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Stunde später kletterte ich die Leiter zum Schlafraum hoch, aber ich konnte noch lange nicht einschlafen. Ich drehte mich immer wieder im Bett um, war nervös und voller banger Ahnungen. Draußen war jetzt Wind aufgekommen, ich lauschte dem Rauschen der Bäume und einem Ast, der in regelmäßigen Abständen auf das Dach meines Wohnmobils schlug.
Langsam drang das Geräusch zu mir durch. Meine Augenlider zitterten, ich riss die Augen auf und schaute mich verwirrt um.
Das Telefon! Mit einem leisen Fluch kämpfte ich mich aus dem Bett hoch, taumelte die Leiter hinunter und schnappte mir den Störenfried, der auf dem Tisch gelegen hatte.
Es war David Ballum. Ich unterdrückte ein Gähnen und dachte, diesmal habe er mich im Bett erwischt.
»Hab ich dich geweckt?«
»Überhaupt nicht.« Ich räusperte mich und versuchte, meine Morgenstimme unter Kontrolle zu bringen.
»Ich gehe davon aus, dass Julie noch immer nicht wieder aufgetaucht ist?«
»Sie ist wie vom Erdboden verschluckt ...«
Am anderen Ende der Leitung war es still.
»Ich habe mit Kollegen von der Zeitung gesprochen«, sagte er dann langsam.
Ich presste das Telefon gegen meine Schulter und goss Wasser in die Kaffeemaschine. »Das wollte ich heute machen«, erwiderte ich. »Ist was dabei herausgekommen?«
»Eigentlich nicht. Aber ein Fotograf, Preben heißt er, wunderte sich darüber, dass er nichts von ihr gehört hat, denn sie hat sich sein altes Mobiltelefon ausgeliehen.«
»Warum das?«
»Ja, gute Frage. Wenn Preben das richtig verstanden hat, dann konnte sie ihr eigenes nicht benutzen.«
»War damit etwas nicht in Ordnung?«
»Vielleicht.«
»Das klingt aber doch ein wenig seltsam.« Ich runzelte die Stirn. »Weiß er noch, wann das war?«
»Leider nicht. Aber jedenfalls hat sie mich damit in Griechenland angerufen, er hat nämlich seine alte Nummer erkannt.«
»Wäre es möglich, dass ihrs gestohlen worden ist oder sie es vielleicht irgendwo vergessen hatte?«
»Da können wir beide nur raten«, antwortete er, und ich konnte hören, dass er sich eine Zigarette anzündete. »Aber es ist sehr lange her, dass überhaupt irgendwer sie gesehen hat, und so langsam finde ich das doch beunruhigend. Vor allem, weil ...«
»Ja?«
»Eins macht mir Gedanken«, er zögerte, »und ich hoffe nicht, dass es da einen Zusammenhang gibt, aber ...« Er schwieg eine Weile. »Es ist eine längere Geschichte«, fügte er dann ernst hinzu. »Können wir uns nicht treffen?«
»Natürlich.« Ich fröstelte und schaute auf die Uhr, es war halb acht. »Ich kann um zehn bei dir sein. Wäre das okay?«
»Auf deiner Karte steht zwar nur eine Mailadresse, aber wenn du mir sagst, wo du wohnst, kann ich auch zu dir kommen.«
Ich lächelte müde und schaute mich um. »Nein, nein«, sagte ich eilig. »Es ist schon besser, wenn ...«
»Hast du noch immer die Schüssel zu Julies Wohnung?«, fiel er mir ins Wort. »Du warst doch da oben, wenn ich das richtig verstanden habe ...«
»Ja.«
»Können wir uns nicht einfach dort treffen?«
»Schon ...« Ich zögerte, runzelte die Stirn und wusste nicht so recht, was ich von diesem Vorschlag halten sollte. »Aber wir können uns auch in einem Café in der Nähe verabreden«, schlug ich vor. Und wir einigten uns auf das Café Bar Dutski.
Ich legte nachdenklich mein Handy weg, nahm eine Tasse aus dem Schrank und schenkte mir Kaffee ein. Marie erhob sich auf ihrer Decke und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz. Jetzt war das Käsebrot an der Reihe. »Ja, ja, geht gleich los«, murmelte ich und öffnete den Kühlschrank.
