Der Krummbacher und der Katzengusti. Karl Friedrich Kurz

Der Krummbacher und der Katzengusti - Karl Friedrich Kurz


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ich keine langen Faxen mehr mit dir. Rechtsum, allehopp, mit kommst!“

      Und wieder zurück musste der Katzengusti, denselben Weg, den er gekommen. Als sie beim Wirtshaus vorbeikamen, ging der Landjäger hinein, um seinen Schoppen, den er vorhin eben erst angefangen hatte, noch schnell auszutrinken, dieweil sein Arrestant draussen warten musste.

      Dann wanderten die beiden auf der staubigen Landstrasse miteinander Lauental zu.

      Die blankgeputzte Frühjahrssonne war unterdessen am blauen Himmel höher und höher gestiegen und erwärmte mit ihrem Freudenscheine die Berge und Täler. Auch die Tierlein und Menschlein lachte die runde Alte aufs freundlichste an.

      Der Katzengusti freute sich nicht wenig darüber. Ihm fuhr’s in die Beine, wie einem Hasen, wenn er die freie Waldluft wittert, es zuckte ihm in jedem Nerv. Wahrhaftig, er musste an sich halten, um nicht mit einem Jauchzer auf und davon zu rennen. Mit doppelter Bekümmerung dachte er an die bevorstehende Untersuchungshaft. Ob sie ihn freisprechen würden, so fragte er sich im stillen. Nicht, dass er sich in diesem Augenblicke gerade einer Schuld bewusst war; aber darauf, so meinte er, komme es bei ihm nicht an. Er wusste schon, wie das ging. Sie klagten ihn einfach an, dann hatte er seine Unschuld zu beweisen, und das war nicht leicht, wenn’s die Richter nicht glauben wollten.

      Er liess daher traurig und missmutig den Kopf hängen und dachte nebenbei auch darüber nach, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, diesen verhassten Aufenthalt in vier engen Mauern zu umgehen.

      Gerade wie der Katzengusti, so fühlte auch der Landjäger die Wärme des Lenzes auf seinem Fell; doch mit dem Unterschiede, dass er darob nicht sehr erbaut war. Wenn in des Gusti Beine unwillkürlich die Lust fuhr, zu laufen, weit, weit über alle Höhen, so hängte sich der Frühling an die Sohlen des Landjägers gleich schweren Bleigewichtern. Auf seiner niedern Stirn erschienen klare, grosse Tropfen, die in glatten Bächlein langsam die vollen Wangen hinunterliefen. Er bereute es schon im stillen, den Gusti aufgegriffen zu haben; aber dann dachte er wieder an die nahe Beförderung, und das erfüllte sein Herz aufs neue mit Diensteifer und Freude.

      Doch wenn er auch der Wärme widerstehen konnte, so machte sich, zu seinem Leidwesen, in seiner Kehle bald ein stechender, kratzender Durst bemerkbar. Sein Hals schien ihm zum Schlusse so ausgetrocknet und staubig wie die Landstrasse, auf welcher er schritt. Und zuweilen entfuhr ihm ein gequälter Seufzer.

      Obschon der Katzengusti keine schadenfrohe Natur war, erfüllten ihn die Seufzer und der Schweiss des Landjägers doch mit Wonne.

      Im Weiterschreiten bemerkte er ganz zufällig, dass am Wegrain, zwischen den Büschen, schon die ersten Erdbeeren reiften. Mit einer Gelenkigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, bückte er sich, ohne hinter dem Landjäger zurückzubleiben, und pflückte die köstlichen Früchte.

      Der Landjäger sah ihm ein paarmal mit blöden Augen zu — die Hisse machte ihn sichtlich dümmer —, dann aber tat er es seinem Arrestanten gleich und bückte sich ebenfalls. Und als er erst merkte, dass die kleinen Beeren so herrlich schmeckten, da schenkte er ihnen mit einem Male mehr Aufmerksamkeit als seinem Gefangenen, und wichtiger schienen sie ihm in diesem Augenblicke noch als die künftigen Wachtmeisterschnüre am Ärmel.

      Die beiden botanisierten eine gute Weile in den Hecken am Wegrande herum. Doch da erwachte im Katzengusti ein Gedanke. Gleich einer Erleuchtung stieg es in ihm auf.

      Er fing an, anstatt der Beeren kleine Kieselsteine zu sammeln und dieselben auf heimliche Weise in die etwas abstehenden Rohre der Kanonenstiefel des Landjägers niederrutschen zu lassen.

      Die Folgen dieser Handlung fühlte der Hertmann bald an seinen Füssen, jedoch ohne dass er genau ihre Ursache erkannte. Er ging zu einem Kirschbaum hin und bearbeitete dessen Stamm mit wohlgezielten Fusstritten, in dem instinktiven Triebe wohl, die kleinen Quälgeister von seinen Sohlen zu entfernen. Doch zu seinem Erstaunen und Verdruss entsprach die Wirkung keineswegs seinen Wünschen. Die kleinen Ärgernisse, welche er vorher an den Fersen fühlte, waren nun nach vorn zu den Zehen geflogen; und dazu folgten von oben mehr neue nach, so dass ihm nach der Prozedur gar nicht wohler wurde.

