.
Er betrat das Mittelklassehotel. Hier war der Unterschied zu Phonsavan besonders frappierend. Das gepflegte Haus war liebevoll ausgestattet. Keine schlafenden, unfreundlichen Rezeptzionisten, Wachleute, oder Bedienstete trübten den Eindruck, willkommen zu sein.
„Ich möchte ein Ferienhaus am Mekong mieten“ erläuterte er dem zuvorkommenden Rezeptzionisten, „können Sie mir helfen?“
„Mein Herr, viele Häuser sind frei. Suchen Sie sich etwas Schönes raus.“
Er zeigte auf einen Ständer mit bunten Reklamebroschüren.
Gerhard suchte sich vier Prospekte verschiedener Unternehmen heraus, die auf die Vermietung von Ferienhäusern am Mekong spezialisiert waren. Er würde morgen früh dort anrufen und ein geeignetes Haus am Fluss suchen.
Da es noch nicht spät war, machte er sich auf zu einem kleinen Spaziergang.
Neben dem Hotel lud ein gepflegter Park Passanten zum Verweilen ein. Selbst um diese vorgerückte Stunde war die Grünanlage noch gut bevölkert. Auf bunten Parkbänken saßen Liebespaare und ältere Herrschaften. Kinder tollten, spielten und lachten an einem alten Springbrunnen, in dessen Mitte sich ein Monument des Königs Rama V. stand. Eine Messingtafel verkündete dem Fremden, dass dieser Park von der Schwester des thailändischen Königs gestiftet war.
Habe ich in Laos je einen Springbrunnen gesehen? Lachende Kinder, scherzende Erwachsene?
Auf einer großen Wiese fand ein Fußballspiel Jugendlicher statt. Große blühende Ligusterhecken wechselten sich mit weißen, rosa und roten Bougainvilleasträuchern ab. Einzelne Palmen, an denen sich Orchideen hoch hangelten, rundeten das Bild eines gepflegten Gartens ab. Er setzte seinen Spaziergang fort.
Nach drei Minuten umfing ihn das In Thailand übliche Nachtleben. Er setzte sich an einen der vielen Imbissstände. Tische und Stühle waren sauber – wieder verglich er alles mit dem maroden Phonsavan. Er bestellte eine Suppe und Mineralwasser. Eine freundliche Bedienung brachte ihm unaufgefordert die englischsprachige Tageszeitung ‚Bangkok Post’.
Er las, dass in der nahegelegenen Stadt Udon Thani ein modernes Krankenhaus und letztes Jahr eine neue Universität vom Königshaus gestiftet wurden. Er hatte früher oft gelesen, dass in Thailand Schulen, Waisenhäuser, Tempel, Klosteranlagen, Universitäten und Krankenhäuser von Mitgliedern der Königsfamilie finanziert und unterhalten wurden.
Laos dagegen, wo er gerade herkam, war vergleichbar mit armen Regionen von China, Burma und Cambodia. Derartige Einrichtungen wurden dort ausschließlich mit Hilfe von Spendengeldern wohltätiger westlicher Hilfsorganisationen oder aus Entwicklungshilfeetats dieser Länder errichtet. Die reichen Familien dieser Länder legten ihr Geld lieber im westlichen Ausland an.
Ab und zu gingen Bettler langsam durch die Tischreihen. Sie schnorrten nicht aufdringlich nach Geld, sondern versuchten aus Papier, Stroh oder anderen billigen Materialien selbst gebastelte Blumen, Tiere oder einfache Spielsachen an den Mann zu bringen. Betteln mit Stil!
Kein Vergleich zu den vielen Bettlern jeden Alters in Laos, die in zerlumpter Kleidung unterernährte, kranke oder verkrüppelte Kinder präsentierten, um Mitleid und Hilfsbereitschaft zu erregen.
Wenn Thailand als Nation der dritten Welt bezeichnet wird, gehört Laos der Fünften an!
Er zahlte und ging ins Hotel zurück.
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Am nächsten Morgen mietete sich Gerhard einen Jeep. Er fuhr ins Hotel zurück und telefonierte. Beim zweiten Maklerbüro, das er anrief, sprach man englisch. Er wurde mit einer freundlichen Dame verbunden.
„Ich suche für eine Gruppe von neun Deutschen ein Haus. Die Leute werden in den nächsten Tagen ankommen, um am Mekong an einem abgeschiedenen Platz einen zweiwöchigen Angelurlaub zu verbringen. Wir wollen im Mekong Fische fangen. Er soll ein ertragreiches Angelrevier darstellen.“
„Sie liegen genau richtig. In dem Fluss gibt es die größten Welse der Welt. Auch andere Fischarten findet man im Überfluss. Sie werden nicht enttäuscht sein! Ich hole Sie gerne in ihrem Hotel ab und werde Ihnen entsprechende Objekte vorstellen.“
Wenig später holte ihn die Maklerin im Hotel ab und zeigte ihm ein geeignetes Objekt. Zufrieden bezahlte er die Miete für vier Wochen im Voraus.
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