Basiswissen ITIL 4. Nadin Ebel

Basiswissen ITIL 4 - Nadin Ebel


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       Abb. 1–4 Modell der Wertkette von Porter (in Anlehnung an Porter 2000)

       Wertshop:Die Konfiguration des Wertshops berücksichtigt die individuelle Lösung von Kundenproblemen. Im Zentrum steht hier nicht die Produktion, sondern der Problemlösungsprozess, der durch die primären Aktivitäten abgebildet wird. Diese verlaufen nicht sequenziell, sondern iterativ, zyklisch und häufig interaktiv mit dem Kunden (Akquise und Problemfindung, individuelle Lösungsermittlung, Entscheidung, Ausführung und Evaluation, siehe Abb. 1–5). Falls sich bei der Evaluation zeigt, dass die durchgeführte Maßnahme keine zufriedenstellenden Ergebnisse lieferte, erfolgen die Schritte von der Problemfindung bis hin zur Evaluation erneut. Die Wertschöpfung beruht nicht auf den einzelnen Aktivitäten im Wertshop, sondern auf der der Problemlösung. Sie beruht auf der Problemlösungskompetenz des Service Provider.

       Abb. 1–5 Wertshop (in Anlehnung an Woratschek et al. 2002, dort in Anlehnung an Stabell/Fjeldstad 1998)

       Wertnetzwerk:Das Wertnetzwerk (vgl. Stabell/Fjeldstad 1998) bildet die Verbindung von Kunden über die Konfiguration der Wertschöpfungsaktivitäten ab. Die zentrale Unternehmensaktivität besteht darin, Kunden bzw. andere Stakeholder zusammenzubringen (»Intermediär«), also Beziehungen und Interaktionen zwischen dem Intermediär und den Kunden sowie zwischen den Kunden untereinander zu etablieren, zu ermöglichen, zu verwalten, zu überwachen und zu beenden. Wichtig sind dabei v.a. die »verbindenden Technologien« (Thompson 1967), die in standardisierter Form für alle Netzwerkteilnehmer bereitgestellt werden und diese verbinden.Als Beispiele für Unternehmen, die der Logik des Wertnetzwerks folgen, können Banken (Zugang zum Ressourcenpool für Geldanleger und Kreditnehmer), Telefongesellschaften (Telefonverbindung zwischen zwei Nachfragern) oder unterschiedlichste Online-Plattformen (z.B. eBay, Facebook, Amazon) angeführt werden. Der Mehrwert für den Nachfrager ergibt sich aus der (simultanen) Beteiligung der anderen Nachfrager am Netzwerk und den Netzwerk-Services.

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       Abb. 1–6 Wertnetzwerk (in Anlehnung an Woratschek et al. 2002, dort in Anlehnung an Stabell/Fjeldstad 1998)

      Während die sekundären Aktivitäten als solche immer unterstützend bereitgestellt werden müssen, gilt es die primären Aktivitäten, die die zentralen Funktionen des Dienstleistungsunternehmens abbilden, genauer zu analysieren, um weitere Wertschöpfungspotenziale zu identifizieren und zu heben. Hierfür ist die kritische Betrachtung der eigenen Dienstleistungsqualität essenziell (vgl. Woratschek et al. 2017).

      Auch vor dem Hintergrund der Value Co-Creation (Integrativität, vgl. Prahalad/Ramaswamy 2004) gilt es die weiter zunehmende Bedeutung des Kunden für die Wertschöpfung zu berücksichtigen. Die Wertschöpfungskonfigurationen sollten sich nicht nur auf die unternehmensseitige, autonome Schaffung von Wert fokussieren. Die Konzepte zu den Wertschöpfungskonfigurationen erleichtern Ihnen (bspw. als Mitarbeiter einer IT-Organisation) sowohl den analytischen Blick und das Verständnis für die eigene Organisation als auch für die Kunden Ihrer Organisation und deren Wertschöpfungsaktivitäten. Wo setzt Ihre IT mit Ihren IT Services an? Welche Geschäftsprozesse und -aktivitäten werden dabei unterstützt oder ermöglicht (siehe Abschnitt 1.1)? Die vermeintlich praxisferne Theorie kann Ihnen so dabei helfen, zur Kundenorientierung beizutragen und zu einem geschätzten Unterstützer und Berater für Ihre Kunden zu werden. Dies ist die Grundlage für die sogenannte Wertorientierung, eines der ITIL-4-Grundprinzipien (siehe Kapitel 6).

