Der Krummbacher und der Katzengusti. Karl Friedrich Kurz

Der Krummbacher und der Katzengusti - Karl Friedrich Kurz


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der Wald wieder erwachte, regte sich der Katzengusti. Er hustete ein paarmal, dann zog er seine Schuhe an und sprang auf die Füsse. Der Nachtfrost lag in seinem Körper. Darum schlug er mit den Armen um sich und rieb sich die Hände abwechselnd. Wie am Abend zuvor machte er sich ein Feuer, daran wärmte er sich. Er suchte in seinen Taschen herum und verzehrte die wenigen Brocken, welche er noch darin fand.

      Kaum begann der Morgen im Osten heraufzudämmern, als er sich auf den Weg machte.

      Er schritt auf einem schmalen Fusspfade, über Gräben und Felsen, fast stets auf dem Bergkamm, Krummbach zu.

      Die Bauern waren noch kaum vor ihre Türen getreten und zum Melken in die Ställe gegangen, als er schon die Dorfstrasse herunterkam. Beim „Kreuz“ nahm er einen Batzen aus dem Geldbeutel, streckte ihn dem Mädchen, welches eben das Fenster öffnete, hin und verlangte einen Schnaps dafür. Hastig schüttete er die scharfe Flüssigkeit die Kehle hinunter. Dann ging er weiter.

      Der Kirche zu lenkte er nun seine Schritte. Er wollte zum Pfarrer, der ihm bei jedem Besuch ein Stück Brot und ein Glas Wein gab, und ihm zudem stets beim Abschied einen Zweibätzler in die Hand drückte. Zum Pfarrer zog es ihn nun hin.

      Doch passierte da dem Katzengusti, was schon manchem vor ihm zugestossen: währenddem er fern war, hatten sich die Verhältnisse geändert.

      Er wusste nicht, dass der alte gute Mann im vergangenen Winter gestorben und jetzt schon sein dritter Nachfolger in der Pfarrei sass. Nicht, dass der erste Nachfolger auch gestorben wäre, gottbewahre. Dem wollte es eben nur nicht so recht gefallen unter den biedern Bürgern von Krummbach, sei es nun, weil er sie für eine Herde hielt, die man nicht so leicht hüten könne, oder aber, dass er mit ihren Charaktereigenschaften nicht harmonieren wollte. Kurz und gut, er packte nach wenigen Tagen schon seine sieben Sachen wieder zusammen und zog den Berg hinunter. Ihm folgte ein Kapuzinermönch nach, mit brauner Kutte und weissem Seil. Der fand sich in die Gemeinde. Auch mit dem Pfarrhaus, das nicht im besten Zustande war, gab er sich zufrieden. Doch leider fanden ein paar Bürger bald heraus, dass er sich zu „intim“ mache mit einigen seiner Schäflein. Daher jagten sie ihn eines schönen Tages fort. Lange Zeit stand darauf das Pfarrhaus leer. Im ganzen Lande wollte sich kein Seelsorger finden, der willens war, die Gläubigen von Krummbach fürs himmlische Leben vorzubereiten. Die Kirche war somit viele Wochen ohne Prediger, nur der Siegrist verrichtete seine wichtige Funktion mit Würde und Verstand. Und die von Krummbach befanden sich recht wohl dabei.

      Da sie den Pfarrer, wenn der nicht für sie tätig war, auch nicht bezahlen mussten, war es noch billiger obendrein.

      Jedoch ein paar besorgte Eltern kamen zuletzt dahinter, dass es nicht gut für die Jugend sei, so ganz ohne Religion aufzuwachsen. Sie würden sich so das Fluchen und Schwören wie das tägliche Brot angewöhnen — was ganz merkwürdig ist, da die Erwachsenen sonst samt und sonders sehr gottesfürchtige Menschen waren.

      Bei dieser Gelegenheit machte sich der Grausengusti anheischig, das Predigen am Sonntag zu besorgen. Und zwar um geringen Lohn wollte er dies tun, weil er gerade um die Zeit am Brunnen nicht tätig sein konnte. Und ebensogut Angst könne er den Bürgern, den alten und den jungen, machen, wie jeder studierte Pfarrer, und einen Respekt vor dem Fegefeuer, dass sie vor Schreck alle der Teufel holen möchte. Dies waren seine eigenen Worte. Erstaunlicherweise wollten sie ihn dennoch nicht haben. Sie liessen sich aus dem Ausland einen Pfarrer kommen, da alles Suchen und Bitten im Heimatlande erfolglos blieb.

      Der neue Pfarrer war erst vor kurzem angekommen — und fühlte sich auch schon nicht mehr am wohlsten.

      Von dem allem wusste der Katzengusti nichts, als er recht hoffnungsfreudig bei der Pfarrei anklopfte. Bei dem Gedanken an den Wein lief ihm schon das Wasser im Munde zusammen. Auch empfand er eine Freude bei dem Gedanken, mit dem alten Herrn wieder ein Viertelstündchen plaudern zu können. Sie beide hatten schon manches und manchen kommen und gehen sehen, und wenn sie sich dann angetroffen, hatten sie gerne ihre Meinungen darüber ausgetauscht.

