Blutrausch. Andreas M. Sturm

Blutrausch - Andreas M. Sturm


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zu tun hat, können wir nicht sagen.« Karin hob die Hände.

      Mit einem leisen Hüsteln machte Oberkommissar Rolf Brückner auf sich aufmerksam. »Eins stimmt schon mal nicht. Laut Aussage der Eltern von Weise haben die ihren Sohn vor einem halben Jahr zuletzt gesehen. Der war also nicht alle vierzehn Tage bei ihnen zum Essen. Entweder die Bergmann hat euch angelogen oder sie wusste es nicht besser. Der Kontakt beschränkte sich im Wesentlichen auf Geburtstags- und Weihnachtskarten.«

      »Kann ja sein, dass er seiner Mitarbeiterin das innige Verhältnis nur vorgeschwindelt hat, um wenigstens einigermaßen als Mensch durchzugehen«, warf Sandra ein.

      »Möglich ist es, aber wir merken uns das gut. Eventuell war doch mehr zwischen den beiden als nur eine simple Chef-Angestellten-Beziehung«, gab Karin zu bedenken. »Wie haben die Eltern den Tod des Sohnes verkraftet? War es sehr schlimm für dich?« Sie sah Rolf mitfühlend an.

      »Sie waren auf ihre Art traurig, es hielt sich aber in Grenzen. Obwohl beide das Rentenalter erreicht haben, sind sie noch schwer aktiv, und das war wohl schon immer so. Der Vater ist Mediziner und in der Forschung tätig, die Mutter bezeichnet sich als Mäzenin.« Rolfs Oberlippe kräuselte sich verächtlich. »Sie organisiert Kunstausstellungen. Ich hab nicht ganz verstanden, was sie da macht. Sie findet ihre Arbeit jedenfalls bedeutend. Nach meinem Empfinden war für den Sohn kein Platz im Leben der Eltern. Mit zwölf Jahren kam er auf ein Internat, danach kam das Studium.« Er stieß ein kurzes freudloses Lachen aus. »Kein Wunder, wenn der Filius auf Abstand gegangen ist.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, mehr hatte er nicht beizusteuern.

      Karin nickte Rolf anerkennend zu. »Gute Arbeit. Durch deine Infos können wir den Menschen hinter dem Anwalt wesentlich besser einschätzen.« Sie drehte sich im Stuhl und lächelte Jan auffordernd an.

      Der hatte nur auf Karins Signal gewartet und legte begeistert los: »Weise hat seinen Beruf streng vom Privatleben getrennt. Obwohl …« Jan machte eine vage Handbewegung. »Den Laptop aus seinem Haus hat der Mörder mitgenommen. Wir können also nicht sagen, ob er zu Hause gearbeitet hat oder nicht. Die Unterlagen, die ich in seinem Arbeitszimmer entdeckt habe, waren aber ausschließlich privater Natur. Wer die sichten darf, ist deine Entscheidung, Karin.« Er warf einen listigen Blick in Heidelindes Richtung.

      Die präsentierte ein Pokerface und tat, als hätte sie nichts gehört.

      »Den Rechner aus seiner Kanzlei habe ich gleich eingesackt.« Er langte unter den Tisch und legte eine Laptop-Tasche vor Heidelinde auf den Tisch. »Für dich. Ich hab natürlich reingesehen. Ist nicht passwortgesichert und eine Fundgrube für unsere Spezialistin.«

      »Schleimer«, entgegnete Heidelinde, ohne eine Miene zu verziehen.

      Karin hüstelte dezent. »Wir haben bereits die erste Beschwerde wegen dir bekommen, Jan. Eine ›Bachelor of Laws‹ hat angemerkt, dass die Kanzlei versiegelt ist, und das ohne Gerichtsbeschluss. Wenn die wüsste, dass du dir den Laptop gekrallt hast, würde die am Rad drehen.«

      Jan grinste spitzbübisch und schnippte eine SD-Karte über den Tisch zu Heidelinde. »Ich hab mir gedacht, wenn ich einmal da bin, kann ich gleich ein paar Akten fotografieren. Nicht, dass irgendein Anwalt um die Ecke kommt und uns den Zugang zur Kanzlei verwehrt. Allerdings steht dort so einiges in den Regalen, daher habe ich mich auf die letzten zwei Jahre beschränkt, sonst würde ich immer noch in der Kanzlei rumhängen.«

      Heidelinde beäugte die Karte mit einem kritischen Blick und legte sie dann ordentlich neben die Laptoptasche.

      Karin reckte Jan den ausgestreckten Daumen entgegen.

      Vor Zufriedenheit strahlend holte Jan tief Luft und wollte mit dem Bericht der Hausdurchsuchung weitere Pluspunkte sammeln, da stoppte ihn Günther Lachmanns Hand, die sich schwer auf seine Schulter legte.

