Die Jungfrauen Sammelband. Grace Goodwin
ist ein Geburtsmal, Cassie. Du hast recht. Aber es hat einen Zweck, es verbindet uns miteinander. Es ist ein Mal, das beweist, dass du zu mir gehörst. Meine Markierung,” sprach er.
Eine Markierung. Die ganze Zeit hatte ich es für etwas anderes gehalten, etwas Gutartiges.
Vorsichtig nahm er mein Handgelenk und hob meine rechte Hand hoch, dann blickte er auf meine Handfläche. “Die Markierungen. Sie sitzen an derselben Stelle und pulsieren warm. Meine jedenfalls. Deine auch, Cassie?”
Ich schaute zwischen unseren Markierungen hin und her, betrachtete das blasse Zeichen, das ich seit ich noch ein Mädchen war, immer wieder studiert hatte, das erhabene Fleisch, das mir immer so harmlos vorgekommen war. Schon immer hatte ich mich über mein seltsames Geburtsmal, die hypnotischen Wirbel gewundert. Nie hätte ich gedacht, dass die Narbe etwas anderes sein könnte, bis vor fünf Tagen die Träume begonnen hatten. Die Träume. Und Maddox.
Als ich nicht auf seine Frage antwortete, legte er unsere Handflächen aufeinander und verschränkte die Finger in meine.
Ich musste nach Luft schnappen, denn mein Körper wurde von diesem kleinen Kontaktpunkt ausgehend mit Hitze überflutet. Meine Brüste wurden schwer und meine Mitte zog sich zusammen und wollte von ihm berührt werden. Beinahe sprang mir das Herz aus der Brust und ich konnte den Blick nicht mehr von seinen Lippen losreißen. Meine Hand umklammerte seine, sie wollte verzweifelt mehr Kontakt. Ich blickte auf und ich bemerkte den Puls seiner Halsschlagader, seine angespannten Kiefermuskeln, als er die Zähne zusammenbiss und mit der Beherrschung rang. Als ich schließlich in seine Augen blickte, raubten seine dunklen Pupillen und das überwältigende Verlangen dort mir den Atem.
Er glaubte jedes einzelne seiner Worte. Würde ich es wagen, ihm ebenfalls zu glauben? Wie konnte ich das nicht tun, wenn der Beweis unserer Verbindung meinen Körper wie ein flüssiger Blitz durchzuckte? “Ich verstehe das nicht,” flüsterte ich.
“Ich weiß. Deine Mutter hätte es dir erzählen sollen, als du alt genug warst. Du hättest von deiner Abstammung erfahren sollen, man hätte dir die Wahrheit über deine Markierung erzählen sollen, aber du warst verwaist und deine Eltern haben die Wahrheit mit ins Grab genommen. Ich werde dir noch alles darüber erzählen, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Du musst mir vertrauen. Ich muss dich von hier fortschaffen. Wir müssen zu meinem Schiff gehen, in Sicherheit. Nirgendwo sonst auf diesem Planeten bist du vor Neron sicher, jedenfalls nicht, solange ich ihn nicht ausgeschaltet habe.”
“Du meinst, bis du ihn getötet hast.”
Maddox blickte zum Haus zurück und das Bild von Herr Andersons Leiche kam mir mit voller Wucht wieder in den Sinn. “Hat er Geringeres verdient?” wollte er wissen.
“Nein.” Wenn er für den Mord an Herrn Anderson verantwortlich war, dann verdiente er schlimmeres als den Tod. Ich war zwar nicht sicher, ob Maddox wirklich ein magisches Schiff besaß, das mich beschützen würde, aber bestimmt war ich mit ihm sicherer, als wenn ich alleine bleiben würde. Der Rest? Unsere Markierungen? Diese Partner-Geschichte? Damit würde ich mich später befassen. Ich blickte zum Haus rüber und die Angst lief mir wie ein kalter Finger die Wirbelsäule runter.
“Das Schiff ist sicher versteckt. Es ist zu weit, um dorthin zu laufen. Hast du ein Pferd?” wollte er wissen.
“Ja.”
“Dann bist du einverstanden? Du kommst mit mir mit?”
“Aber Herr Anderson.” Ich dachte an den Mann, der mich so gut wie möglich großgezogen hatte, der seine Frau und seinen Sohn überlebt hatte. Er war ein guter Mann gewesen und man hatte ihn abgeschlachtet. Ich würde ihn einfach in einer Blutlache auf dem Boden zurücklassen.
“Dein Verlust tut mir leid, Cassie. Er—und der Gast oben—hatten das nicht verdient. Aber du möchtest nicht als Nächste dran sein. Das werde ich nicht zulassen.”
