Um den Sohn. Artur Hermann Landsberger
ich sie darum nicht. Mein Gott, sie wollen ja nichts voneinander als das bisschen Liebe — soll ich ihr das auch noch nehmen? Darf ich das? Bei Ihnen reichen Leuten mag das wohl anders sein. Aber ich denk mir immer, da mein Kind ihn doch so liebt, wird er doch wohl auch etwas taugen und mein Kind nicht unglücklich machen. Sehen Sie! Das ist es! Nicht unglücklich machen soll er mein Kind! Sie werden es vielleicht nicht begreifen und schlecht von mir denken, aber sehen Sie, ich bin Ihrem Sohn sogar gut, weil er mein Kind glücklich macht. Und um das bisschen Glück dreht sich ja am Ende das Ganze.
Und darum lassen Sie die beiden nur ruhig beieinander. Das kommt nachher doch alles so, wie’s kommen soll. Und bessern tut man selten etwas, wenn man Schicksal spielt ... Ich bin alle Tage froh, wenn ich mein Kind glücklich seh! und hätt’ nicht den Mut, etwas daran zu ändern.
Das Geld will ich vorläufig gern verwahren. Und wenn es doch einmal anders kommt, als ich es mir so denke, dann will ich es Ihnen zurückgeben.
So! Und nun habe ich mir alles vom Herzen geschrieben. Nun will ich schnell wieder zu meinem Kinde, das über Ihren Brief so unglücklich ist, dass sie heute nachmittag im Bureau fehlen musste. Das erstemal in viereinhalb Jahren.
In Hochachtung
Frau Mathilde Hoffmann.
Aenne Hoffmann
an Dr. Peter Reinhart.
Mein Peter!
Mir ist, als wenn ich durch die Zeilen Deiner Mutter urplötzlich ein anderer Mensch geworden wäre. Ich habe ja nie daran gedacht, dass so etwas kommen könnte. Ich habe überhaupt nie über uns nachgedacht — und das war wohl ein Fehler! Aber Du liesst es ja nie dazu kommen, und hattest am Ende auch recht. Denn sollten wir uns die wenigen Stunden, die mir von der Arbeit, Dir von Deinen gesellschaftlichen Pflichten blieben, auch noch kürzen und uns gegenseitig das Herz schwer machen?
Die Zeit reichte ja kaum aus für das, was wir uns so zu sagen hatten! Aber wenn ich dann nachher allein war, dann fielen mir oft tausend Dinge ein, über die ich mit Dir sprechen wollte. Wie oft nahm ich’s mir vor! Und wie fest! Aber wenn wir dann zusammensassen, war alles weggeflogen. Und doch soll man gewiss gerade, wenn man im Glück ist, an die Zukunft denken. Ich spreche nicht von meiner — du lieber Gott, was liegt an der! — Ich meine Deine! Und so ist es denn gekommen, dass wir uns, ohne zu denken, in das Gefühl hineingewöhnt haben, unsere Gemeinsamkeit sei etwas für unser Leben ebenso Selbstverständliches wie Notwendiges. Und davon werden wir nun nie mehr loskommen.
Das ist alles, was ich über uns weiss. Und wenn ich jemandem Rechenschaft darüber geben sollte, wie es möglich war, dass es dahin kam — ich wüsste nicht, was ich ihm sagen sollte. Mir selbst gegenüber — wenn ich zurückdenke — weiss ich nicht einmal, wie ich’s erklären soll. Dabei war ich doch kein Kind mehr und wusste, was ich tat, als ich Dir schliesslich in allem folgte.
Aber ich denk mir, Peter, wo wir mit unserer Vernunft unseren Gefühlen nicht beikommen können und uns selbst nicht denken können, warum es so ist, wie sollen da Dritte dazu imstande sein? Fernstehende, die ja nicht einmal ahnen, wie es in uns aussieht.
Ja sag, Peter, kann man gegen das, was uns verbindet und was von unserem Willen doch sicherlich unabhängig ist, was einfach da ist und sicher von Anbeginn an in uns war, und was darum nicht zu sein aufhört, weil wir oder Dritte es wünschen — kann man dagegen überhaupt mit Vernunft ankämpfen??
Etwa: man wäre der Meinung, das Grün der Bäume passe nicht zu dem Blau des Himmels; und bewiese das so, dass jeder Vernünftige sich der Beweisführung beugte. Etwas an sich doch durchaus Denkbares! — Dennoch würden der Himmel blau und die Bäume grün bleiben. Denn die Gesetze, denen sie unterworfen sind, liegen weit ab aller menschlichen Vernunft.
Genau so denke ich mir, ist es mit dem, was uns miteinander verbindet. Und diese Gewissheit ist es, Peter, die mir jetzt nach den Erregungen der ersten Tage meine Ruhe gibt. Ich habe über uns nachgedacht — zu meiner Schande gesteh ich’s: zum ersten Male! — und bin zu dieser Erkenntnis gekommen, die mich ganz ruhig und glücklich macht.
