Theorien der Sozialen Arbeit. Christian Spatscheck

Theorien der Sozialen Arbeit - Christian Spatscheck


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nach Glasgow.

      An der Glasgower Universität studiert Smith Latein, Griechisch, Mathematik und Moralphilosophie und schließt das Studium mit dem „Master of Arts“ ab. Der bedeutendste Philosoph der Zeit, Francis Hutcheson (1694–1746), ist einer seiner Lehrer. An der Oxforder Universität führt Smith seine Studien – vor allem der antiken Klassik – weiter. Der junge Student ist von David Humes Abhandlung „Treatise of Human Nature“ begeistert, erhält aber wegen dieser „schädlichen“ Lektüre – das Buch ist wegen „Gottlosigkeit“ verboten – einen Verweis von der Universität. 1746 kehrt er – enttäuscht vom rückständigen Oxford – nach Kirkcaldy zurück und strebt einen Lehrstuhl an einer schottischen Universität an.

      1748 wird Smith Dozent für englische Literatur und Nationalökonomie in Edinburgh und freundet sich mit seinem Kollegen David Hume (1711–1776) an. Zwei Jahre später wird Smith Dozent für Logik an der Universität von Glasgow. 1752 erhält er in Glasgow einen Lehrstuhl für Moralphilosophie. Smith übernimmt verschiedene Universitätsämter; so ist er Dekan seiner Fakultät und Prorektor der Universität. Als Smith 1759 sein philosophisches Werk „The Theory of Moral Sentiments“, in Deutsch: „Theorie der ethischen Gefühle“ (Smith 2010), publiziert, ist er bereits ein angesehener Dozent. Dieses moralphilosophische Werk macht ihn in ganz Europa bekannt. Danach wendet sich Smith verstärkt nationalökonomischen und juristischen Fragen zu.

      Smith verlässt 1764 die Universität und wird Privatlehrer des Herzogs von Buccleugh. Diese Stelle ist weitaus besser dotiert als die Stelle eines schottischen Professors und zusätzlich mit einer Altersversorgung versehen. Auf Bildungsreisen mit dem Herzog durch Frankreich und die Schweiz trifft Smith mit führenden europäischen Wissenschaftlern (Voltaire, Turgot, Quesnay u. a.) zusammen. Smith kennt Rousseaus Werke und schätzt dessen Ideen; die beiden begegnen einander jedoch nicht. 1766/67 ist Smith als Berater des britischen Schatzkanzlers in London und forscht im British Museum. Von 1767 bis 1776 lebt und arbeitet er in Kirkcaldy und London an seinem Hauptwerk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“, in Deutsch: „Der Wohlstand der Nationen“ (Smith 1993), in dem er seine sozialen und ökonomischen Erkenntnisse darlegt. Das Buch wird 1776 veröffentlicht und bringt Smith viel Lob und Anerkennung ein. Bei der Abfassung dieses Buches konnte Smith die sozialen Folgen der industriellen Revolution noch nicht erkennen und bei seinen Überlegungen berücksichtigen.

      1776 kehrt er nach Schottland zurück, um seinem sterbenden Freund Hume nahe zu sein. Hume stirbt noch in demselben Jahr. 1778 wird Smith zum Zollrevisor von Schottland ernannt und zieht mit seiner Mutter und einer Cousine nach Edinburgh. Diese Ernennung bringt ihm so hohe Jahreseinkünfte, dass er auch weiterhin keinerlei finanzielle Sorgen hat. In Edinburgh überarbeitet er „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“. Der für ihn unerwartete Tod seiner 89-jährigen Mutter im Jahre 1784 trifft Smith schwer und macht ihn krank. Bis wenige Monate vor seinem eigenen Tod im Jahre 1790 arbeitet er an einer Neuauflage von „The Theory of Moral Sentiments“. Viele – seiner Meinung nach unfertige – Manuskripte lässt er kurz vor seinem Tod von Freunden vernichten. Sein materieller Nachlass ist gering, da er große Teile seines Einkommens Armen gegeben hat.

       4.3 Forschungsgegenstand und -interesse

      Das lebenslange Beobachten, Forschen und Nachdenken von Smith gelten dem Verhalten und Zusammenleben der Menschen. Er beobachtet, was seine Mitmenschen und er selbst tun, und fragt nach den Beweggründen für dieses Verhalten. Smith interessiert sich für die psychologischen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge und Bezüge der Gesellschaft, in der er lebt, und fragt: Welches sind die Ursache, die Ordnung und die Grundsätze im menschlichen Streben nach Wohlstand? Wie kommt es, dass der Mensch ständig danach strebt, sein Los in der Welt der Knappheit und materiellen Enge zu verbessern? Warum bemüht sich der Mensch, von seinen Mitmenschen anerkannt zu werden? Weshalb achtet der Mensch darauf, seine Umgebung und seine Umwelt nicht zu schädigen? Inwieweit ist der Mensch disponiert und darauf vorbereitet, in Gemeinschaften zusammenzuleben? Wie kann man Wohlstand und Reichtum des Staates erhöhen? Smith möchte die persönliche Freiheit des Einzelnen mit der wirtschaftlichen Leistung so verknüpfen, dass alle Menschen auf friedliche Weise zusammen leben können; bei höchstmöglicher Freiheit erstrebt er Wohlstand und Zufriedenheit für alle, nicht zuletzt für die arme Bevölkerung eines Staates.

