Rittmeister Segendorf. Elisabeth Krickeberg

Rittmeister Segendorf - Elisabeth Krickeberg


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wenn er das Geschäft mit Ihnen ablehnt. Die alten Geschichten noch weiter aufzurühren, ist unnütz, aber ich wünsche nicht, dass Sie sich ferner auf Gut Segendorf blicken lassen.“

      Löb wollte sich dagegen wehren, bitten, jammern, aber des alten Herrn Zorn war einmal erregt. Er öffnete kurzerhand die Türe: „Bitte!“, und der Händler musste verschwinden.

      Einen Augenblick herrschte Schweigen im Zimmer, dann sagte des Inspektors Stimme, wieder vollkommen beherrscht: „Es tut mir aufrichtig leid, Herr Baron, dass ich mit meiner Art der Verwaltung Ihres Gutes so oft Ihr Missfallen erregen muss. Sie bereuen vielleicht längst, mich angenommen zu haben. Das würde mir sonst genügen, mich freiwillig zurückzuziehen — wenn ich es jetzt und hier nicht tue, so geschieht es, weil ich einsehe, dass mein Weggang die schwerste Schädigung, vielleicht den Ruin des Gutes bedeuten würde, und — weil ich meine Ehre dareinsetze, das, was ich mir einmal vorgenommen habe, auch zu einem anständigen Ende zu führen.“

      Die lauschende Mite konnte sich nicht helfen, sie musste ihrer Empörung über diesen anmassenden Menschen durch ein nervöses Auflachen Luft machen. „Hören Sie nur, Tante Siebenstein, sein Weggang würde den Ruin des Gutes bedeuten! Dieser Mensch platzt eines Tages noch vor Selbstüberhebung. Was wird Grossvater dazu sagen? Wenn er ihn doch nur einmal in seine Schranken weisen möchte.“

      Der alte Herr räusperte sich: „Hm! — Meine persönliche Empfindung kommt hier nicht in Betracht, sondern nur das Geschäftliche, und da muss ich Ihnen antworten, Herr Müller, es ist nicht richtig, was Sie sagen, Ihre Verwaltungsart hat durchaus nicht mein Missfallen erregt, sondern mich lediglich befremdet, weil sie mir etwas zu radikal erscheint, und ich hegte die Befürchtung, dass Sie sich begnügen würden, einzureissen, um dann eines Tages zu gehen und mir das Wiederaufbauen zu überlassen. Da Sie mir aber jetzt gesagt haben, dass Sie Ihr Werk zu einem anständigen Ende führen werden, so glaube ich Ihnen unbedingt und bin beruhigt. Ich gestehe Ihnen auch unumwunden zu, dass ich meine, Sie sind auf dem rechten Weg, wie ja jetzt wieder die Angelegenheit mit dem betrügerischen Agenten bewiesen hat. Dass ich zunächst nicht besonders beglückt darüber sein kann, so viele Schäden in der alten Verwaltung aufgedeckt zu sehen, ist wohl verständlich, es birgt zu viele Beschämung für mich — was ich meinerseits aber nicht verstehe, ist: Wie kommen gerade Sie dazu, sich dieser Herkulesarbeit hier, na, sagen wir geradeheraus, dem Ausmisten eines solchen Augiasstalles zu widmen? Ich habe den Eindruck, als ob Sie das nicht nötig hätten.“

      Mite ballte ihre kleine Faust. Das fehlte noch, um ihn vollends eingebildet zu Machen. „Ich verstehe Grosspapa nicht“, schalt sie in heller Empörung.

      Einen Augenblick zögerte der Inspektor mit der Antwort, dann sagte er: „Nehmen Sie an, Herr Baron, es sei eine Art Kraftprobe für mich. Ich möchte mir selber einmal beweisen, was ich zu leisten imstande bin. Gut Segendorf wieder in die Höhe zu bringen, ist eine Art Examensarbeit für mich.“

      „Nun, dann kann ich Ihnen nur vollen Erfolg wünschen — nicht um meines pekuniären Vorteils willen, aber es wäre eine Beschämung und Demütigung für mich, schliesslich vielleicht sehen zu müssen, dass Sie Ihre Kraft und Fähigkeiten nutzlos vergeudet haben.“

      „Nutzlos für mich in keinem Fall, Herr Baron, ich lerne hier in dem halben Jahr mehr, als ich früher in einem geregelten und gesicherten Betrieb in zehn Jahren gelernt habe; aber hoffentlich auch nicht nutzlos für Sie. Heute kann ich noch keine Versprechungen machen.“

      Mite warf sich ganz verzweifelt in ihren Stuhl zurück: „Grossvater hat all seinen Schneid eingebüsst, seitdem wir auf Segendorf sind! — Weisst du, Tante, was ich wünsche? — Der Herr Inspektor kommt mir einmal in den Weg, dann soll er sehen, dass ich mich nicht seiner angemassten Überlegenheit beuge.“

      „Aber, Mite, siehst du denn wirklich nicht ein, was der Mann für uns leistet?“

      „Das ist einfach seine Pflicht, Tante, nachdem er die Stellung bei uns angenommen hat. Er hat kein Recht, sich darauf so viel zugute zu tun. Grosspapa war doch wahrlich in einer höheren Stellung als er und hat seinen Vorgesetzten Subordination leisten müssen.“

