Reni und die Ponys. Lise Gast

Reni und die Ponys - Lise Gast


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der kleinen Tiere gestreichelt und an sämtlichen Hälsen geklopft hatte. Auch Erikas Augen hingen gespannt an Vaters Mund. Der sah seine Frau an.

      „Zwei sogar, nicht?“ sagte er leise. „Deshalb haben wir ja keine Hochzeitsreise gemacht, damit wir uns die Ponys leisten können. Aber wählt mit Verstand, hört ihr?“

      Die Schecke war hübsch gezeichnet, schwarzweiß, mit einem dunklen Kopf, an dem ein schwarzes und ein weißes Ohr saß. Das bestach natürlich. Erika war entzückt von ihr, gleich anfangs, und Christian meinte, als er schließlich auch um seine Meinung gefragt wurde, sie sähe Erika ähnlich. Merkwürdigerweise störte sich niemand an diesem Ausspruch, denn irgendwie hatte er sogar recht. Nicht nur hatte Erika schwarze Zöpfe und sehr helle und klare Haut, auch in den Augen sah Christian eine Ähnlichkeit.

      „Können wir denn da auch noch drauf reiten?“ fragte Reni atemlos. Die Frau sah sie an und lachte.

      „Freilich, ein, zwei Jahre schon. Zwölf bist du? Wenn du nicht gar zu schnell wächst und schön schlank bleibst ...“

      „Ich eß von jetzt an ...“, sprudelte Erika,

      „... überhaupt nichts mehr“, vollendete der Doktor vergnügt. „Das hab ich mir immer gewünscht. Wo du uns doch immer die Haare vom Kopf gefuttert hast!“ Erika durfte ein Jahr lang im Heim bleiben, weil sie zu Hause einen so schrecklich schlechten Appetit hatte und sich rote Backen anessen sollte. Jede Woche fragte ihre Mutter besorgt und liebevoll an, wieviel ihre kleine Tochter zugenommen habe.

      „Welches Pony würdest du denn aussuchen?“ fragte Vater jetzt leise und sah Mutter an.

      „Den größeren Schwarzen dort“, antwortete sie ohne nachzudenken. Dabei wies sie auf ein Pony, das eigentlich gar nicht auffiel. Schwarz, ohne Abzeichen, stämmig und ruhig stand es da und rupfte Gras vom Boden.

      „Warum?“ wunderte sich der Vater.

      „Der trägt die Mädchen noch eine Weile“, sagte Mutter.

      Reni hatte sich in ein Schimmelchen verliebt, das einen sehr schönen, gebogenen Schwanz hatte.

      „Wie heißt es?“

      „Schneeflocke“, sagte Günter. Renis Augen glänzten.

      „Ich glaube, sie ist ein bißchen zierlich“, sagte Mutter zögernd. Sie konnte verstehen, daß jemand, der von Pferden nichts verstand, einfach nach der Farbe wählte. Sie sagte es der Besitzerin. Die lachte.

      „Da wäre Ihre Kleine nicht allzu gut beraten! Im Sommer, ja, da ist sie ein Schneeflöckchen, aber im Winter sind Schimmel nicht so hübsch. Dann ist das Fell gelblich und wirkt schmutzig. Wenn man also nach der Farbe aussucht, muß man es schon richtig machen. Der Dunkle da, den Sie meinen, sieht im Winter sogar noch besser aus. Tintenschwarz und sehr schön.“

      „Ein Hengst?“

      „Ja. Und mit der Schecke nicht blutsverwandt. Wenn Sie also eine kleine Zucht beginnen wollen, wären die beiden das richtige. Die Schecke bekommt übrigens nächstes Frühjahr ein Fohlen. So wäre der Anfang schon gemacht.“

      „Sagen Sie das den Mädeln nicht, das ist noch eine zusätliche Überraschung.“ Die Mutter hatte das ganz leise gesagt und lachte dabei in sich hinein. Die Frau nickte ihr zu. Nun hieß es also, Reni zu überreden.

      „Ich finde aber die Schneeflocke viel schöner“, sagte Reni betrübt und ein bißchen beleidigt, wenn sie es auch nicht merken lassen wollte. Erikas Wahl war sofort gutgeheißen worden, und ihre? Dabei hatte sie doch heute Geburtstag!

      „Aber siehst du denn nicht ein ...“

      „Freilich, den Hengst zu reiten, dazu gehört schon etwas mehr Schneid als zu einem Schneeflöckchen“, sagte Christian in diesem Augenblick. Es klang abfällig und wie nebenbei gesagt. Reni aber hatte es wohl gehört.

      „Meinst du, ich hätte Angst vor ihm?“ fragte sie gereizt. Christian zuckte die Achseln. Renis Augen blitzten.