       4.4 Wissenschaftsverständnis

      Smith beherrscht als in vielen Fächern bewanderter Gelehrter das Wissen seiner Zeit und betrachtet die wissenschaftlichen Methoden der Geistes- und Naturwissenschaften als zusammengehörig und als eine Einheit. Von der englischen, an der sinnlichen Erfahrung als Erkenntnisquelle orientierten Philosophie (Empirismus) seiner Zeit geprägt, baut Smith seine Theorien auf historische Kenntnisse, psychologische Beobachtungen und sozialempirische Daten auf: „Man möge ferner auch in Betracht ziehen, dass die gegenwärtige Untersuchung nicht eine Frage des Sollens betrifft, sondern … eine Frage nach Tatsachen“ (Smith 2010, 122). Mit großer Sorgfalt beschreibt und mit strenger Logik analysiert er das Erkannte und verbindet induktive und deduktive Analysen zu allgemeinen Aussagen über die Wirklichkeit. Ein System von Aussagen ist für ihn eine „imaginäre Maschine“, die wir erfinden, um in Gedanken die verschiedenen Bewegungen und Wirkungen miteinander zu verbinden, die bereits in der Wirklichkeit vorhanden sind (vgl. Recktenwald 1993, XXXIV). Die Theorien von Smith sind geprägt durch große Lebensnähe und getragen von einem angelsächsischen Pragmatismus.

      Von der Qualität der Wissenschaft und der Bildung an den öffentlichen Schulen und Universitäten hält Smith wenig. Das meiste, was an Schulen und Universitäten unterrichtet wird, scheint ihm nicht die beste Vorbereitung für das Berufsleben zu sein (vgl. Smith 1993, 656). Er plädiert für eine Bildungsreform, denn:

      „Je gebildeter die Bürger sind, desto weniger sind sie Täuschungen, Schwärmerei und Aberglauben ausgesetzt, … Außerdem ist ein aufgeklärtes und kluges Volk stets zurückhaltender, ordentlicher und zuverlässiger als ein unwissendes und ungebildetes. Jeder einzelne fühlt sich selbst achtbarer und kann auch eher mit dem Respekt seiner rechtmäßigen Vorgesetzten rechnen“ (a. a. O., 667).

       4.5 Theorie

      In der „Theorie der ethischen Gefühle“ (Smith 2010) entwickelt und untersucht Smith psychologische und soziologische Annahmen zum menschlichen Verhalten und Handeln. Diese Untersuchungen bilden die Grundlage für seine ethischen, politischen und ökonomischen Theorien in seinem Werk „Der Wohlstand der Nationen“ (Smith 1993). Smith verknüpft dort eine sozialpsychologische Entwicklungstheorie der Gesellschaft mit einer ökonomischen Wachstumstheorie, die erklären soll, wie in einer Tausch- und Marktwirtschaft der Wohlstand zunehmen wird. Die „Theorie der ethischen Gefühle“ bildet die Grundlage für Smiths Entwicklungstheorie der Gesellschaftsorganisation, und diese stellt wiederum das Fundament für die Tausch- und Markttheorie dar, die er in „Der Wohlstand der Nationen“ entfaltet. Zwischen beiden Untersuchungsfeldern bestehen für Smith enge Wechselbeziehungen. In gemeinsamen Grundregeln über das Verhalten des Menschen und über die Errichtung und Nutzung gemeinsamer Einrichtungen zeigen sich diese Wechselwirkungen. Erkennbares Ziel aller Theorien von Smith ist es, Gegensätze aufzuheben und Gleichgewichte herzustellen (vgl. Eckstein, in: Smith 1994, LIII–LXVI).

      (1) Das Eigeninteresse der Menschen: Smith stellt an den Anfang seiner „Theorie der ethischen Gefühle“ folgende These:

      „Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein“ (Smith 2010, 5).

      Wir freuen uns, wenn sich andere freuen, wir leiden mit, wenn andere leiden. Nach Smith ist es möglich, sich aufgrund der eigenen Vorstellungskraft in die Lage eines anderen zu versetzen und ihn durch Nachdenken zu verstehen. Die Anteilnahme an dem Erleben anderer nennt Smith Sympathie: Wir selbst empfinden nach, was der andere


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