Ich schaute ihn an, sah die Entschlossenheit, die tödliche Absicht in seinen Augen.
“Ja. Aber nur so lange bis Neron tot ist. Ich komme nicht als deine Partnerin … oder wie du mich genannt hast und ich erwarte von dir, dass du die Finger von mir lässt.”
Unter Einsatz extremster Willensstärke zog ich meine Hand aus seiner und brach unsere Verbindung. Das raue Gefühl seiner Handfläche, des Geburtsmals—nein, der Markierung—bewirkte zwar, dass ich ihn weiter berühren wollte, aber mein Kopf und mein Herz standen in Konflikt. Ich konnte nicht einfach meinem lüsternen Verlangen nach diesem Mann nachgeben, diesem Fremden. Ich konnte nicht wie meine Mutter damals meinen neuentdeckten niederen Trieben nachgeben. Das Verlangen war zwar da, aber so auch die Komplikationen. Ich wusste nichts über Maddox, vor allem nicht, woher er stammte. Er wusste viel zu viel über mich. Ich hatte ihm bereits intime Freiheiten zugestanden, wie sie sich nicht einmal Charles mit mir genommen hatte.
Maddox war möglicherweise labil und ein überaus zwielichtiger Mann hatte es auf ihn abgesehen. Und mich. Maddox musste diesen Neron schnappen, damit ich in Ruhe mein Leben weiterleben und in die Pension zurückkehren konnte. Herr Anderson war tot und die Pension war alles, was ich hatte und kannte. Mein Verlangen für Maddox würde sich schon wieder verflüchtigen, sobald er aus meinem Leben verschwunden war. In der Zwischenzeit musste ich einfach enthaltsam bleiben.
Allerdings hatte er mich nicht einfach angegrapscht und angeglotzt, so wie Herr Bernot und einige andere Männer. Er hatte mich zwar geküsst—und was für Küsse das waren! —, aber er hatte mich nicht bedrängt. Er war eifrig gewesen, ja, aber nicht aufdringlich. Ich konnte nicht einmal daran denken, wie begierig ich auf seine Avancen eingegangen war. Also zog ich meine Hand weg und kappte die Verbindung, denn zumindest in dieser Hinsicht waren mein Kopf und mein Körper anderer Meinung.
Er versuchte nicht mich zu stoppen, seine Schultern aber entspannten sich und ich fragte mich, ob er einfach erleichtert war, weil ich eingewilligt hatte ihn zu begleiten oder ob er jetzt bereute, dass er mich überhaupt gefragt hatte.
7
Maddox
Cassie war an meiner Seite, ihre gescheckte Stute—sie hatte mir den Unterschied zwischen unseren Tieren erklärt—lief ruhig und sicher neben meinem Wallach, als wir Richtung Westen durch die Prärie ritten, zu meinem Schiff und damit in Sicherheit. Wir folgten denselben Koordinaten, die ich auf dem Weg zu ihr genommen hatte und je eher sie in unserem Schiff war, desto eher konnte ich unsere Technologie zu ihrer Verteidigung nutzen. Neron hatte keinen Zugang zum Schiff und keine seiner Waffen, ob nun von der Erde oder von Everis, konnte dem Schiff schaden.
Ich behielt ständig den Horizont im Auge, meine Ionenpistole war griffbereit und ich wollte schneller vorankommen, um uns so bald wie möglich im Schutze der Everianischen Technologie zu wissen.
Sie zeigte mir, wie man das Tier schneller ritt, aber das war alles andere als leicht. Während ich bemüht war mich im Sattel zu halten, fragte ich mich, wie ihr Everis wohl gefallen würde; der zart violette Himmel dort und die altertümlichen, aus Steinen errichteten Städte, ähnlich den Pyramiden hier auf der Erde. Mein Bruder würde sich für mich freuen; seine Partnerin würde sich bestimmt um Cassie kümmern und ihr alles Nötige beibringen, damit sie in meiner Familie und auf unserem Planeten ihren Platz fand.
Eine würdige Partnerin. Anständig. Sauber. Genau so, wie ich es selber nie gewesen war.
“Also, Maddox, erzähl mir von deiner Welt. Überzeuge mich, dass du die Wahrheit sagst.” Cassie starrte auf das Mal in ihrer Handfläche, während sie sprach. Ihre Aufforderung schockierte und erfreute mich zugleich. Vielleicht hatte sie einfach etwas Zeit gebraucht, um die Wahrheit zu akzeptieren.
“Mein Plantet ist der Erde gar nicht so unähnlich. Er heißt Everis. Wir haben zwei kleinere Sterne und einen violetten Himmel, der leuchtend rot wird, sobald der erste Stern am Horizont verschwindet.”
“Sterne? Aber die sind doch so weit weg.”
“Eure