      „Darf ich mal versuchen?“ fragte sie die Frau. „Auf dem da, dem schwarzen Hengst! Wie heißt er?“

      Er hieß Egon. Das war, wie die Mädchen fanden, eigentlich ein Grund, ihn nicht zu kaufen. Egon! Wie konnte man ein Pferd so nennen! Der größere der Jungen erklärte ihnen ein bißchen gekränkt, ein Hengst müßte nach seinem Vater heißen, jedenfalls den ersten Buchstaben des Namens mit dem Vater gemeinsam haben. Und außerdem könnte man ihn ja anders rufen.

      Freilich, das blieb ihnen unbenommen. Reni ließ sich auf das kleine Pferd hinaufhelfen. Nein, Angst hatte sie wahrhaftig nicht!

      Egon stand und ließ sich streicheln und in die Mähne fassen, und der Junge führte ihn ein Stück, während Reni sich um eine möglichst gute Haltung bemühte.

      „Du hast recht, das Pferd ist stärker als die andern und wird auch von den größeren Kindern im Heim geritten werden können“, sagte Vater zufrieden. „Nun muß aber auch Erika noch mal auf ihre Schecke klettern. Die darf doch noch geritten werden, auch wenn sie ein Fohlen bekommt?“

      „Bis Weihnachten ohne Bedenken“, sagte die Besitzerin, „und fahren kann man sie bis zum letzten Tag.“

      Reni versuchte ihren Hengst ein wenig in Trab zu bringen, aber er schüttelte nur den Kopf und begann zu grasen. Das sah nicht sehr schneidig aus.

      „Ich glaube, das ist Graf Egon der Faule!“ sagte sie und saß ab. „Aber warte nur, ich werde dir schon die Flötentöne beibringen!“ Sie versuchte, sich ihre Enttäuschung wegen Schneeflöckchen nicht mehr anmerken zu lassen. Graf Egon war zwar auch hübsch, aber es pikte in Renis Herzen, daß Erika heute an ihrem Geburtstag etwas Schöneres bekommen sollte als sie selbst.

      Lachte Christian? Wahrhaftig!

      „Was grinst du denn?“ fragte sie verdrossen und gab ihm einen Stoß in die Seite.

      „Ach, nur so. Heute früh bist du hochgesprungen, als du nur das Wort ‚Pony‘ hörtest, und jetzt ...“

      „Ach, jetzt! Was ist denn jetzt! Quatsch!“ unterbrach Reni ihn schnell und beschämt. Wie recht er doch hatte!

      „Ich freu mich so, Mutter. Und du findest ihn doch auch großartig, nicht wahr?“ fragte sie deshalb schnell und ein bißchen zu eifrig. „Darf ich ihn mir aussuchen? Und Erika die Schecke?“

      „Ja, wir lassen sie übermorgen holen“, sagte der Vater.

      So wurde es beschlossen, und die Erwachsenen gingen ins Haus. Die Mädchen aber und Christian blieben auf der Koppel. Sie konnten sich von der kleinen Herde nicht trennen. Und sie hatten so viele Fragen an die beiden jungen Gestütsbesitzer. Auch als sie nach Hause fuhren, waren sie noch ganz bei den Pferden. Ihre Münder standen nicht still, und sie warfen mit Fachausdrücken nur so um sich. Vater sah Mutter schmunzelnd im Rückspiegel an.

      „Bist du nun zufrieden?“ hieß dieser Blick. Mutter lachte. Es hatte sie immer ein bißchen gekränkt, daß Reni sich so wenig aus Pferden machte. Reni, ihre eigene Tochter! Jetzt aber schien mit einemmal der Knoten geplatzt zu sein, und das freute sie natürlich. Hoffentlich war es nicht nur ein Strohfeuer! Bei Mutter waren Menschen, die nichts für Pferde übrig hatten, eben keine oder nur halbe Menschen, mit denen es nicht lohnte, sich zu beschäftigen.

      „Manche Kinder reiten schon mit vier oder fünf Jahren“, erzählte Mutter. „Es ist sogar gut, wenn man zeitig anfängt. Voltigieren tun Kinder manchmal schon mit drei Jahren!“

      „Was ist denn voltigieren?“ fragte Tante Mumme. Sie wußte am wenigsten von Pferden und schien anzunehmen, daß dies etwas ganz besonders Grausiges und Gefährliches sei. Mutter lachte.

      „Zum Voltigieren nimmt man ein dickes, gemütliches, nicht zu großes Bahnpferd, das die meisten Dummheiten seines Lebens schon hinter sich hat“, erklärte die Mutter ruhig. „Auch ein Doppelpony mit einem so richtig breiten Rücken eignet sich dafür. Es bekommt einen Gurt umgeschnallt, an dem oben zwei steife Griffe angebracht sind. Dann läßt es der Reitlehrer an einem langen Zügel, einer


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