Basiswissen ITIL 4. Nadin Ebel

Basiswissen ITIL 4 - Nadin Ebel


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sowie der damit verbundenen Themenfelder setzt eine Analyse der bestehenden Abläufe voraus. Dies gestaltet sich in vielen Fällen schwierig bzw. aufwendig, wenn die Verfahrensweisen bisher gar nicht oder nur unzureichend dokumentiert sind. Zusätzlich erschwert wird dies, wenn unterschiedliche Begriffswelten verwendet wurden. Hier sind entsprechende Aufwände einzuplanen.

      Hinsichtlich der Einführung und Verwendung ist Folgendes zu beachten:

       Das Tool folgt stets dem Prozess, da es die Umsetzung der Prozessaktivitäten und die Realisierung des Outputs unterstützt.

       Zuerst werden die Ziele, Anforderungen und der Scope definiert, bevor es an die Diskussion von Details geht.

       ITSM-Tools sind nicht nur mit Anschaffungs-, sondern auch mit Lizenz- und Wartungs-/Supportkosten und ggf. mit Implementierungs-/Customizing-Kosten (höchstwahrscheinlich durch externe Berater) verbunden. Diese werden im Business Case dargestellt.

       Datenschutzbeauftragte und Betriebsrat bzw. Personalvertretung sind frühzeitig hinzuzuziehen. Geschieht dies nicht oder nicht rechtzeitig, droht nicht nur Ärger, sondern es können massive Hemmnisse für das Projekt bis hin zum Scheitern auftreten.Dies bezieht sich auch auf das Hosting der Service-Management-Applikationen und die verarbeiteten Daten, v.a. wenn ein externer Dienstleister oder ein ausländischer Sourcing-Partner für die Applikation verantwortlich ist. Das Einbeziehen der relevanten Interessengruppen ist aber auch deswegen relevant, weil bezogen auf das Arbeitsverhalten von Anwendern und IT-Mitarbeitern sowie ihren individuellen Leistung Auswertungen erstellt werden können.

      Jeder neue oder angepasste IT-gestützte Prozess, jeder Ausbau der Practices greift in der Regel in das Unternehmen und seine Abläufe ein. Deshalb wird die Implementierung vom Management initiiert. IT Service Management überschreitet Abteilungsgrenzen und führt oft zum Aufbrechen von »Fürstentümern« im Unternehmen. Um dies erfolgreich umsetzen zu können, sind eine rechtzeitige Initiierung, Steuerung und adäquate Begleitung der organisatorischen Entwicklung (Organizational Change) und die Unterstützung durch das obere und mittlere Management notwendig. Letzteres stellt bei organisatorischen Veränderungen für die Einführung, aber auch für die langfristige Etablierung einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Dies kann durch die Teilnahme an relevanten Meetings, Treffen von Entscheidungen oder die Beteiligung an Kommunikationsmaßnahmen erfolgen. Der Organisationskultur ist in diesem Zusammenhang Beachtung zu schenken. Die Ausrichtung auf Prozess- und Service-Gedanken fordert zudem oft einen Wandel in der Kultur und kann Widerstände hervorrufen.

      Denn: Der digitale Wandel ist kein technischer, sondern insbesondere ein kultureller Wandel im Unternehmen. Spannend ist dabei die Frage, wie eine mitarbeiterorientierte und inspirierende Kultur entstehen kann, die nicht (nur) auf eine Arbeitskraftnutzung spekuliert, sondern auf Potenzialentfaltung. Ein Kulturwandel ist keine Kleinigkeit. Aber wer möchte, dass sich Mitarbeiter engagiert für Organisations- und Projektziele einsetzen, muss eine Arbeits- und Führungskultur fördern, die die Beteiligten zu neuem Verhalten einlädt, ermutigt und inspiriert. Das funktioniert nur, wenn es entsprechende Freiräume, Entwicklungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten gibt, was im Gegenzug einen klar definierten Rahmen und eine gemeinsame Ausrichtung benötigt.

      Striktes Prozessdenken birgt die Gefahr, dass Prozessschnittstellen und eine übergreifende Steuerung vernachlässigt werden. Wo früher »Abteilungssilos« das integrierte Zusammenwirken der IT-Abteilungen und -Teams bremsten, gibt es heute oft Prozesssilos. Im Extremfall werden die einzelnen ITIL-Prozesse mit großem Aufwand eingeführt und in mehreren Schritten optimiert, während gleichzeitig das Zusammenwirken aller Beteiligten durch die entstehenden Prozesssilos gehemmt wird. Als Reaktion auf die Klagen der Anwender oder IT-Kollegen wird häufig die Prozessdefinition noch verschärft. Damit steigt die Tendenz zur Überregulierung.

