Um den Sohn. Artur Hermann Landsberger

Um den Sohn - Artur Hermann Landsberger


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bei derlei Dingen auch nur fünf Minuten lang aufhalten kann. Derartige Bagatellen habe ich als junger Mann durch Papas Kammerdiener erledigen lassen. Ein Kuvert, einen Scheck, eine Visitenkarte mit dem Ausdruck des Bedauerns, die Beziehungen aus hier nicht zu erörternden Gründen abbrechen zu müssen — und in Fällen, wo etwa das Herz engagiert war, noch gute Wünsche für ferneres Wohlergehen. Damit war’s dann aber auch aus. Und wenn eine gar zu hartnäckig war, na, dann wurde man grob und drohte, wenn auch das nicht half, mit der Polizei.

      Glaube mir, der ganze Witz liegt darin, die Leute zu behandeln, wie sie’s gewohnt sind. Sie vertragen’s nicht anders und werden anmassend, wenn man zu ihnen wie zu seinesgleichen spricht.

      Ich kann mir lebhaft denken, wie diese Person die Gutmütigkeit Peters ausnutzt — und Deine dazu. Denn sie wäre nicht, was sie ist, wenn sie Deine Schwäche nicht längst erkannt hätte. Deine Korrespondenz war ein Fehler. Dadurch ist sie sich erst ihrer Wichtigkeit bewusst geworden, von der sie bis dahin keine Ahnung hatte. Denn in dem Augenblick, wo man anfängt, in Sentimentalität zu machen, ist es allemal aus. Sentimentalität ist Gift, kittet und vertieft. Und der Witz so ’m Mädel gegenüber ist doch allemal der Bluff. Eh sie so recht zur Besinnung kommt, muss sie schon beim Nächsten sein.

      Du siehst also, liebe Mama, dass der Fall erst dank Deiner gemütvollen Regie etwas Tragisches bekommen hat; an sich ist er ganz harmlos. Oder war’s doch wenigstens! Und damit er’s wieder werde und nicht durch neue Fehler von Deiner Seite noch weiter verwickelt und erschwert wird, bitte ich Dich, mir alle weiteren Schritte zu überlassen — was an sich auch schicklicher ist.

      Mit herzlichem Gruss

      Dein Schwiegersohn Kurt.

      Anschrift des Landrats Moll.

      Liebe Mama!

      Ich stimme in allem Kurt und Ilse bei. Meine Frau erfährt nichts, denn ich halte es für meine Pflicht, derart schmutzige Geschichten von der Mutter meiner Kinder fernzuhalten. Ich werde auch Onkel William bitten, uns künftighin mit solchen Zuschriften, mögen sie noch so gut gemeint sein, zu verschonen.

      Im übrigen möchte ich Dich bitten, Dir klar zu machen, dass es mir in meiner sozialen Position einfach unmöglich ist, mich mit Peters illegitimen Beziehungen zu befassen.

      Andererseits darf ich erwarten, dass Peter alles vermeidet, was seinen Namen in unliebsamer Weise in die Oeffentlichkeit bringen kann. Er ist klug genug, um sich zu sagen, dass von einem Skandal, der ihn angeht, nur zu leicht auch wir betroffen werden können. Sag ihm das und überlass im übrigen die Regelung Kurt, der sich in den Dingen besser auskennt als Du.

      Herzlichen Gruss Deines Schwiegersohnes

      Anton.

      Frau Geheimrat Reinhart

      an Kurt von Zobel.

      Lieber Kurt!

      Wenn ich Euch schon das Mädchen ausliefere — meinen Jungen lasse ich Euch nicht. Aber auch das Mädchen behandelt, wenn schon nicht aus Nächstenliebe, dann doch wenigstens mit Rücksicht auf Peter so menschlich und rücksichtsvoll, wie es Euch möglich ist.

      Tausendmal mögt Ihr recht haben, wenngleich ich die Beweiskraft Eurer gewiss reichen Erfahrung nicht bedingungslos gelten lasse. Denn, habt Ihr Euch auch nur ein einziges Mal die Mühe gemacht, zu ergründen, was in dem Innern so eines armen, verlassenen Mädchens in solcher Stunde vorgeht? Was da alles an Hoffnungen und Glauben zusammenbricht?

      Aber lassen wir das! Denn ich fühle, ich bin zu schwach, um auf die Dauer Euch gegenüber meine Ansichten zu vertreten. Ich muss Euch das Mädchen opfern, um mir den Jungen zu erhalten.

      Damit Ihr mich aber nicht falsch versteht: Peters Trennung von diesem Mädchen halte ich nach wie vor für absolut notwendig und selbstverständlich. Nur über das Wie gehen unsere Meinungen auseinander.

