Der Krummbacher und der Katzengusti. Karl Friedrich Kurz

Der Krummbacher und der Katzengusti - Karl Friedrich Kurz


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zählte er, dass es laut klingelte und klirrte. Vorn am Tischrand, gegen den Gusti hin, machte er drei Häuflein, auf jedem zehn Stück.

      „Da schau Gusti, das ist dein, wenn du mir ’s Häuslein gibst!“

      Einen Augenblick sah der Gusti gierig nach dem Gelde hin, dann aber gruben sich ein paar tiefe Furchen in seine Stirn. Er ärgerte sich, dass der Ammann ihn übertölpeln wollte wie einen gewöhnlichen Bauern. Darum sagte er scharf:

      „Ich hab’ auch schon Geld in der Tasche gehabt.“

      „Aber wenn du mir fünfzig Feufliber gibst, dann kannst es haben,“ fügte er nach einer kleinen Weile hinzu.

      „Bist verrückt, Gusti? Fünfzig Feufliber, für die Hütte!“

      „Wenn sie dir nit gefällt, so brauchst sie ja nit zu kaufen,“ meinte der Katzengusti trocken.

      „Lass mit dir reden, Gusti!“ lenkte der Ammann ein. „Fünfzig Feufliber ist zu viel, das weisst du selber. Ich will dir fünfunddreissig geben!“

      „Fünfzig will ich haben und keinen Rappen weniger.“

      Der Ammann merkte da, dass nichts zu machen war. Er nahm die Feder und schrieb auf einen Bogen Papier:

      „Wir, Otto Pfluger, Ammann von Krummbach, bezahlen heute dem Katzengusti für sein Haus an der Dorfstrasse hundert Fünfliber in bar. Der bisherige Eigentümer bestätigt den Empfang der Kaufsumme und erklärt sich anfort aller Rechte verlustig.“

      Dann Zählte er zu den dreissig Silberstücken noch zwanzig hinzu.

      ,,Da, kannst unterschreiben, dass dein Geld bekommen hast,“ sagte er zum Katzengusti und schob ihm das Blatt hin.

      Der nahm das Papier und sah eine Zeitlang darauf. Dann unterzeichnete er und streckte es dem Ammann wieder hin. Ohne es loszulassen, strich er das Geld ein.

      „So gib doch die Quittung her!“ sagte der Ammann.

      „Jo,“ meinte der Gusti, ,zuerst musst mir noch fünfzig Feufliber geben. Auf dem Zettel steht hundert.“

      „Gibst das Papier her!“ sagte der Ammann und zerrte daran. Aber der Katzengusti hatte den untern Teil, wo sein Name stand, nicht losgelassen, der riss nun ab und blieb ihm in der Hand. Schnell steckte er das Fetzlein in den Mund und schluckte es hinunter.

      Der Ammann wollte sich auf ihn stürzen.

      „Du Halunk, du gemeiner, gibst sofort die Unterschrift heraus oder ’s Geld!“

      Der Katzengusti war einen Schritt zurückgetreten. Gelassen sagte er:

      „Schrei nit so, Ammann! Sonst, wenn sie kommen, sag’ ich, dass du mich hast betrügen wollen mitsamt der Gemeinde; und dass du ein so gemeiner Halunk bist, wie ich selber.“

      Da wurde der Ammann um einen Schatten bleicher. Voller Bestürzung, zugleich aber auch voller Wut, sah er den Katzengusti an, wie ein hungriger Wolf, und wusste im Augenblicke nicht, was beginnen.

      Der wusste es besser. Mit einem höhnischen Lachen griff er in die Tasche und warf das Geld dem Ammann vor die Füsse. Nur einen Feufliber behielt er in der Hand. Den streckte er dem Obern von Krummbach unter die Nase.

      „Schau, Ammann, den behalte jetzt ich. Die andern neunundvierzig magst wieder haben. ’s ist nur, dass du dir das nächste Mal merkst, dass der Katzengusti gleichwohl nit so dumm ist.“

      Damit ging er ruhig zur Tür, während der Ammann die Silberlinge vom Boden auflas. Doch als er auf die Treppe hinauskam, hörte er unten im Gang lautes Reden. Und wie er näher hinhorchte, vernahm er die wohlbekannte Stimme des Landjägers Hertmann, der, nun wieder frisch gestiefelt, seiner Fährte bis hierher gefolgt war.

      ,,Er ist mit dem Ammann hinaufgegangen in die Amtsstube,“ hörte er soeben die Magd sagen.