      Dies macht eine Philosophie oder ein Denken in Organisationen deutlich, die aufgrund von andauernden Umstrukturierungen, häufigen Wechseln im Management, steigendem Kostendruck oder internen Machtkämpfen stark mit sich selber beschäftigt sind: Sie verlieren den Blick auf ihre Kunden! Bei aller Diskussion um Prozessverbesserungen, KPIs und Effizienz, die nicht per se schlecht ist, sollte die Kunden- und Wertorientierung im Hinblick auf Service-Qualität, Nutzenbereitstellung oder Kundenzufriedenheit nicht verloren gehen. Indikatoren, dass hier bereits etwas im Argen liegt, sind bspw. die fehlende Kenntnis über die Kunden und das Verständnis für den Mehrwert, der über das Service-Angebot für sie bereitgestellt wird. Entscheidungen werden nicht aus Kundensicht getroffen, oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können nicht ihren Beitrag an den Ergebnissen darlegen, die sie für die Kunden erbringen.

       1.4Die Inhalte des ITIL 4 Frameworks

      Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten dieses Kapitels bereits einige Bestandteile und Ideen von ITIL 4 wie die Practices, die Grundprinzipien oder die »Value Chain« erwähnt wurden, möchte ich Ihnen diese in diesem Abschnitt im Gesamtzusammenhang initial vorstellen.

      In ITIL 4 gibt es zwei wesentliche Modelle, die das Framework ausmachen. Zum einen ist dies das ITIL Service Value System (SVS, Service-Wertsystem) und zum anderen das Vier-Dimensionen-Modell.

       1.4.1ITIL Service Value System

      Das ITIL Service Value System (SVS) beschreibt, wie alle Bestandteile und Aktivitäten einer Organisation als System zusammenarbeiten, um durch IT-unterstützte Services einen Mehrwert zu generieren. Das SVS jeder Organisation verfügt über Schnittstellen zu anderen Organisationen und bildet ein Ökosystem, das wiederum Mehrwert für diese Organisationen, ihre Kunden und andere Stakeholder ermöglichen kann. Die Kernkomponenten des Service-Wertsystems sind:

      1 Service Value Chain/Service-Wertschöpfungskette

      2 ITIL Practices

      3 ITIL Guiding Principles/Grundprinzipien

      4 Governance/Führung

      5 Continual Improvement/kontinuierliche Verbesserung.

      Der ITIL Service Value Chain (Service-Wertschöpfungskette) kommt als zentrales Element des Service-Wertsystems eine besondere Bedeutung zu (siehe Abb. 1–11). Sie steht als Betriebsmodell (Operating Model) für die Erzeugung, Bereitstellung und kontinuierliche Verbesserung der Services.

      Die Service-Wertschöpfungskette ist ein flexibles Modell mit sechs Wertschöpfungsaktivitäten (Plan, Improve, Engage, Design & Transition, Obtain/Build und Deliver & Support). Diese können zusammen mit den Ressourcen und Fähigkeiten der Organisation, den sogenannten Practices, zahlreiche Kombinationen ergeben. Die Wertschöpfungsaktivitäten können sich flexibel an die sich wandelnden äußeren Umstände anpassen. Sie bilden die Wertströme der Organisation. Dies verlangt allerdings ein hohes Maß an Integration und Koordination der Aktivitäten, Practices, Teams, Autoritäten und Verantwortlichkeiten. Je nach Organisation und ihrer Kultur sowie ihren Anforderungen kann die Ausgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten und Wertströme an unterschiedliche Ansätze wie DevOps als Organisationsform (im Sinne des Zusammenrückens von Softwareentwicklung (Development) und IT-Betrieb (Operations) oder eine zentral agierende IT angepasst werden. So kann die Organisation auf die Nachfrage von Kundenseite und anderer Stakeholder effektiv und effizient reagieren.

       Abb. 1–11 Das Service Value System und die darin eingebettete Service Value Chain als zentrales Element mit den sechs Wertschöpfungsaktivitäten (nach AXELOS-Material (ITIL®), Wiedergabe lizensiert von AXELOS)

      Practices stellen Fertigkeiten und Fähigkeiten einer Organisation dar, also die Ressourcen, die eingesetzt werden, um bestimmte Arbeiten auszuführen und so gesetzte Ziele zu erreichen. Sie sind in den verschiedenen Wertschöpfungsaktivitäten aktiv und werden spezifisch an die Organisationsbedürfnisse


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