In Liebe
Aenne.
Dr. Peter Reinhart
an Aenne Hoffmann.
Gute Aenne!
Meinem Telegramm lasse ich schnell noch ein paar Zeilen folgen, da es mich quält, Dich in Unruhe zu wissen.
Schon dass Mama, um uns zu trennen, eine Zeit wählt, zu der ich fort und beinahe unerreichbar bin, muss Dir sagen, dass ihr Vorgehen ohne mein Wissen erfolgt. Denn es entspräche nicht meiner Art, selbst nicht in den unbequemsten Lagen, mich in Dingen, die mich angehen, hinter Dritte zu verstecken. Also!!
Und noch ein Weiteres bedenke: Was uns zusammenhält, ist weder die Folge von Vernunft und Berechnung, die Ehen stiftet, noch die Folge von Bequemlichkeit und Gewohnheit, die Ehen erhält — es ist einfach ein Gefühl des Zusammengehörens, es ist einfach Liebe, und damit basta!
So! Und nun sei vergnügt und freue Dich Deines Lebens, wie ich es tue!
Kuss
Peter.
Frau Geheimrat Reinhart
an ihren Sohn.
Mein lieber Junge!
Ich habe gar nichts dagegen, wenn Du Deinen dortigen Aufenthalt noch weiter ausdehnst. Es kann nach der anstrengenden Examensarbeit gar nichts Besseres für Dich geben, als einmal ein paar Wochen geistig völlig auszuspannen, gehörig Sport zu treiben und möglichst viel in frischer Luft zu sein. Der Ansicht ist auch unser Sanitätsrat. Und da Du das alles nirgends so beieinander findest wie dort, so wäre es töricht, kehrtest Du auch nur einen Tag früher als nötig nach Berlin zurück.
Von Rücksicht auf mich darfst Du nicht sprechen. Du kennst Deine Schwestern, die mich, während Du fort bist, mehr noch als sonst mit Liebe umgeben und dafür sorgen, dass ich, fast möchte ich sagen, nicht eine Stunde lang allein bin. Im Gegenteil: jeden Morgen, wenn ich erwache — und Du weisst ja, dass meine ersten Gedanken, auch wenn Du hier bist, stets Dir gelten, mein lieber, bester, einziger Junge! — bin ich glücklich in dem Gefühl, Dich dort zu wissen, wo Du bei so lieben Verwandten ganz nur Deiner Gesundheit lebst. Aus allen diesen Gründen bitt ich Dich: bleibe!
Ich begreife bei Deiner Passion für allen Sport vollkommen, dass Du Dich dort glücklich fühlst. Dass Du ausser allem andern noch die seltene Gelegenheit hast, bei anerkannt guten Spielern Golf zu erlernen, was längst Dein Wunsch war, kann nur ein Grund mehr sein, Dich zum Bleiben zu bestimmen.
Ich habe bereits die Anlegung eines Golfplatzes auf unserer Wannseeer Besitzung angeordnet, und Du kannst Deine Vettern und mit wem Du sonst dort noch Freundschaft schliesst, auffordern, einen Teil des Sommers bei uns zu verbringen.
Du siehst, dass es mir Freude macht, Dir Dein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich erwarte dagegen von dir nichts weiter, als dass Du Deine Pflicht tust. Ich weiss, dass ich darin im Sinne Deines in Gott ruhenden Vaters handle. Seine ganze Hoffnung warst Du; und immer wieder muss ich Dir seine letzten Worte in Erinnerung rufen: „Unseren Jungen musst Du nun glücklich machen. Vor allem sei nicht ehrgeizig mit ihm! Er braucht nicht der Erste zu sein und sich nicht hervorzutun. Sorge, dass er gesund und ordentlich ist und sein Leben geniesst.“
Sage, ob ich nicht immer danach gehandelt habe? Und nicht wahr, wir haben uns mehr als einmal in die Hand gelobt: in seinem Sinne weiterzuleben.
Ich weiss daher auch, dass es nur dieses Anstosses bedarf, um Dich zu bestimmen, Deine Beziehungen zu der kleinen Sekretärin, die mir natürlich nicht entgangen sind, abzubrechen. Denn als ordentlicher Mensch ist es vor allem Deine Pflicht, keines anderen Menschen Unglück zu verschulden. Du wirst aber zugeben, dass dies Mädchen noch länger an Dich fesseln, als dies leider schon der Fall ist, die an sich grosse Gefahr, sie unglücklich zu machen, vergrössern heisst.
Meine Versuche, Dir das immerhin Peinliche einer Trennung zu ersparen, sind an der Verliebtheit des Mädchens und der völligen Ahnungslosigkeit ihrer Mutter gescheitert. Diese Leute tun gerade so, als ob überhaupt keine sozialen