Eisnächte. Ditte Birkemose

Eisnächte - Ditte Birkemose


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oder überhaupt ihre persönlichen Daten geknackt haben.«

      »Ach ...« Einige Zeit lang schwiegen wir beide wieder.

      »Wie du weißt, waren Julie und ich vor einem Jahr in Grönland.« Er setzte sich gerade.

      »Ja, das haben ihre Eltern erwähnt. Ihr wolltet diese Sache mit den CIA-Flugzeugen untersuchen?«

      »Wie viel weißt du eigentlich darüber?«

      »Nur, was in den Zeitungen stand.« Ich zuckte mit den Schultern. »Und ich muss zugeben, dass ich nicht gerade gut informiert bin. Aber offenbar haben CIA-Flugzeuge insgeheim Terroristen transportiert und ...«

      »Keine Terroristen«, fiel David mir ins Wort. »Leute, die unter Terrorverdacht standen. Und das ist etwas ganz anderes ...«

      »Natürlich.«

      »Es sind Menschen, die gegen alle Gesetze festgehalten werden«, erklärte er gelassen. »Die Flugzeuge sind in geheimer Mission unterwegs, und diese Mission hat mit dem Gefangenenprogramm der CIA zu tun. In der Regel benutzen sie den Flughafen von Narsarsuaq, aber im vergangenen Jahr sind auch in Qaanaaq geheimnisvolle Flugzeuge gelandet.«

      Ich nickte interessiert.

      »Ich habe eine Quelle ...« Er verstummte plötzlich, und ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Genauer gesagt, die hatte ich, aber darauf komme ich noch zurück. Jedenfalls waren Julie und ich da oben und hofften auf ein Interview mit einem dieser Piloten. Normalerweise operieren die Besatzungsmitglieder unter falschem Namen.«

      Wir hörten Kinderweinen und Stühlescharren. Offenbar war die Müttergruppe im Aufbruch begriffen.

      »Wenn man ein wenig in der Geschichte bohrt, dann stellt es sich heraus, dass sie alle mit der CIA zu tun haben«, fügte er dann hinzu und kniff wieder die Augen zusammen.

      Mit dem Gefühl, dass der Fall auf einmal seinen Charakter geändert hatte und viel komplizierter geworden war, ließ ich mich im Sessel zurücksinken und sah ihn an. Er war in Gedanken versunken und schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr: »Meine Quelle, Rebekka, hat beim grönländischen Zoll gearbeitet, und dort wurde lange versucht, die Erlaubnis zu erwirken, ausländische Flugzeuge zu überprüfen, aber das scheint nicht so leicht zu sein.« Der Ausdruck in seinen Augen verdüsterte sich.

      »Hat sie den Kontakt zu diesem Piloten vermittelt?« Ich blickte ihn fragend an.

      »Dir ist hoffentlich klar, dass unser Gespräch hier vertraulich ist?«, meinte er nach einer Weile.

      »Ja«, antwortete ich ein wenig verärgert. »Das liegt doch auf der Hand.«

      »Ja, Rebekka hatte gewisse Beziehungen, und sie hat diesen Kontakt vermittelt. Julie und ich hatten alles bis ins kleinste Detail vorbereitet, und es verlief im Geheimen, denn es war gar nicht leicht ...« Er schob die Brille mit dem Zeigefinger höher. »Ich wollte so viele Fragen beantwortet haben, aber die Sache war dann doch ein Reinfall.«

      Ich hob die Augenbrauen. »Wieso das?«

      »Der Typ hatte offenbar kalte Füße bekommen, das glaubten wir wenigstens. Er hat sich niemals blicken lassen.« David starrte nachdenklich vor sich hin. »Aber vielleicht ist es auch so, dass Rebekka schon zu diesem Zeitpunkt entlarvt worden war.«

      Mir kam eine Ahnung, worauf er hinauswollte. »Was ist mit ihr passiert?«, fragte ich leise.

      Die Sekunden wurden lang, während ich auf seine Antwort wartete.

      Die Mittagszeit rückte näher, und nach und nach füllte sich das Café. Vor allem mit jungen Männern in Anzügen und Retroschuhen mit langen viereckigen Spitzen. Und vom Tresen her war das Klirren von Glas und das Klappern von Besteck zu hören.

