Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking

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und zu der Metten gon.

      Auf einem andern Blatte saß sie, in einem rotsamtnen, faltigen Kleide, über das tief hinab die reichen, vollen Locken niederhingen, auf einem Schemel; der Herr hatte ihr scheltend den Rocken fortgenommen:

      Hy wil er sy nit lan spinnen.

       Noch vil zittlichs Gut gewinnen.

      Nun kam ein Bild, wo er das arme Seelchen gar mit einem Stricke um den Hals an einen Galgen in die Höhe zog:

      Hy wil er sy hencken,

       Das sy von im nit mug wenken.

      Sie hatte die Hände über der Brust gefaltet und ließ sich verschämt und sittig die harte Prüfung ihrer Zärtlichkeit gefallen. Dann ein Blatt, worauf die Seele einen großen golden Pokal aus seinen Händen nahm, worüber geschrieben stand:

      Hie gitt er ir ain liebe trank,

       Das sy von im tun mug kainen wank.

      Bernhard hatte eine innige Freude an diesen kindlich naiven Auffassungen und Katharina legte sie ihm mit allerlei halbernsten Scherzen aus, wobei sie in ein seliges Schwatzen geriet, das kein Ende nahm, aber Bernhard um desto lieber war.

      Er besah das folgende Bild: Die gute Seele lief hochgeschürzt und flink wie ein Reh lachend über die blumige Aue, der Herr ebenso rasch hinter ihr drein, um sie zu erhaschen. Dann kam, wie sie mutwillig einen großen Bogen gespannt hatte; der Pfeil war mit den Widerhaken mitten in sein rotes Herz gedrungen, darüber stand:

      Mit der Minne stral schusset sy in.

       Das wil sy han für ainen gwin.

      »Wenn es solche Bogen noch gäb', es wär gefährlicher einem Stift nahe zu kommen, als im Mai in den Wald zu gehen, wenn die Gräser schießen und die Bäume ausschlagen«, sagte Bernhard lachend. Dann schlug er das letzte Blatt auf; die Seele und der Herr waren jetzt alles Neckens überdrüssig, sie drückte ihn an ihr Herz und er hatte um das rote Samtgewand die Arme geschlungen:

      Hie sind sy kommen yber ain

       Vnd wend nun alle ding han gemain.

      »Nein, nein«, rief Katharina; »sehen Sie erst dies, das ist allerliebst!« Sie schlug ein früheres Blatt auf: zwischen der minnenden Seele und dem Herrn hing ein großer, blauseidner Vorhang mit goldgestickten Sternen darauf; zur Linken dahinter stand sie, er an der andern Seite:

      Hie verbirgt er sich vor ir,

       Das entzündet werd ihr begir.

      »Ist das nicht hübsch? Wie sie traurig ist und klagt! Aber das ist auch bitter. – Sehen Sie, so!« Katharina sprang auf und huschte lachend hinter den Vorhang, der ihr Turmzimmer schloß.

      »Ich finde Sie schon wieder, Fräulein«, rief Bernhard; »hören Sie nur, was hier steht. O kommen Sie wieder, das ist gar zu –« er trat an den Vorhang und schlug ihn zurück.

      »Wo sind Sie, Fräulein? Fräulein?«

      Das Stiftsfräulein war verschwunden.

      Bernhard schaute in alle Ecken und öffnete leise ein paar Türen. Sie war nicht da. Er wartete, eine Viertelstunde, eine halbe – er mußte sich auf den Heimweg machen und konnte nicht begreifen, was dem Fräulein eingefallen sei. Wir können es auch nicht begreifen. Wer weiß alle die wundersamen Regungen eines Frauengemüts zu deuten, das sich selbst nicht zu deuten weiß und in dem jedenfalls die Gedanken mehr als duftige Blüten, denn als gereifte Früchte aufsprießen?

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      In dem Wohnzimmer zu Diependahl, wo die bestäubten Ahnenbilder hingen, hatten der lange Jagdjunker Philipp sich halb auf den gebohnten Klapptisch gesetzt und ließ eines seiner Beine in vergnügter Stimmung hin und her baumeln, während das andre den Teil seines Körpers stützte, den der Tisch nicht trug. Der anmutige junge Mann war damit beschäftigt, seine Base Josina zu necken, die sanftmütig genug war, keinen seiner derben Scherze übel zu deuten.