      Mit Recht sagte er darum zu sich selber:

      „So geht’s nit,“ damit hockte er sich unter Stöhnen und grimmigem Fluchen an den Strassenrand. Die Kanonenstiefel wollte er sich ausziehen; aber das war so einfach nicht. Er konnte sich gar nicht so ohne weiteres über sein ehrenwertes Bäuchlein bücken. Bei aller Mühe, die er sich gab, gelang es ihm nur bis zu den Schuhspitqen zu greifen, weiter wollte es einfach nicht langen; an das Ziehen am Absatz war gar nicht zu denken. Und er sah recht hilflos drein.

      Der Katzengusti schaute mit stillem Entzücken den Mühen und Nöten des Landjägers zu; aber er sprach kein Wort. Er stand nur da und schaute.

      Doch da hielt’s der Hertmann nicht mehr aus. Mit zorngeschwollener Stimme schrie er:

      „Da stehst jetzt und gaffst, als ob du nit Gescheiteres zu tun wüsstest, du Lappi! Komm einmal hieher und zieh mir die Stiefel aus.“

      Und als der Gusti sich’s noch eine Weile überlegte, fügte er noch grimmiger hinzu:

      „Uber gleich kommst her, verstehst mich! Du nichtsnutziger Strolch, dass du bist.“

      Diese liebenswürdige Aufforderung machte endlich dem Katzengusti Gelenke. Er trat zum Hertmann hin und packte den Stiefel am Bein, das ihm dieser schon von weitem entgegenstreckte, mit der Rechten am Absatz, mit der Linken an der Spisse, und entfernte ihn mit Ziehen und Zerren von dem geplagten Fusse. So heftig zog er, dass es ihn, als der Stiefel endlich frei war, bis auf die andere Seite der Strasse schlug, wo er hinfiel und den Kanonenstiefel ein Stück weit von sich warf.

      Der Landjäger lachte:

      ,,Du Löli, du einfältiger! Gelt, jetzt hast gemerkt, was für eine Kraft in meinen Beinen ist. Komm nur gleich wieder her und zieh mir den andern auch noch ab.“

      Und der Gusti kam und zog ihm auch den zweiten Stiefel ab.

      Doch merkwürdig war’s, diesmal fiel er nicht hin wie das erstemal, sondern drehte sich geschmeidig wie eine Kasse um, sprang mit ein paar langen Sätzen zum ersten Stiefel hin, der auf der Strasse lag, und als das Paar wieder vereint in seinen Händen war, schwang er sie mit einem Triumphgeheul über seinem Haupt und lief, was die Beine konnten, durch die Matten den Bergen zu.

      Der Landjäger Michael Alois Hertmann aber hockte am Strassenbord und starrte dem Davoneilenden fassungslos nach. Weit offen stand sein Mund, und gross und rund wie Pflugsrädlein waren seine Augen. Er hockte da wie die verkörperte Verblüffung und schnaufte wie ein wütiger Stier.

      Als der Katzengusti den Waldrand erreicht hatte, hielt er in seinem Lauf inne. Er stand hinter dem Stamm einer weissschimmernden Buche und pfiff durch die Finger, dass es gell und langgezogen durch den schweigenden Forst hallte.

      Dann schrie er, was ihm zur Kehle hinaus mochte:

      „He dort, Hertmann! Lebst denn noch? Geh du jetzt nur allein nach Lauental und untersuch’, wem der Kittel gehört hat. Ich möcht’ lieber da oben ein wenig spazieren gehn.“

      Da steigerte sich des Landjägers Wut zur Raserei. Er riss seinen schweren Ordonnanzrevolver aus dem Futteral und brüllte:

      „Du Hallunk, du verfluchter! Willst sofort hieher kommen, oder ich jag’ dir bei Gott eine Kugel durch den Leib!“

      Der Katzengusti hinter der Buche hervor aber höhnte:

      „Nein — nein, Hertmann, aus selbem wird heut nit! Wenn du mich wieder siehst, dann magst mich packen; aber heut wird nit aus selbem. Lauf’ nit so schnell nach Haus; die Steinchen drücken dich ja jetzt nicht mehr in den Stiefeln. Komm’ gut heim und grüss’ mir deine Alte!“

      Damit verschwand er im Dunkel der Bäume.

      Der Landjäger aber schnellte nun mit einem jachen Ruck auf die Füsse und kugelte wie ein Ei über die Gräser und Blumen, der Stelle zu, wo der Katzengusti verschwunden war. Mit unglaublicher Schnelligkeit sauste er über die Wiesen. Doch als er in den Wald kam, änderte sich die Sache mit einem Schlage. Er machte noch ein paar hastige Sprünge,


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