Evolution ohne uns. Jay Tuck

Evolution ohne uns - Jay Tuck


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hat, der auf der Gehaltsliste von Wladimir Putins Gazprom steht.

      „Es gibt zwischen Staaten keine Freundschaften“, erklärte mir ein ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes am Rande einer Sicherheitskonferenz. „Es gibt nur Interessen.“14

      Da kann es niemanden ernsthaft überraschen, dass NSA und CIA ihre langen Ohren in Richtung Berlin ausstrecken. Spioniert wird überall und immer, auch unter Freunden. Das ist bekannt. Und wird abgestritten. Es ist der Beruf des Geheimdienstlers – lauschen, leugnen und – wenn es sein muss – lügen.

      Die Empörung war scheinheilig.

      Deutsche Dienste spionieren fleißig mit – auch gegen Freunde, auch gegen Amerika. Knapp einen Monat nach der Verhaftung des US-Spions flatterten Belege in die Redaktionen deutscher Zeitungen. Aufgetaucht – wahrscheinlich nicht zufällig – war das BND-Protokoll eines abgehörten Telefonats mit US-Außenministerin Hillary Clinton. Im Oktober 2011 hatte sie mit ihrem Handy aus einer amerikanischen Militärmaschine telefoniert. Dem BND liegt ein vollständiges Protokoll im Wortlaut vor.

      Die Pressestellen der Regierung hatten gerade angefangen, die Dementi-Maschinen anzuwerfen, als kurz darauf ein weiteres Abhörprotokoll auftauchte. Clintons Nachfolger im Amt, John Kerry, wurde bei einem vertraulichen Nahost-Gespräch mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan belauscht.

      Wie die Mitschnitte auf Festplatten des BND landeten, wurde nie geklärt. Der Regierungssprecher erklärte kleinlaut, es habe keine gezielten Abhörmaßnahmen gegen die amerikanischen Amtsträger gegeben. Die vertraulichen Mitschnitte waren im Rahmen anderer Operationen entstanden. „Beifang“ nannte man das beim BND.

      „Idiotisch“ nannte es ein Regierungsbeamter. Eigentlich hätten alle Aufnahmen mit US-Politikern sofort gelöscht werden müssen. Sagte er. Dabei ist eines klar:

      BND und CIA hatten beide die goldene Regel der Spionage gebrochen:

      „Lass dich niemals erwischen.“15

      Kurz nachdem die BND-Abhörprotokolle von Clinton und Kerry an die Öffentlichkeit gelangt waren, folgten Belege, dass die Bundesrepublik Deutschland auch andere NATO-Freunde belauscht. Ganz offiziell gehörte der NATO-Partner Türkei zu den erklärten Zielen der BND-Spionage. Seit vielen Jahren.

      In einem geheimdienstlichen Grundsatzpapier aus dem Jahr 2009 wurde der Türkei eine hohe Priorität für den BND eingeräumt. Einige Tage später folgte die Enthüllung, dass der NATO-Partner Albanien ebenfalls langjähriges Spionageziel des BND war. Auch Maßnahmen gegen befreundete Länder wie Frankreich und Italien wurden ausdrücklich erwähnt.

      Ja, Freunde spioniert man aus.

      Das ist einfach so.

      Enthüllungen, die keine waren

      Edward Snowden hat seine Dokumente nicht gleichzeitig veröffentlicht. Wie ein guter PR-Manager wusste er, dass die Wirkung damit verpufft wäre. Er hat seine Pressemitteilungen in Paketen portioniert. Jeder Journalist sollte eine eigene Enthüllungsgeschichte bekommen – exklusiv für sein Heimatland, maßgeschneidert für seine Leserschaft. Die Veröffentlichungen erfolgten nach strengem strategischen Zeitplan, den Snowden mit seinem vertrauten Journalistenkumpel Glen Greenwald ausgearbeitet hat – mit Unterstützung der Wiki-Leaks-Anwältin Jesselyn Radack. Ungeklärt ist die Mitwirkung von russischen Ratgebern.

      Auf jeden Fall hat Radack gern NSA-kritische Kommentare der russischen Presse angeboten. In einem Interview für Voice of Russia kritisierte sie massiv die Arbeit der US-Dienste. Russische Spionage erwähnte sie nicht.

      Viele Dokumente, die Snowden groß ankündigte, waren kaum Enthüllungen. Aber Dokumente mit der Aufschrift „Top Secret“ kommen bei Journalisten immer gut an. Ihnen wird ein prominenter Platz und eine fette Schlagzeile eingeräumt. Dazu zählten PowerPoint-Präsentationen zur Orientierung von neuen Mitarbeitern. Sie trugen zwar die Überschrift Top Secret/NoForn (Geheim/für Ausländer gesperrt), beschrieben aber NSA-Programme nur in groben Zügen – ohne vertrauliche Namen, Gesprächsinhalte oder sensible Quellen.