Ein Sonnenstrahl bahnte sich einen Weg durch die Wolken, und langsam ließ der Regen nach.
Ich schaute mich suchend um und seufzte resigniert. Es war fast unmöglich, einen Parkplatz zu finden. Ich hatte mir Harrys Wagen geliehen und ärgerte mich, weil ich nicht den Bus genommen hatte. Aber ich hatte an diesem Nachmittag einen Termin beim Zahnarzt, und es war so angenehm, nicht auf die allzu unzuverlässigen öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen zu sein. Letztendlich hatte ich Glück und konnte in einer Seitenstraße halten. Ich schloss den Wagen ab und lief über den regennassen Bürgersteig.
Vor dem Café stand eine Unmenge von Kinderwagen, und drinnen gab sich eine Müttergruppe ein Stelldichein. Sie saßen ganz vorn im Lokal, hatten Tische zusammengeschoben, und sie aßen, tranken Kaffee, stillten und plapperten. Auf den Tischen standen Brunchteller, Babybreigläschen und Nuckelflaschen.
Atemlos bahnte ich mir einen Weg und entdeckte David Ballum an einem Tisch bei der Bar. Er knöpfte gerade seine Jacke auf.
»Hallo ...« Ich blies mir eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich hatte schon Angst, du müsstest warten«, sagte ich. »Hat ewig gedauert, bis ich einen Parkplatz gefunden habe.«
»Nein, nein.« Er grinste. »Meine Mutter rief an, als ich gerade gehen wollte, deshalb bin ich eben erst gekommen.«
»Ach, na dann ...« Ich fing seinen Blick auf und musste einfach kichern.
Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Ich hätte gern eine Tasse Kaffee. Und du?«
»Ja, sehr gerne.« Ich wühlte in meiner Tasche und zog mein Portemonnaie heraus.
Er lege mir die Hand auf den Arm. »Ich geb einen aus«, erklärte er und ging zum Tresen, ehe ich widersprechen konnte.
Ich ließ mein Portemonnaie wieder in die Tasche gleiten und hängte meine Jacke über die Stuhllehne, dann ging ich zum Postkartengestell und suchte sorgsam die lustigste und bunteste für Ursula und Sigge aus, die alles Mögliche sammelten, eben auch Postkarten.
»Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann nimmst du Milch.« David stellte einen Caffè Latte vor mich hin. »Stimmt das nicht?«
»Doch.« Ich lächelte überrascht.
Er zog einen Stuhl zu sich heran. »Mir ist er schwarz lieber«, sagte er.
Ich betrachtete ihn. Er trug Jeans und ein weißes Hemd, das seine sonnengebräunte Haut betonte. »Wo in Griechenland warst du eigentlich?«, fragte ich und war mit den Gedanken woanders.
»Auf Kreta.« Er blies in seinen Kaffee. »In einer kleinen Stadt namens Kalivis. Ist nicht so überlaufen ...«
Wir schwiegen. Es war ein angespanntes Schweigen. Ich platzte fast vor Neugier darauf, worüber er mit mir sprechen wollte, aber aus irgendeinem Grund wusste ich nicht so recht, wie ich dieses Thema anschneiden sollte. Als wir noch einige mehr oder weniger gleichgültige Bemerkungen gewechselt hatten, packte ich den Stier bei den Hörnern.
»Du wolltest über irgendetwas mit mir sprechen«, begann ich. »Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es etwas, das dir Gedanken macht ...«
Er nickte, nahm die Brille ab und putzte sie mit einem Hemdzipfel. »Gestern Abend war Julie online ...«
»Was?« Ich runzelte verwirrt die Stirn. »Online?«
»Ja.« Er kniff die Augen zusammen. »Manchmal chatten wir auf Facebook, vor allem über die Arbeit und so, und gestern Abend war sie plötzlich da. Um Viertel nach zehn. Oder wer auch immer das nun war, jedenfalls war jemand als Julie online.«
»Das klingt ja seltsam.«
»Und als ich ihr eine Nachricht geschickt habe, hat sie sich sofort ausgeloggt.«
Ich starrte ihn an. »Das Normale wäre doch gewesen, zu antworten. Macht sie das sonst nicht?«
»Das schon ...«
Ich