GO EAST. Zaubi M. Saubert

GO EAST - Zaubi M. Saubert


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sich immerhin dazu bereit, sich an einem Räumungseinsatz zu beteiligen. Na, wenigstens.

      Ursprünglich hätte unser Mietvertrag zum 1. November beginnen sollen, das war ohnehin Zukunftsmusik gewesen. Der neue Termin für die offizielle Wohnungsübergabe, Anfang Dezember, verstrich ebenfalls. Jetzt mussten wir uns schon ranhalten, damit es in diesem Jahr überhaupt noch etwas wurde. Frau Kurtz weigerte sich hartnäckig, uns die Wohnung zu übergeben, solange diese noch so voll stand. Daher beschlossen wir, die Sache jetzt endgültig in die eigenen Hände zu nehmen. Eduard und Malte hatten versprochen, zu helfen, und Klaus-Peter natürlich. Dann würde das ja alles halb so wild, dachten wir zumindest.

      Sylvie kam extra für die Entrümpelungsaktion angereist und wollte uns unterstützen. Sie hatte ja immer gesagt, dass sie erst nach Halle käme, wenn ich auch eine Wohnung für uns hätte. Sicher, es handelte sich nicht um eine fertige Wohnung im westlichen Standard, wo man nichts mehr machen musste und einfach einziehen konnte. Hier galt es noch eine Menge zu machen und Sylvie wusste, dass ab jetzt auch ihr Engagement gefordert war. Tatsächlich eröffnete sie Horst und mir, dass sie ihren Job in Hannover zum 31. Dezember 1990 gekündigt hatte. Da war ich erst sprachlos und dann glücklich. Damit stand unserer Zukunft in Halle nichts mehr entgegen.

      Mit Frau Kurtz gelang es uns, für Montag früh, einen Termin zur Wohnungsübergabe zu vereinbaren. Für den Freitag davor bestellten wir einen Container. Die vorausschauende Sylvie hatte extra einen Großen, teureren genommen, damit alles reinging. Als wir dann Freitagfrüh vor dem Haus ankamen, sahen wir den Container sofort. Aber auch noch etwas anderes, etwas, das aus dem Container herausragte. Dieses etwas entpuppte sich als alter Schrank. Und damit nicht genug. Der Container war bereits halb voll. Das ist doch nicht wahr, dachte ich. Aus dem Nachbarhaus schaute jemand aus dem Fenster und sprach mich an. Ich wäre wohl nicht von hier, mutmaßte der Bewohner. Wie er denn darauf käme, fragte ich. Na, weil ich dann wüsste, dass man einen leeren Container nicht alleine lassen darf. Nein, wusste ich nicht. Aber ich war ja auch nicht von hier.

      Schon hielt ein Auto mit zwei Männern am Straßenrand und ich sah ein paar alte Zinkwannen mit Schrott auf dem Rücksitz. Die hatten wohl im Vorbeifahren mitbekommen, dass hier ein einsamer Container stand, luden schnell zu Hause ihren Müll ein und wollten den jetzt hier entsorgen. Die Männer saßen noch im Wagen, da stand Horst schon vor ihnen und machte deutlich, dass sie mal gleich weiterfahren und ihren Müll anderweitig entsorgen sollten.

      Na, das fing ja gut an. Wir richteten es so ein, dass immer einer von uns unten beim Container blieb und sozusagen Wache hielt. Doch wir, das hieß leider nur Horst, Sylvie, Eduard und ich. Malte und Klaus-Peter ließen sich nicht sehen. Tapfer widmeten wir uns zuerst einmal dem Inhalt des Containers. Eduard und ich stiegen mit einer Axt hinein und zerkleinerten den alten Schrank, zwei rostige Bettrahmen und andere sperrige Gegenstände, die hier bereits entsorgt worden waren. Jetzt nahmen sie deutlich weniger Platz ein und wir hofften, vielleicht doch unseren ganzen Schrott noch im Container unterbringen zu können.

      Glücklicherweise mussten wir »nur« runtertragen. Aber da es sich im Haus um schöne, hohe Altbauräume handelte, kamen bis zum dritten Stock locker an die achtzig Treppenstufen zusammen. Die liefen wir nun beladen runter und unbeladen wieder rauf. Es wurde ein harter Kampf. Gegen Mittag tauchte tatsächlich noch Malte auf, der sich entschuldigte, dass er nicht aus dem Bett gekommen sei. Er packte dann aber wenigstens kräftig mit an. Und so, peu à peu, leerte sich die Wohnung tatsächlich.

      Da, wo die großen Dinge aus dem Zimmer verschwunden waren, fiel die Lücke erfreulicherweise sofort auf. Aber bei den tausend Kleinteilen sah die Sache anders aus, vor allem bei der immensen Größe der Wohnung. Da spielte ein Teil mehr oder weniger optisch gar keine Rolle. Eduard hatte im wahrsten Sinne des Wortes eine zündende Idee: Bretter und alles, was aus Holz und nicht lackiert war, sollte oben bleiben. Das konnten wir prima verfeuern. Und wir lernten nun auch den Vorteil von Zinkwannen kennen, von denen uns unsere Vormieter ja auch ein paar hinterlassen hatten. Da konnte man jede Menge Kleinteile hineinwerfen und die dann hinunter tragen und in den Container kippen.