      Mir liegt daran, dass er innerlich von dem Mädchen loskommt. Dann wird sich die äussere Trennung von selbst vollziehen. Ich will nicht, dass er einem Zwange folgt; er soll erkennen, dass der Gedanke, sich lebenslänglich an dies Mädchen zu fesseln, widersinnig ist, dass das Karriere und gesellschaftliche Position opfern hiesse. Seinen Ehrgeiz anspornen, heisst: seine Verirrung bekämpfen. Seiner Verirrung mit Zwang begegnen, heisst: seinen Widerstand festigen.

      Ich habe ihn nun glücklich so weit bekommen, dass er mit einer einjährigen Prüfungszeit einverstanden ist. Er wird das Mädchen ein Jahr lang weder sehen, noch mit ihm korrespondieren, noch sonst irgendwelche Verbindung mit ihm unterhalten. Ihr habt also ein Jahr lang Zeit, und das wird Euch hoffentlich Grund sein, um schonend mit dem armen Mädchen zu verfahren.

      Wie wenig ich, wenn es sich um die Zukunft meines Jungen handelt, an mich denke, könnt Ihr daraus ersehen, dass ich bereits an Onkel Max geschrieben habe, er möge via Golf die Versetzung Peters auf ein Jahr zur Regierung nach Südwest veranlassen. Ich habe den Fall sehr dringend hingestellt und erwarte jeden Tag die Nachricht seiner Berufung. Ich werde es so einrichten, dass er vorher gar nicht erst nach Berlin zurückkehrt. Seine Ausrüstung besorgen wir in London, und ich begleite ihn bis Southhampton, wo ich dann noch eine Woche bleibe. Mir ist ganz elend bei dem Gedanken, den Jungen so weit fortzugeben.

      Herzliche Grüsse Euch allen von

      Eurer Mutter.

      Dr. Peter Reinhart

      an Aenne Hoffmann.

      Aenne!

      Ein hoher Familienrat hat beschlossen, unsere Liebe auf ihren Ernst, ihre Tiefe und ihre Festigkeit hin einer einjährigen Prüfung zu unterziehen.

      Man gibt sich der Hoffnung hin, es werde ein Jahr genügen, um uns zu trennen! Und da meine Familie ganze Arbeit liebt, so verlangt sie ausser dieser räumlichen Trennung noch ein ehrenwörtliches Versprechen, dass wir uns während dieses Jahres weder schreiben, noch uns durch die Vermittelung eines Dritten übereinander berichten lassen.

      Aenne! Ich teile Dir das nur mit, um Dich zu erheitern. Weiss ich doch, wie sehr Du den Humor liebst. Ich habe Mama, als sie mir mit dem ernstesten Gesichte von der Welt ihren Vorschlag unterbreitete, ins Gesicht gelacht. Das war ungezogen und tat mir hinterher leid. Aber ich fand den Gedanken, mit dem Mama ganz unvermittelt beim Lunch herausplatzte, so absurd, dass ich nicht an mich halten konnte. Sie blieb ganz ernst.

      „Ich will jetzt keine Antwort, überleg es Dir!“ sagte sie und sprach dann kein Wort mehr über die Sache. Sollte sie aber doch noch einmal davon anfangen, so werde ich ihr sagen, dass wir keine Kinder, sondern erwachsene Menschen sind, die wissen, was sie wollen.

      Was sagt meine Aenne?

      Herzlichst

      Dein Peter.

      Kurt von Zobel

      an Frau Geheimrat Reinhart.

      Liebe Mama! Was brauchen wir Onkel Max’ Vermittelung? Familieninterna soll man möglichst in seinen vier Wänden erledigen. Ich war eben bei Golf; Peter wird noch in dieser Woche seine Ernennung zum Regierungsreferendar in Südwest erhalten.

      Ich betrachte diese Lösung, ganz abgesehen von dem damit verbundenen Zweck, für einen Glücksfall sondergleichen. Es bewerben sich jährlich Dutzende von jungen Referendaren um diesen Posten, der neben seinen dienstlichen Annehmlichkeiten als Ausgangspunkt für das höhere Kolonialamt besonders beliebt ist.

      Einzig dem Zufall, dass Golf und ich alte Heidelberger Saxo-Borussen sind, dankt Peter die Ernennung, um die ihn Hunderte, die vielleicht mehr Anrecht darauf hätten, beneiden werden.

      Wenn er bei seinen guten Anlagen nur halbwegs seine Pflicht tut, kann er nunmehr eine grosse Karriere machen. Er kann dem Mädel, ohne das es ja nie dahin gekommen wäre, also noch dankbar sein. Und diesen Dank werde ich damit abtragen, dass ich Deinem Wunsche gemäss bei der Trennung so rücksichtsvoll wie nur möglich verfahre.

      Grüsse Peter und sag ihm, so’n Dusel war noch gar nicht! Wir werden das Ereignis heut abend bei Borchard mit Molls begiessen.

      Herzlichen Gruss

      Dein Kurt.

      Ilse


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