      David setzte sich anders hin und schaute aus dem Fenster. »Sie ist tot.«

      »Tot? Wie das?«

      »Sie schlief und ihr Haus brannte.« Seine Stimme klang müde. Er nahm die Brille ab und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Die Polizei vermutet Brandstiftung, aber der Fall ist noch immer nicht aufgeklärt. Ich habe ja so meine Zweifel ...«

      Ich fuhr mir mit der Zungenspitze über die Lippen, während sich in mir ein Gefühl von Unwirklichkeit ausbreitete.

      Er sah mir in die Augen. »Das war am Freitag, dem elften Juli.«

      Mir ging nicht sofort auf, worauf er hinauswollte. Dann wurde mir das Herz schwer. »Also am Tag vor Julies Anruf ...«

      »Ja, sie hat mich am Samstagnachmittag von Prebens Mobiltelefon aus angerufen.« Er wühlte in seinem Rucksack, zog sein Telefon heraus und klappte es auf. »Übrigens habe ich ihre Mitteilung nicht gelöscht.« Er reichte mir das Telefon.

      Ihre Stimme klang anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Tiefer und kompetenter. »Hallo, David, hier ist Julie. Kannst du mich unter dieser Nummer hier anrufen, wenn du meine Mitteilung abgehört hast? Ist eine neue Nummer. Es ist Samstag, Viertel vor drei. Und es ist wichtig. Bis dann.«

      Es war seltsam, sie zu hören. In den vergangenen zwei Wochen hatte ich jeden Tag an sie gedacht, und jetzt erklang ihre Stimme plötzlich in meinem Ohr. So nah. Als könnte ich einfach die Hand ausstrecken und sie berühren ...

      Ich schluckte und legte das Telefon auf den Tisch. »Wann hast du das erfahren?«, fragte ich mit heiserer Stimme und musste mich räuspern.

      »Denkst du an Rebekka?«

      Ich nickte.

      Ich konnte seine Miene jetzt nicht mehr deuten.

      »Vorgestern ...«

      Ich nickte erneut und musterte ihn mit dem Gefühl, dass er etwas verbarg. Wer war er eigentlich, und konnte ich mich auf ihn verlassen?

      »Jetzt brauche ich wirklich eine Zigarette.« Er schnitt eine Grimasse.

      »Natürlich.« Ich schaute verstohlen auf die Uhr. »Aber wir wollen sicher auch ...«

      »Was hältst du davon, kurz in Julies Wohnung vorbeizuschauen?«

      Ich zögerte. Er machte diesen Vorschlag zum zweiten Mal, und ich war auf der Hut. Was war denn in der Wohnung so interessant? Es war einleuchtend, dass er hoffte, irgendetwas zu finden, aber was? Und konnte ich wirklich sicher sein, dass wir in diesem Fall gemeinsame Interessen hatten?

      »Du kannst dich auf mich verlassen«, versprach er, als habe er meine Gedanken gelesen.

      Ich sah auf, fing seinen Blick ein und hielt ihn fest. »Ich habe das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst«, sagte ich offen.

      »Das weiß ich.« Er lächelte verlegen. »Seit du gefragt hast, seit wann ich das mit Rebekka weiß.«

      Du meine Güte, dachte ich überrascht.

      »Aber ...« Er beugte sich über den Tisch vor. »Du musst dir klarmachen, dass ich Rücksicht auf meine Quellen nehmen muss.«

      Ich überlegte kurz. Ehe David wieder auf den Plan getreten war, hatte ich mit leeren Händen dagestanden, also konnte ich nur gewinnen, oder was?

      »Na gut«, war ich schließlich einverstanden.

      »Ihr Laptop ist verschwunden«, stellte er fest und blickte sich um.

      »Das war er die ganze Zeit schon.«

      »Hm.«

      »Vielleicht hat sie ihn mitgenommen.«

      »Vielleicht ...«

      Unsere Blicke trafen sich, und wir dachten sicher beide das Gleiche. Wer hatte sich am Vorabend unter Julies Profil bei Facebook eingeloggt?

      Nach einer raschen Runde durch das Wohnzimmer standen wir jetzt in ihrem Arbeitszimmer, und David sah sorgfältig allerlei Papiere auf dem Arbeitstisch durch. Er öffnete einen blauen Ordner und zog einige Unterlagen hervor.

      Ich hörte abermals den Anrufbeantworter ab. Es gab vier neue Anrufe, aber niemand hatte eine Nachricht hinterlassen.

      Seufzend


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