Rittmeister Segendorf. Elisabeth Krickeberg

Rittmeister Segendorf - Elisabeth Krickeberg


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Bauernblut, aber ich bekenne es mit Stolz, denn es ist unverfälschtes, deutsches Blut, und mein Geschlecht ist so alt und so ehrenwert wie das der Freiherren von Segendorf. Wenn also, wie es scheint, untadelige Herkunft der Massstab für den Wert des Menschen in den Augen der Baronesse bildet, so braucht sich das gnädige Fräulein nicht bedrückt zu fühlen, einmal einem Bauern weichen zu müssen, da das Wörtchen ‚von‘ ja lediglich Zufallswert hat.“

      Da hob sie den Kopf und sah ihn gross und furchtlos an:

      „Es scheint doch nicht so, Herr Müller. Wenn das Wörtchen ‚von‘ ursprünglich auch eine Zufallserwerbung war, die ebensogut Ihre Vorfahren wie die meinen äusserlich erhöhen könnte, es hat daneben doch auch eine innere Bedeutung, die Mahnung und Pflicht zu verfeinerter Kultur. Sie wissen so gut wie ich, und sogar noch etwas länger als ich, dass einige meiner Vorfahren als Menschen schlimme Fehler gehabt haben, sie hätten aber sicher zu ritterlich empfunden, um eine Dame ihre Überlegenheit in dieser Art fühlen zu lassen und ihr durch einen Vergleich, der zu ihren Ungunsten ausfallen muss, die Röte der Scham ins Gesicht zu treiben. Grossvater sagt, wir sind Ihnen viel Dank schuldig, und ich müsste glücklich sein, dass mir Ihre aufopferungsvolle Tüchtigkeit mein dereinstiges Erbe erhält. Ich bin es nicht, ich kenne nichts Demütigenderes, als ein pekuniäres Geschenk aus fremden Händen annehmen zu müssen, und es wäre mir lieber, durch eigene Arbeit mir mein bescheidenes Brot erwerben zu dürfen, als zeitlebens gewissermassen von Almosen zu leben. Ich kann Ihnen also nicht so danken, wie ich es müsste,“ ihre Stimme wurde erregter, „ich kann’s um so weniger, als ich nicht besser als Grosspapa verstehe, warum Sie, gerade Sie, sich zu unserem Retter gemacht haben. Ein Mann wie Sie tut nichts ohne Grund, und welcher Grund könnte Sie dazu getrieben haben, das Ihnen gänzlich fremde Geschlecht der Segendorf vor einem schimpflichen Ruin zu bewahren, ohne dass Sie selber den geringsten Vorteil, ja eigentlich nichts weiter als Last und Mühe und womöglich zu allerletzt noch argen Undank dabei haben?“

      „Also mit andern Worten, Sie wittern geheime egoistische Beweggründe hinter meinem Verhalten.“ Er sagte es kurz und hart, und jetzt redete er sie auch direkt an. „Eines Tages werde ich darauf antworten, nicht heute und nicht Ihnen. Eine Frau, die so unklug ist, aus verletzter Eitelkeit einem kleinlichen Zorn so viel Macht über sich selbst einzuräumen, dass sie sich nicht scheut, die ganze Zukunft ihrer Familie zu dessen Befriedigung aufs Spiel zu setzen, ist nicht reif genug, ernste Sachen ernsthaft mit ihr zu verhandeln. Nur so viel will ich Ihnen noch sagen, dass Sie mir gar keine grössere Beleidigung antun könnten, als wenn Sie je daran dächten, mir zu danken. Meine Hilfe leiste ich lediglich und nur ganz persönlich dem Herrn Baron, die Familie Segendorf geht mich nichts an, und ich werde ja doch für meine Arbeit bezahlt, so gut wie die Mägde und Knechte!“

      Ein schneidender Hohn lag jetzt in seiner Stimme. War es nicht gerade, als ob dieser Mensch ihre Gedanken lesen könnte? Er lüftete seine Mütze, wandte sich, und ohne sich noch weiter um sie zu kümmern, ging er von dannen, hoch aufgerichtet, mit festen, energischen Schritten.

      Nun war es gänzlich aus zwischen ihnen, und eine Versöhnung, ja nur ein gleichgültiges Nebeneinander für immer vorbei.

      Mite lief umher „wie ein Kossäte, dem die Schoten verhagelt sind“, meinte der Grosspapa drastisch, aber im geheimen ruhten seine Augen mit Sorge auf ihr, wie die der Frau von Siebenstein. Das Mädel war blass und still, und sie hielt sich ganz für sich. Dabei lag auf ihrer Stirn ein finsterer Schatten, der ihre einst so sonnige Art sehr zum Nachteil veränderte.

      Die Mite in ihrer taufrischen, strahlenden Blondheit war dazu geschaffen, Heiterkeit und Behaglichkeit um sich zu verbreiten, jetzt fröstelte es den Grosspapa in ihrer Nähe, und sie selber konnte nicht gedeihen in einer Umgebung, der es an Licht und Wärme fehlte.

