Der Krummbacher und der Katzengusti. Karl Friedrich Kurz

Der Krummbacher und der Katzengusti - Karl Friedrich Kurz


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      „Was willst denn dafür?“

      „He — ich hab’ sie billig — gib mir zwanzig Batzen, dann sind sie dein.“

      Beim Nennen dieses Spottpreises liessen auch die andern Pickel und Schaufel sinken. Sechs Paar gierige Augen lugten nach den Kanonenstiefeln auf. Da diese noch fast neu waren, dachte ein jeder bei sich im geheimen, dass sie gerade ihm am besten ständen, und dass sie von Rechts wegen auch ihm zufallen müssten. Es dauerte darum auch gar nicht lange, bis einer mit lauter Stimme rief:

      „Gusti, ich geb dir fünfunzwanzig Batzen dafür.“

      Und nach diesem Anfang fielen die andern nach und nach ein:

      „Ich achtunzwanzig.“ „Ich dreissig.“ „Ich fünfunddreissig,“ und kamen so nach wenigen Sprüngen schon auf einen Feufliber.

      Mehr wollte der Katzengusti nicht dafür. Mit einer lässigen Gleichgültigkeit liess er daher die vielbegehrten Stiefel von der Schulter gleiten und gab sie dem, der den Feufliber dafür geboten, ins Loch hinab.

      Als er dann das grosse, runde, harte Silberstück in seine Tasche hinunterrutschen liess, da dachte er wiederum mit stillem Behagen an den Landjäger Hertmann, dem er diesen Reichtum eigentlich verdankte.

      Er wollte eben von dannen ziehen, da kamen die Strasse hinunter, von der Kirche her, ein paar Weiber und Kinder angetrabt. Von weitem schon schrien sie:

      „Du, Gusti! Im Herr Pfarrer sein Schloss ist kaput, du sollst gleich einmal kommen und nachsehn.“

      Der Gusti, den dies anging, erhob sich aus der Versenkung, während der andere reine davoneilenden Schritte um etwas beschleunigte.

      „O verreckt,“ machte der Grausengusti, als man ihm den bartlosen Schlüssel durchs Fenster reichte. „Das ist nit so leicht zu machen. Da muss ich zuerst heim und ein Stemmeisen holen.“

      Mit dem Stemmeisen kam er. Stieg auf einer Leiter durchs Fenster und bearbeitete die Tür von innen, dass die Splitter davonflogen. Als das Schloss endlich ausgesprengt war, da fand man darin ein rotes Rappenstück friedlich neben dem abgebrochenen Schlüsselbarte liegen.

      Der Grausengusti sagte:

      „Der Rappen, Herr Pfarrer, das ist die Schuld, warum ’s Schloss kaput gegangen ist. Das und sonst nichts anders.“

      Der Herr Pfarrer aber schob sein Käpplein ein klein wenig beiseite und kratzte sich anhaltend darunter, als ob er recht ernsthaft über etwas nachsänne.

      Als der Katzengusti sich wie ein Schatten beim ,,Gesprungenen Krug“ vorbeidrücken wollte, kam zu dessen Tür heraus, ein langer, magerer Arm mit einer knöchernen Hand daran, und fünf sehnige Finger krallten sich in seine Schulter. Erschrocken schnellte der Katzengusti eines seiner Augen — wohl das, welches nach der Meinung der Bauern nach dem Landjäger schielte — nach der Richtung hin. Zu seiner Erleichterung aber sah er kein Käppi und keine glänzenden Knöpfe, sondern nur das magere Gesicht des Krugwirts und Ammanns.

      „Hör’, Gusti,“ zischelte der leise, „ich hab’ etwas mit dir z’reden.“

      Voller Verwunderung folgte der Gusti dem Oberen von Krummbach über die schwere Eichentreppe hinauf zum Amtszimmer. Zwar standen in diesem Raum zwei Betten — aber es stand auch ein Tisch mit Papier und Schreibzeug da, so dass er vom findigen Krugwirt bald als Amtsstube und bald als Gastzimmer benutzt werden konnte, je nachdem er für das eine oder andere die beste Verwendung hatte.

      Der Ammann schritt zum Tisch mit dem Schreibzeug und liess sich dahinter auf einem Stuhl nieder, dieweil der Katzengusti in der Mitte der Stube stehen blieb. Er schien nichts Gutes zu ahnen und sah sich ein paarmal nach der Tür um, welche der Ammann vorsorglich verriegelt hatte.