      Daher war der Katzengusti unangenehm überrascht, dass eine andere Gestalt im schwarzen Rocke stak, als er den Herrn Pfarrer zu sprechen wünschte.

      Einen Augenblick war er so betroffen, dass er gar nicht wusste, was anfangen. Dann aber streckte er fast instinktiv die Hand aus und sagte mit kläglicher, singender Stimme:

      „Ein armer Reisender, Herr Pfarrer, bittet um eine kleine Unterstützung.“

      Der Herr Pfarrer aber war gerade sehr ärgerlich. Denn gestern hatte ihm der Gemeinderat von Krummbach ein kleines Häuschen, nach dem er sich sehnte, abgeschlagen. Mit grösster Beredsamkeit war er für dieses Häuschen eingetreten, indem er ihnen klar zu machen suchte, dass es sozusagen ein leibliches Bedürfnis für ihn sei, dass er sich von Zeit zu Zeit dorthin zurückziehen müsse, und dass es eigentlich ein kleines Örtchen sei, welches in keinem Hause fehlen dürfe. Doch die Bauern blieben hartherzig. Sie gaben ihm nur zu Bescheid:

      ,,Die andern Pfarrherren haben’s auch ohne das machen können, so könnet denkwohl auch Ihr’s.“

      Dabei blieben sie. Darum war der Herr Pfarrer sehr ärgerlich.

      Und darum legte er in die ausgestreckte. Hand des Katzengusti nur ein kleines Geldstück. Indes, der Gusti schloss die Hand darüber und verschwand im Hausflur.

      Kaum war er jedoch auf der Strasse draussen, so öffnete er die Hand wieder, tat einen Blick hinein und blieb betreten stehen. Dann zischte er giftig durch die Zähne:

      „Dich soll doch der Teufel nehmen, Pfäfflein! Ein einziger, blutiger, roter Rappen!“

      In seinem faltigen Gesicht zuckte es vor Zorn und Empörung. Nicht dass er im allgemeinen ein unbescheidener Mensch war, gewiss nicht. Aber der Unterschied zwischen einem Zweibätzler samt einem Glase Wein, was er erwartete und einem einzigen Rappen ohne Wein, was er erhielt, war ein allzugrosser. Dementsprechend war also auch seine Enttäuschung keine geringe. So gross war sie, dass sie ihn aus seiner sonst so würdigen

      Ruhe herausbrachte. Es wetterleuchtete und zornfunkelte in seinen grauen Augen, dass es eine Art hatte.

      Plötzlich kehrte er sich mit einem kurzen Rucke um und ging die paar Schritte bis zur Tür wieder zurück. Schnell fuhr er mit der Hand zum Schloss herauf und steckte das Rappenstück ins Schlüsselloch.

      Dann ging er ruhig und gleichmütig davon — für ihn war die Sache abgetan.

      Nicht aber für den Herrn Pfarrer. Eine halbe Stunde später wollte der hinaus zur Frühmesse in die Kirche. Als er aber mit dem Schlüssel die Haustür aufmachen wollte, da ging’s nicht. Und ‘s ging auch nicht, als seine Schwester kam und drehte. Bei den Anstrengungen, welche die stämmige Köchin machte, brach am Schlüssel der Bart ab — nun ging’s erst recht nicht. Die drei machten ein grosses Geschrei, zu den Fenstern hinaus, denn die Tür blieb verschlossen.

      Der Katzengusti war mittlerweilen gemächlich die Dorfstrasse hinuntergepilgert, an der Kirche vorbei, am Schulhaus und an der Schmiede. So war er zum „Gesprungenen Krug“ gekommen. Dort sah er mit eigenen Augen, dass sein Häuschen mitsamt den andern Gebäuden abgebrochen wurde, und in der Mitte der Strasse sah er den Grausengusti mit einem halben Dutzend Männer und Burschen ein grosses rundes Loch graben.

      „Ich glaub’, der Affe laust mir,“ sprach da der Katzengusti stehenbleibend zu sich selber. Laut aber fragte er den Grausengusti:

      ,,Gottverdoria, Gusti, was machst denn da?“

      Der Brunnen war schon so tief, dass der Grausengusti nur noch den Kopf auf die Strasse streckte. So gab er von unten herauf zur Antwort:

      „He, einen Brunnen; siehst du das nit?“

      „Nein,“ meinte da der andere Gusti, „das seh’ ich nit. Ich seh’ nur, dass du ein Loch machst.“

      Der Grausengusti war zwar nicht gewillt, dieses unerquickliche Gespräch weiterzuführen, dennoch sah er auf und bemerkte bei dieser Gelegenheit die Kanonenstiefel, die wie reife Früchte lose an der Schulter des Katzengusti hingen.

      „Was sind denn das für Stiefel, die dir da am Hals herabhängen — he?“ forschte er.

      Der


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