      Der Hertmann schnaubte schon die Treppe herauf. „So, endlich haben wir ihn!“ sagte er so für sich hin, und rannte ohne anzuklopfen in die Stube, wo er den Ammann hantieren hörte.

      Der Katzengusti, der sich beim Herannahen der offentlichen Ordnung in eine dunkle Ecke gedrückt hatte, hörte gerade noch, während er die Treppe hinunterrannte, wie der Ammann zum Landjäger sagte:

      „Grad’ ist er fort! Er hat mir noch einen Feufliber gestohlen — vielleicht sind’s auch zwei gewesen!“

      Doch unbemerkt kam der Gusti nicht zum „Gesprungenen Krug“ heraus. Die Magd, die unten stehen geblieben war, um zu horchen, sah ihn und schrie alsbald aus Leibeskräften:

      „Da ist er! — Da ist er!“

      Unter Dröhnen und Brausen rollte der Landjäger wieder der Treppe zu. „Wo?“ rief er, als er noch oben war.

      Doch der Gusti war schon um die nächste Ecke herum. Weil die Leute ihn kannten und überdies dem

      Landjäger keiner grün war, stellte sich ihm niemand entgegen.

      Jedoch der Hertmann hielt mit der linken Hand seinen Säbel, der ihm beim Laufen hinderlich war, in die Höhe, mit der rechten griff er nach dem Käppi, und nahm, wie es sich gehört, die Verfolgung auf. Es fiel ihm nicht schwer, die Richtung, welche der Flüchtling genommen, zu erraten, denn die Bauern standen gleich Wegweisern da und folgten dem Wettrennen mit Aufmerksamkeit und Vergnügen.

      Als der Landjäger zum Dorfe hinausgekommen war, sah er den Katzengusti leichtfüssig die Rimmsteler Strasse hinunterrennen.

      ,,Halt!“ schrie er ihm mit aufgeblähten Lungen nach.

      Der Gusti drehte leicht den Kopf. Da er den Landjäger in so grosser Entfernung sah, blieb er stehen und setzte sich auf einen der grossen Steine, die in regelmässigen Abständen gegen den Schlund zu standen.

      Der Hertmann, dem wirklich die Luft ausgegangen war, mässigte, als er dies bemerkte, ebenfalls sein Marschtempo. Doch sowie er dem Gusti nahegekommen war, erhob sich dieser und nahm das Rennen abermals auf. Der Landjäger wieder hinterher, — aber mühsam und keuchend. Er war am Rande der Möglichkeit. Und als sich der Gusti ein andermal auf einen Prellstein setzte, vergass sich der Landjäger Hertmann sogar so weit, es ihm gleich zu tun, wie tags zuvor beim Beerenpflücken. Er nahm sich das Käppi vom Haupte und trocknete mit seinem roten, weissgetupften Nastuch den Schweiss, der ihm in förmlichen Lachen auf der Stirn stand, ab. Der Katzengusti auf dem nächsten Prellstein, sah ihm dabei wohlwollend zu.

      „’s macht warm, Hertmann?“ fragte er hinüber.

      „Wart’ nur, du Strolch, bis ich dich hab’! Ich will dir’s hernach schon einstreichen!“ gab der Landjäger zornig zurück.

      „Pressiert es dir denn eigentlich, dass du so rennst?“ fragte der Gusti wieder von seinem Stein her.

      ,,Wenn du nit bald ’s Maul hältst, so schiess’ ich dir die Knochen ab,“ sagte der Landjäger Hertmann.

      „Nei-nein! Das tust nit!“ höhnte der Gusti. „Sonst kommst du ins Loch.“

      Da schwieg der Landjäger grimmig.

      Nach einer Weile, als er sich etwas verschnauft hatte, erhob er sich, um sich von neuem an die Festnahme des Diebes zu machen, wie es das Gesetz vorschreibt.

      Und nun erhob sich auch der Gusti, welcher diesem Gesetze feindlich gegenüberstand.

      Eine Zeitlang rannten sie so dem Tale zu. Weil es bergab ging, hielt der Landjäger noch ziemlich lange aus. Schliesslich war er aber wieder zu Ende mit seinen Kräften. Erschöpft setzte er sich abermals auf einen Prellstein.

      Kaum hatte der Katzengusti dies bemerkt, so tat er desgleichen.

      Und wieder begann die Unterhaltung:

      „Wo willst nur eigentlich hin, Hertmann?“

      „Wart’ nur! Du kommst mir schon wieder in die Finger!“ sagte der Landjäger.

      „Ich hab’ gemeint, du wohnst auf der andern Seite vom Berg — warum willst jetzt da hinunter?“


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