      Letztlich haben wir es geschafft und die Wohnung leer bekommen. Und vor allem bekamen wir doch noch alles in den Container hinein. Sogar aus dem Keller haben wir noch Schrott rausgeholt. Und da es sich um einen Kohlenkeller handelte, galt es noch Unmengen an Kohlenstaub zu beseitigen. Wir hatten das Gefühl, den Kohlenstaub, der sich über Generationen angesammelt hatte, in Eimer zu füllen und rauszutragen. Das hat dann Horst und mir den Rest gegeben. Wir sahen aus wie die Schornsteinfeger und waren fix und alle. Sylvie fuhr uns dann nach Trotha, wo wir erst einmal gründlich badeten. Danach fühlten wir uns zwar immer noch groggy, aber wenigstens wieder sauber. Klaus-Peter hat sich an diesem Tag nicht mehr sehen lassen, wohl auch besser für ihn.

GO EAST von Zaubi M. Saubert

       Erste Seite des Mietvertrages Philipp-Müller-Straße 14, schwarze Schrift auf grau-beigem, faserigem A5-Papier.

      Am nächsten Tag ging es dann gleich wieder in die neue Wohnung. Wir haben gefegt und uns alles mal etwas genauer angesehen. Jetzt, so völlig leer, sah man, wie heruntergekommen sie war. Aber auch wie riesig, mit tollen, schönen Räumen, teilweise Eichenparkett und in zwei Zimmern prangte auch noch Stuck an der Decke in knapp drei Meter achtzig Höhe. Das mittlere der drei Zimmer zur Straße besaß dazu noch einen Erker und drei riesige, doppelflügelige Holztüren. Eigentlich eine ehemals hochherrschaftliche Wohnung.

      Aber der Lack war schon länger ab. Die Holzfenster befanden sich in schlechtem Zustand, ebenso wie die Elektroinstallation. Auch die Dielenböden wirkten heruntergekommen. Die Wände sahen ähnlich aus. Erste kleine Tests bestätigten unsere Befürchtung, dass beim Abziehen der Tapete auch der Putz gleich mit herunterkam. Die Wohnung verfügte über insgesamt vier Kachelöfen, die mehr oder weniger undicht sein sollten, dazu einen Badeofen. Letzteren hatten wir nicht vor zu nutzen. Aus Erfahrung wusste ich, wie lange es dauerte, bis man mit einem solchen Kohleofen ausreichend warmes Wasser zum Duschen oder Baden erhitzt hatte. Wie ein großer Tauchsieder, nur mit Kohle statt mit Strom betrieben. In meinen allerersten Studententagen, als ich auf einer Matratze in der Küche von zwei Freunden hauste, hatte ich schon einmal die Bekanntschaft mit solch einem Badeofen gemacht. Dies wollte ich jetzt nicht auffrischen. Aber die großen Kachelöfen brauchten wir schon, um die hohen Zimmer warm zu bekommen.

      Ja, und die Sanitärinstallation sprach Bände. Das kleine Klo war so eklig, dass ich es am liebsten einfach zugemauert hätte. Die Küche verfügte über eine uralte Spüle, eher einen Spülstein aus Keramik, wo es nur kaltes Wasser gab. Wie sollte es auch anders sein. Als einzige Wärmequelle diente ein alter Gasherd. Im Bad sah der Zustand nicht besser aus: ein schwer lädiertes Waschbecken, eine versiffte Badewanne und der besagte Badeofen. Nee, damit fangen wir nicht wieder an, entschied ich.

      Wohl wissend hatten wir auch unseren Nachbarn Eduard mit in die neue Wohnung genommen. Er war ja »Gas-Wasser-Scheiße«-Monteur und kannte sich zusätzlich mit Elektroinstallation aus. Hier musste richtig Hand angelegt werden, wenn wir es uns nett machen wollten. Und das wollten wir. Aber erst mussten wir die Wohnung einmal offiziell übernehmen. Am Tag der Wohnungsübergabe, dem 17. Dezember 1990, trafen Sylvie, Horst und ich pünktlich ein. Wenig später vernahmen wir schwere Schritte auf der Treppe und hörten gleich darauf unsere Frau Kurtz vor der Wohnungstür schnaufen. Die Treppe war nichts für Leute mit Übergewicht. Einen Kollegen hatte sie noch als Schriftführer dabei.

      Sie blickte erwartungsvoll in die Wohnung und zeigte sich sichtlich überrascht, auf einen leeren Flur zu treffen. Und erst als sie den Rest sah. Da hatte sie nicht mit gerechnet, dass wir es tatsächlich geschafft hatten, diese vollgemüllte Wohnung leer zu bekommen.

      »Nu, wie ham Se das denn jeschafft?«, fragte sie ungläubig. Wie sich herausstellte, war sie fest davon ausgegangen, dass die Wohnung doch mehr oder weniger so vollgerümpelt aussehen würde wie vorher. Und dann hätte sie uns die Wohnung letztlich nicht zu geben brauchen. Das sah nun anders aus. Jetzt kam sie gar nicht darum herum, uns als neue Mieter zu akzeptieren.

      Und wir trafen noch eine wichtige Vereinbarung. Die Wohnung bekam den Status einer sogenannten Reko-Wohnung,


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