      Der Gedanke der Value Co-Creation wurde auch in ITIL 4 aufgegriffen, explizit herausgestellt und ist Bestandteil des Service-Begriffs geworden (siehe Abschnitt 3.1). Co-Creation steht für kreative Zusammenarbeit und bezeichnet die aktive Teilhabe von Kunden an der Entwicklung neuer Produkte und Services, steht aber auch für die interdisziplinäre Kollaboration in einem Innovations- oder Entwicklungsprozess. Tom Peters und Robert Waterman, ehemals Berater bei McKinsey, empfahlen in ihrem Bestseller »In Search of Excellence« (1982), »nah am Kunden« zu sein und diesen ins Zentrum der Überlegungen im Unternehmen zu stellen. Doch seit ihrem Artikel »Co-Opting Customer Competence« (Harvard Business Review 2000) gelten Coimbatore K. Prahalad und Venkat Ramaswamy als Vorreiter zum Thema »Co-Creation«. Sie betonen die Rolle des Internets, das eine aktive Partizipation von Kunden an der Wertschöpfung unterstützt. Stephan Vargo und Robert F. Lusch forderten 2004 in ihrem Artikel »Evolving to a New Dominant Logic for Marketing« (Journal of Marketing) den Wechsel von einer güterdominierten hin zu einer servicedominierten Logik (»Service-Dominant Logic«) der Wirtschaft. Sie sehen Dienstleistungen als Treiber der Wertschöpfung, an der der Kunde aktiv als »Coproducer« von Produkten und Dienstleistungen beteiligt ist.

      Wer Kunden und Nutzer bereits früh an der Service- und Produktentwicklung beteiligt, reduziert mögliche Fehler und falsche Entscheidungen aufgrund von Fehlannahmen. Ansätze und Ideen werden so frühzeitig überprüft, bevor sich die Auswirkungen verstärken und die Revidierung von Fehlentscheidung aufwendig und kostenintensiv wird. Diese Überlegungen spielen nicht nur bei den Grundprinzipien von ITIL 4 eine Rolle, sondern haben auch in die zwölf Gebote agilen Projektmanagements (vgl. Preußig 2018) oder in Inhalte anderer ITSM-Ansätze wie USMBOK Eingang gefunden.

       1.2.1.2Gestaltung von Dienstleistungsprozessen

      Eine Methode zur Darstellung, Analyse und Gestaltung von Prozessen, die bei dem Kunden beginnen und enden und einen Mehrwert für den Kunden schaffen, ist das Service Blueprinting (Shostack 1984, Kingman-Brundage 1989, Kleinaltenkamp 2000, Fließ 2006). Ein Service Blueprint nutzt zur Zuordnung der Dienstleistungsaktivitäten verschiedene Ebenen und berücksichtigt, dass Dienstleistungsprozesse durch die Mitwirkung des Kunden gekennzeichnet sind. Es verbindet die kundenbezogene mit der anbieterbezogenen Sichtweise. Auch ITSM-Ansätze wie das USMBOK haben das Service Blueprinting aufgegriffen (siehe Abschnitt 2.3.6), und ITIL 4 verwendet die Begriffe und Interaktionslinien daraus im Kontext der Wertorientierung als Grundprinzip für die Customer Journey (siehe Abschnitt 6.3.2). Wie in Abbildung 1–7 dargestellt, lassen sich fünf Ebenen in einem Service Blueprint voneinander abgrenzen (vgl. Fließ 2006):

       Kundeninteraktionslinie (»Line of Interaction«):Sie zeigt die Trennung von Kundenaktivitäten zur Interaktion mit dem Anbieter. Die Kundeninteraktionslinie verdeutlicht den Ort der Kommunikation zwischen dem Kunden und dem Anbieter (»Kunden-Anbieter-Kontaktpunkt«).

       Sichtbarkeitslinie (»Line of Visibility«):Sie trennt die sichtbaren von den für den Kunden unsichtbaren Anbieteraktivitäten. Dies bezieht sich auf die Backstage- und die Onstage-Aktivitäten.

       Interne Interaktionslinie (»Line of Internal Interaction«):Sie trennt die unterstützenden Aktivitäten des Anbieters von seinen Aktivitäten im Hintergrund, den sogenannten Backoffice-Aktivitäten.

       Vorplanungslinie (»Line of Order Penetration«):Sie dient der Abgrenzung des Leistungserstellungsprozesses vom Leistungspotenzial. Oberhalb der Vorplanungslinie finden die Aktivitäten des Dienstleistungserstellungsprozesses statt. Unterhalb der Linie finden sich die vorbereitenden Aktivitäten


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