      »Ach, wie wird es hübsch sein!« sagte sie, ihre Filetarbeit fortwerfend und sich in die Sofaecke zurücklehnend, »O kommen Sie, setzen Sie sich hierher; hören Sie nur, welches Leben das sein wird: immer abends, wenn Sie von der Jagd zurückkommen, finden Sie Ihr Zimmerchen voll der schönsten Blumen und Ihren Meerschaum ganz blank und glänzend daneben; alle Pfeifen sind gestopft; wenn es kalt ist, dann hänge ich Ihren Schlafrock an den Ofen, daß er ganz, ganz warm ist, wenn Sie kommen.«

      »Und die Pantoffeln?« sagte Philipp lachend.

      »O, für die werd' ich auch schon sorgen. Die Zeitung les' ich Ihnen vor.«

      »Wenn ich sie hören mag.«

      »Ja und das alte Klavier lassen wir stimmen – o ich spiele so hübseh, wenn Sie's nur einmal anhören wollten.«

      »Aber jeden Abend muß Juno ihren Pfannkuchen und ich Reisbrei haben!«

      »Jeden Abend, Philipp!«

      Sie sprang auf und umarmte ihn. »Wir wollen leben wie Bruder und Schwester zusammen!«

      Philipp lachte in toller Freude laut auf, drückte seine unschuldsvolle Braut an sein Herz und tanzte mit ihr zweimal im Zimmer umher.

      In diesem Augenblicke öffnete sich die Tür und beiden unerwartet – denn noch nicht die halbe Zeit seiner Nachmittagsruhe war verflossen – trat der Hofrat ins Zimmer.

      »Alle Teufel, welche Wirtschaft ist das! Ruhe da! Hier, lest einmal!«

      Der Freiherr von Katterbach machte ein Gesicht, auf dem sich ein ungemessener Zorn spiegelte. Er warf ein Papier auf den Tisch. »Da, lest einmal! Nein, nun wird's mir zu toll, meiner Seel! Ich, ein Mörder! Den Hals will ich dem Schuft umdrehen!«

      Josina ordnete ihren etwas zerrütteten Anzug wieder und las das Papier. Es war die Insinuation der von Driesch eingereichten Klage mit der Vorladung des Freiherrn von Katterbach vor sein zuständiges Forum, um sich wegen des angeschuldigten Mordversuchs und Landfriedensbruchs zu verantworten, sub poena manu forti vorgeführt zu werden.

      Philipp und Josina fühlten einigen Schrecken bei den gefährlich lautenden Phrasen; aber Katterbach, der mehr damit vertraut war, fühlte nur Ingrimm gegen den Kläger.

      Nachdem er ausgetobt hatte, setzte er sich in die Sofaecke und ließ eine Weile schweigend seine blauen Augen rollen. Dann sprang er auf und sagte: »Nein, so soll's ihm nicht hingehen! Philipp, komm mal mit.« Er ging hinaus, Josina hörte sie darauf im Vorzimmer zusammen sprechen; endlich lachte Philipp, wie er noch nie gelacht und dann sah sie beide über den Hof in einen Speicher gehen. Nach einer Weile bewegte sich erst Philipps, dann Katterbachs Kopf an einer Dachluke des Bodenraums vorüber; später kamen sie wieder heraus, und Philipp trug einen ausgespannten Sack, in dem irgendein umfangreiches Instrument stecken mußte, denn er war an einigen Stellen wie von inneren Reifen ausgespannt. Philipp ging damit auf sein Zimmer, holte Hammer, Nägel und eine Schale mit Oel dazu und schloß sich dann ab, worauf man ihn hämmern und raspeln hörte. Der Hofrat sagte, er wolle noch den Abend nach Düsseldorf abreisen, obwohl der in der Ladung anberaumte Termin erst nach vierzehn Tagen eintraf. Er machte sogleich Anstalten dazu, ließ zwei Pferde satteln und ein drittes für einen Reitknecht, und als es dämmerte, ritten er, Philipp, der seinen Sack hinter sich hatte, und der Knecht zum Hofe hinaus.

      Am Abende des zweiten Tages nachher saß Herr von Driesch wieder allein der alten Margret gegenüber am Herdfeuer der Küche auf Bechenburg. Er hatte Bernhard, ihren Sohn gebeten, seinem Johannes eine Lektion im Lateinischen zu geben; sie saßen oben auf seinem Zimmer. Die Domestiken hatte er hinausgeschickt, und nachdem Lene, das Küchenmädchen, einen neuen Bündel Reisig auf die Flamme gelegt hatte, war auch sie fortgewiesen. Margret hatte einen Haspel auf ihre Knie gestellt und wand Garn auf.

      »Hört mal, Frau Fahrstein,« hub Herr von Driesch leise an, »da ist diesen Morgen ein wunderliches Subjekt bei mir gewesen.«

      »Unser


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