      Sie hatten die Brisanz eines Organogramms.

      Mehrere Programme waren längst eingestellt.

      Mauscheleien am Meeresboden

      Für viele Bundesbürger waren die groß angelegten Lauschangriffe der NSA auf Unterseekabel schockierend. Für Eingeweihte nicht. Seit Jahrzehnten stehen sie in der Presse. Im Parlament und in der Politik hat man ausgiebig, langjährig und in aller Öffentlichkeit über die enge Zusammenarbeit zwischen NSA und der britischen Lauschbehörde Government Communications Headquarters (GCHQ) debattiert.

      Bereits 1992 wurden Details der gemeinsamen Lauschangriffe in Anhörungen des US-Senats öffentlich. Seitdem ist bekannt, dass die gesamte Telekommunikation zwischen Nordamerika und Europa auf dem riesigen NSA-Stützpunkt Manwith Hill in North Yorkshire routinemäßig mitgeschnitten wird. Die Ergebnisse werten London und Washington gemeinsam aus. Supercomputer der NSA durchsuchen alle Gespräche nach Anschlüssen und Identitäten, Schlüsselwörtern und Stimmabdrücken, die aus Sicht der Spionagebehörde interessant sind.

      Inzwischen sollen NSA und GCHQ über uneingeschränkten Zugang zu über 200 Unterseekabeln weltweit verfügen. Allein das NSA-Teilprogramm Tempora verdaut rund 21 Millionen Gigabyte am Tag. Rund 550 Analytiker von NSA und GCHQ sind mit der Auswertung beschäftigt.

      Die größte Leistung bringt dabei Kollege Computer, der mit Künstlicher Intelligenz ihre Such- und Sortiersysteme immer weiter verfeinert.

      Auch in deutschen Medien sind die groß angelegten Lauschprogramme der NSA seit Langem Thema. Im Jahr 2000 veröffentlichte zum Beispiel Der Spiegel geheime Details über das NSA-Programm Echelon:

      „Dass die Vereinigten Staaten und Großbritannien mit ihrem Abhörsystem Echelon die eigenen Verbündeten ausschnüffeln, war ein offenes Geheimnis. Jetzt ist es keines mehr.“16

      Lauschen in der UNO

      Für große Empörung sorgte auch die Snowden-Enthüllung, dass die NSA geheime Beratungen der UNO in New York belauscht. Dabei gehören Abhöraktionen in den Vereinten Nationen seit eh und je zum Alltag. Mit dem Bau des Gebäudes begannen Spione aller Couleur, mit Schleifgerät und Bohrmaschine die Wände zu durchsieben. Im Jahr 1960 präsentierte der US-Botschafter Henry Cabet Lodge einen Holzschnitt des US-Staatswappens, das ihm von einer russischen Schulklasse geschenkt wurde. Versteckt im hübschen Wandschmuck war eine Wanze des russischen Geheimdienstes KGB.

      Manche Diplomaten witzeln darüber, dass es an ein Wunder grenzt, dass das UN-Hochhaus an der New Yorker First Avenue noch steht. Eigentlich müsste die Statik durch Wanzenlöcher längst zusammengebrochen sein.

      Diplomaten-Treffs bieten eine einmalige Gelegenheit, an die Verhandlungstaktik fremder Staaten heranzukommen. So überrascht es nicht, dass Snowdens Dokumente Abhöraktivitäten von NSA und GCHQ beim G20-Treffen 2009 in London belegten. Angezapft wurden – so Snowden – Mobiltelefone, E-Mails und Laptops. Mit Keyloggern wurden alle Tastatureingaben festgehalten.17

      Die Beobachtung solcher Gipfel ist keine Einbahnstraße. Auch für den ehemaligen Geheimdienstler Wladimir Putin sind sie interessant. Als sich die Staatschefs am 5. September 2013 in St. Petersburg versammelten, war das für seine Dienste ein Heimspiel. Unter den Giveaway-Geschenken, die Besucher vom Gastgeber erhielten, war ein hübscher USB-Stick mit buntem G20-Logo. Darauf – wie der BND später in Brüssel entdeckte – war ein Trojaner, der Laptops und heimische PCs für die Russen ausspionieren sollte.

      Es ist eigentlich selbstverständlich für Spione.

      Ausspähen ist ihr Beruf.

      Der bessere BND

      Im August 2014 wurde ein hochgeheimes Strategiepapier des Bundesinnenministeriums im Bundeskanzleramt vorgelegt. Spezialisten


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