      War es denn wirklich möglich, dass der Inspektor Müller diese nachteilige Veränderung bei seinem Herzenskind hervorgerufen hatte? Hasste sie ihn so sehr, dass sie seelisch elend dabei wurde? Das war doch schier ein Unding, dazu lag doch kein einziger triftiger Grund vor — verletzte Mädcheneitelkeit pflegt sich doch sonst nicht so bitter tragisch zu äussern.

      Er fragte Frau von Siebenstein, was sie davon halte. Die zuckte die Schultern. So etwas müsse man gehen lassen, wie es ginge, mit ungeschickten Fingern könnte man da viel Unheil anrichten, solch junges Mädchen habe eben manchmal seine Launen.

      Launen! grollte der Baron, wenn ein alter Mensch Launen habe, so sei das allenfalls verzeihlich, aber ein junger, dem der Himmel noch voller Geigen hinge? Das wäre ja noch schöner! Und das glaube er auch nicht von seiner Mite. Er war ärgerlich, Frau von Siebenstein nahm das sehr leicht, möglicherweise war das Kind krank.

      Dann kam ein Tag, da stieg dem alten Herrn doch auch einmal wieder ein Zorn gegen diesen Müller zu Kopf.

      In der Umgegend war Manöver, die Einquartierung hatte sich jedoch nicht bis nach Segendorf hinziehen sollen, aber dann stellte sich plötzlich starker Regen ein, ein angesetztes Biwak konnte nicht stattfinden, und die Truppen bezogen Notquartiere. Auf Gut und Dorf Segendorf verteilte sich eine Schwadron Ulanen, ausserdem nahm der Regimentsstab auf Schloss Segendorf Unterkunft.

      Müller war am Morgen, von diesem Überfall nichts ahnend, in Geschäften nach der Stadt geritten und noch nicht wieder daheim, als die Einquartierung einrückte.

      Der Baron, hocherfreut über den unverhofften Besuch von Kameraden, bewillkommte eben den Oberst Grafen Bengerow auf der Rampe vor dem Schloss, als in höchster Eile Müller angaloppiert kam. Er hatte unterwegs von der Einquartierung gehört und ihr möglichst zuvorkommen wollen, um seine Anordnungen zu treffen.

      „Donnerwetter, ein schönes Tier!“ rief der Oberst unwillkürlich, als der Inspektor von dem schweissgebadeten Goldfuchs sprang. „Was,“ unterbrach er sich erstaunt, „das ist ja Kamerad Müller, wie kommt der hierher?“

      „Wer?“ fragte der Baron, „Kamerad Müller?“

      „Freilich, Oberleutnant der Reserve in meinem Regiment, kennen Sie den Herrn nicht?“

      „Ob ich ihn kenne! — Es ist mein Inspektor ... Kamerad Müller ... das muss ein Irrtum sein, Herr Graf.“

      „Ich bin eher geneigt, es für einen Irrtum zu halten, dass dieser Herr Ihr Inspektor — Verzeihung; aber es scheint so unglaubhaft, sein Vater besitzt selber ausgedehnte Güter drüben in Ostpreussen ... schwer reich — ein Grossgrundbesitzer. Das Offizierskorps verkehrt viel draussen auf seinem Gut; ein jüngerer Sohn steht als Leutnant bei den Danziger Husaren, und seine Tochter ist mit Rittmeister Behrendahl verlobt, der mit seiner Schwadron drüben in Herbstwalde im Quartier liegt. Und Hans Georg ist Inspektor bei Ihnen?“

      Der Baron starrte den Sprecher verständnislos an. „Das begreife, wer kann.“

      „Ja, mein Gott, wissen Sie denn das alles nicht? — Übrigens wenn Sie es mir nicht glauben wollen, da sehen Sie, wie die jungen Offiziere ihn als Kameraden und Freund begrüssen!“

      Der alte Herr schüttelte noch immer ratlos den Kopf. „Dann hat mich dieser Müller unverantwortlich hintergangen! — das heisst, verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Graf,“ lenkte er schnell ein, als er den misstrauisch erstaunten Blick des Obersten auffing, „er hat mir nicht etwa Falsches vorgeflunkert! Dieser Mensch ist ein Ehrenmann im wahren Sinn des Wortes, aber er hat mir jeglichen Aufschluss über seine Herkunft vorenthalten. Ich weiss nicht einmal, dass er noch einen Vater besitzt. Als simpler Wirtschaftsbeamter ist er für ein bescheidenes Gehalt bei mir eingetreten, und er hält sich ganz in den Schranken eines solchen, erhebt nicht die geringsten Ansprüche auf standesgemässe Behandlung und arbeitet dazu für zwei. Was bedeutet das? Was bezweckt er damit?“

      „Das kann ich freilich nicht wissen, Herr Baron; aber ich meine, sein Reitpferd allein verrät, dass er kein simpler Inspektor sein kann.“

      „Gewiss, das hat auch mich in Erstaunen gesetzt; aber da sein Besitzer so gar kein Aufhebens von der eigenen Person machte und seine untergeordnete Stellung durchaus in der Ordnung zu finden schien, habe ich mich schliesslich mit dem Gedanken abgefunden, dass er der Sohn irgendeines wohlhabenden einfachen Mannes vom Lande, eines Bauern, Schneidemüllers oder dergleichen sei, und da er aus Ostpreussen stammt, möglicherweise Beziehungen


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