      Unbemerkt war der Chef der KTU in den Raum geglitten und hatte still auf die Gelegenheit gewartet, sich zu Wort zu melden. Er beugte sich vor und klopfte auf den Tisch, ließ die andere Hand aber weiter auf Jans Schulter ruhen. »Sollte sich jemand von euch über die tiefen Augenringe wundern, die mein Gesicht zieren, ich habe bis zum frühen Morgen gearbeitet. Und kaum hatte ich mich hingelegt, reißt mich dieser Lümmel hier aus dem Schlaf. Sag mal«, er zog die Augenbrauen drohend zusammen und schaute Jan strafend in die Augen, »du gönnst es mir wohl nicht, dass ich wenigstens drei Stunden Schlaf bekomme?«

      Jan spielte den Zerknirschten und stammelte eine Entschuldigung.

      Knurrend nahm Günther seine Hand von Jans Schulter, wandte sich ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Wenn du hier fertig bist, bringst du mir einen Kaffee, stark und mit viel Milch, ist magenfreundlicher. Und wehe du schleppst die Automatenbrühe an. Geh zu Tchibo auf den Pirnaischen Platz und beeile dich auf dem Rückweg. Wenn der Kaffee kalt wird, musst du noch mal los.«

      Jan wagte keine Widerrede. Froh, so billig davongekommen zu sein, nickte er wortlos.

      Günther lehnte sich zurück und streckte sich, dass die Gelenke knackten. Dann grinste er freundlich in die Runde. »Wenn ihr auf Hinweise hofft, dann muss ich euch enttäuschen. Sämtliche Fingerabdrücke im Haus stammen vom Toten und einer zweiten, vermutlich weiblichen Person.«

      »Was macht dich so sicher, dass die anderen Abdrücke von einer Frau stammen?«, wollte Karin wissen.

      »Sind für Männerhände zu schmal.« Zur Bestätigung hielt er eine seiner Pranken in die Höhe. »An der Eingangstür haben wir Abdrücke zweier weiterer Personen gefunden. Den einen Satz Abdrücke konnten wir bereits zuordnen. Sie passten wie die Faust aufs Auge zu den Fingern des Herrn vom Schlüsseldienst. Den habe ich heute Morgen aufgesucht, um ihn zum Zustand des Türschlosses zu befragen. Viel konnte er nicht sagen, nur dass weder Tür noch Schloss Anzeichen von Beschädigungen aufwiesen. Das zweite Paar Fingerabdrücke wird von der Frau stammen, die das Verbrechen entdeckt hat. Das zu überprüfen, ist eure Sache. Tja, und zusätzlich hat der liebe Günther das Türschloss genau unter die Lupe genommen. Ein geschickter Einbrecher ist durchaus in der Lage, es mithilfe eines Picks zu öffnen. Da hat der Anwalt wohl an der falschen Stelle gespart.« Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben Haare und Hautschuppen aufgelesen. Mit der Auswertung der DNA-Spuren kann ich allerdings frühestens morgen dienen.«

      »Könnt ihr nicht einmal so schnell sein wie die Jungs bei CSI?« Sandra spielte die Genervte und verdrehte die Augen.

      Günther ignorierte die Bemerkung. »Das Einzige, was ich anzubieten habe, ist der Fußabdruck. Ja, der ist wirklich schön, Größe 48 und stammt von einem Dunlop Langschaftgummistiefel. Die Fotos und entsprechenden Daten liegen auf dem Server. Ihr müsst nur noch die dazugehörigen Füße auftreiben. So«, er stemmte sich hoch, »das war es für mich. Ich erledige noch den Schreibkram und dann mache ich Feierabend. Die Zeiten, in denen ich ungestraft eine Nacht durchmachen konnte, sind vorbei.« Bevor er den Raum verließ, formte er mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger ein V, zeigte zuerst auf seine, dann auf Jans Augen und nickte bedeutungsvoll.

      »Was?«, fragte Jan, nachdem er sich das Grinsen seiner Kollegen eine Weile angesehen hatte. »Ich wollte nur von ihm wissen, ob die Techniker das Haus freigegeben haben.«

      Karin unterdrückte ein Grinsen und winkte ab. »Ist das, was du gefunden hast, einen Kaffee wert?«

      »Und ob!« Jan war die Begeisterung über seine Ergebnisse deutlich anzusehen. »Zuerst das Offensichtliche. Haus und Garten waren mustergültig gepflegt. Ich tippe auf eine Reinigungskraft und einen Gärtner.«

      »Der Gärtner ist immer der Mörder«, trällerte Sandra los.

      Jan holte tief Luft. »Wenn ich dann weitermachen dürfte?«

      Sandra verbiss sich ein Grinsen und blickte angestrengt auf ihre Schuhe.

      »Jedenfalls denke ich nicht, dass der feine Herr Anwalt selbst geputzt und Unkraut gezupft hat.«

      Karin machte sich eine Notiz.

      »Der Täter hat nur das Antennen- und HDMI-Kabel zurückgelassen«, sprudelten die Worte weiter aus Jan heraus. »Die Netzkabel hat er mitgenommen. Der weiß genau, dass selbst der dümmste Ankäufer hellhörig wird,


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