      „Ich glaube, Mite, du stehst im Begriff, eine grosse Unklugheit zu begehen“, sagte Frau von Siebenstein. „Aber es nützt nichts, ein Kind vor dem Feuer zu warnen, es muss sich erst einmal selber die Finger verbrannt haben, ehe es lernt, es zu scheuen.“

      Mite warf das Köpfchen in den Nacken: „Vor dem Verbrennen fürchte ich mich gar nicht, und scheuen, den Herrn von Müller, wie Löb Baruch sagt — ich? — Tante, das glaubst du doch selber nicht.“

      Frau von Siebenstein lächelte still vor sich hin, ohne zu antworten. Dumme, kleine Mite.

      4. Kapitel.

      Und der Tag kam bald, an dem sich Mite die Finger verbrannte, gründlich. Man befand sich in den Hundstagen mitten in der Ernte, und die Sonne schien mit einer so erbarmungslosen Glut auf die Erde hernieder, dass jeder, der nicht unbedingt hinaus musste, gern zwischen den kühlen Wänden des Hauses blieb. Mite hatte schon eine Woche lang den Grosspapa nicht auf seinen Ritten begleitet. Sie fürchtete die Hitze, und dann — Grosspapa ritt jetzt immer nach den Ernteschlägen, um die Leute bei der Arbeit zu beobachten.

      Der Inspektor hatte eine Mähmaschine angeschafft, die tadellos arbeitete und eine grosse Ersparnis an Arbeitskräften bedeutete; die zog den Baron an. Ihn beschäftigten auch die sozialen Massnahmen seines Inspektors. Er war der einzige Gutsverwalter der ganzen Gegend, der die Leute von elf bis zwei Uhr in der grössten Tageshitze pausieren liess und dabei doch mehr schaffte als alle andern, weil die Leute frisch blieben bei der Arbeit. Er liess ihnen auch während des Tages abgekochtes Wasser mit Fruchtsaft vermischt reichen. Der Baron erzählte es beifällig im Familienkreise, ihn selber begann die Wirtschaft zu fesseln.

      „Ja, wenn man sieht, wie es klappt und vorwärtsgeht, und einem nicht auf Schritt und Tritt tausenderlei Unannehmlichkeiten in den Weg kommen! Es ist eine Freude, zu sehen, wie willig die Leute ihrer schweren Arbeit obliegen. Müller mag persönlich sein, wie und was er will, in seinem Fach ist er ausgezeichnet, der geborene Organisator, und ich muss es mir als ganz besondern Glücksumstand anrechnen, dass ich ihn für Segendorf gewonnen habe.“

      Mite rümpfte das Näschen, mochte er ihretwegen ein tüchtiger Wirtschaftsbeamter sein, als Mensch war er ein Plebejer, ein Bauer, mehr als das, ein Flaps. Als Tante Siebenstein vor einigen Tagen die Frau des Kutschers wie gewöhnlich zum Waschen der Wäsche im Schloss verlangte, hatte dieser Müller ihr sagen lassen, die Frau sei jetzt dringend nötig, den Ernteleuten die Beköstigung zu besorgen, die Herrschaft möchte die Wäsche vierzehn Tage aufschieben oder die Siebeln zum Waschen nehmen. Unerhört! — Die Siebeln war ein altes, klappriges Weib, und die Kutscherfrau hatte schon, solange sie auf Segendorf weilten, im Schloss Aushilfe geleistet. Aber die Tante Siebenstein mit ihrer unbegreiflichen Vorliebe für diesen Müller hatte sich natürlich stillschweigend gefügt und die Wäsche vierzehn Tage hinausgeschoben. Sie, Mite, war wirklich die einzige, die sich von dem anmassenden Wesen dieses Inspektors nicht einschüchtern liess.

      Aber in ihren Ärger über den Inspektor mischte sich doch auch die Neugier. Einen Blick auf die neue Maschine und die so willig arbeitenden Leute mochte sie doch auch einmal werfen, natürlich nur ganz nebenbei, wie zufällig, und das konnte am besten geschehen, wenn sie den Grosspapa wieder einmal auf einem Ausritt begleitete. So beauftragte sie den Reitknecht, ihre Stute zu satteln.

      Der sah sie einen Augenblick verdutzt an, dann berichtete er kleinlaut, dass das nicht möglich sei, denn die Stute sei noch nicht von der Milchlieferung aus der Stadt zurück.

      „Was?“ fragte Mite, die nicht recht gehört zu haben meinte, „von der Milchlieferung, meine Sibylle?“

      „Ja, wissen das gnädige Fräulein nicht, dass die Sibylle an Stelle des Joseph schon seit acht Tagen im Milchwagen geht?“

      „Und der Joseph?“ stiess sie hervor.

      „Der ist in die Mähmaschine gespannt.“

      Siedendheiss stieg Mite der Zorn über diese unglaubliche Eigenmächtigkeit des Inspektors zu Kopf. Ihr Reitpferd zum Milchfahren erniedrigt!


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