      Aber — fast verwirrte es ihn — der Ammann sagte da ohne Zorn in der Stimme:

      ,,Nimm dir einen Stuhl, Gusti, und hocke dich ab.“

      Der Gusti traute seinen Ohren nicht. Solche Ehre war ihm noch nie widerfahren. Deshalb musste der Ammann die Einladung wiederholen. Endlich nahm sich der Gusti seinen Stuhl und setzte sich, jedoch so, dass er die Tür im Auge hatte und freie Bahn dorthin behielt.

      Der Ammann musste das bemerkt haben, denn er sagte beschwichtigend:

      „Brauchst dich nit zu fürchten, ich mein’s nit bös mit dir.“

      Dem Gusti wurde immer unheimlicher, er wusste nicht, wo das hinaus wollte. Doch der Ammann klärte ihn endlich auf.

      „Ich hab’ nur mit dir reden wollen wegen deinem Häuslein dort drüben von der Strass’. Ich möcht dir’s abkaufen. Was meinst?“

      Das gab dem Katzengusti einen Stich ins Herz. Er liess den Kopf hängen. Das Häuschen! Ja beim Donner, sie hatten ja schon angefangen daran abzubrechen, ohne ihn vorher zu fragen, ihn, dem es doch, obgleich er nur der Katzengusti war, als rechtmässiges Eigen zugehörte! Wie eine Art Mitleid stieg es da in ihm auf, Mitleid mit sich selbst. Er fragte sich im stillen, ob sie dies wohl auch so ohne weiteres niedergerissen, wenn’s dem Krugwirt gehört hätte oder sonst einem von den Behäbigeren in der Gemeinde.

      Währenddem hatte ihn der Ammann mit seinen hungerigen Augen scharf angesehen. Er hätte gern gewusst, wie es dem Gusti ums Häuschen zu tun war und wieviel er ihm dafür bieten durfte.

      Aber der sah stumm vor sich nieder, einen höhnischen, feindseligen Zug um die Lippen.

      „Was willst dafür haben?“ fragte da der Ammann lauernd.

      Der Katzengusti fuhr sich mit der Hand übers Kinn, wo der struppige Bart, den sie ihm im Spital abgeschnitten, von neuem emporsprosste; aber er gab auch da keine Antwort.

      Der Ammann liess ihn nicht aus den Augen — denn wie schnell waren da für ihn ein paar Feufliber oder gar Napoleon verloren oder gewonnen.

      Aber der Katzengusti sah immer nur vor sich hin, die Lippen fest aufeinandergepresst, dass es eine scharfe Falte gab um die Mundwinkel.

      „Nun, so red’ doch!“ drängte der Ammann. „Was möchtest dafür?“

      Nach einer Weile sagte der Katzengusti endlich mit rauher Stimme:

      „Ich will mein Häuslein nit verkaufen.“

      „He-he!“ lachte da der Ammann spitzig. „Du willst dein Häuslein nit verkaufen, du willst nit! Ich frage dich ja das gar nit. Verkaufen musst ’s Häuslein, ob du willst oder nit. Wir brauchen den Platz für die Strass’, weil der Brunnen die alte Strass’ einnimmt. Wenn du’s nit freiwillig geben willst, dann kommt ’s Gericht und zwingt dich dazu. Hernach musst dafür nehmen, was man dir gibt; nur mein guter Wille ist es, dass ich dich heut frage, was du dafür willst.“

      Nach dieser langen Auseinandersetzung lehnte sich der Ammann in den Stuhl zurück und trommelte mit den Fingern auf dem Tischblatt.

      Der Katzengusti überlegte sich das, was er gehört. Er hatte so ein unbestimmtes Gefühl, dass der andere recht haben könnte. Denn das grössere Recht ist ja stets da, wo die grössere Faust ist, so dachte er bei sich. Bei diesem Gedanken nickte er ein paarmal, gleichsam sich selber zustimmend, mit dem Kopfe.

      Dieses Nicken legte der Ammann auf seine Weise aus und förschelte weiter:

      „Was willst denn dafür? Gib doch einmal Antwort.“

      „Ich hab schon gesagt, dass ich ’s Häuslein nit verkaufen möcht’.“

      Der Ammann schien diese Antwort gar nicht zu hören.

      „Ich geb’ dir dreissig Feufliber dafür,“ sagte er langsam.

      Das war ein Spottpreis — aber dennoch viel Geld für den Katzengusti. Dreissig grosse Silberstücke! Soviel hatte er schon lange, lange nicht mehr gehabt; nie mehr seit damals, — als das Häuschen leer ward. Und nun war es eigentümlich mit dem Gusti. Bald dachte er an sein totes Weib, das wie eine ferne, verblasste Erinnerung vor ihm auftauchte, — und bald dachte er an die dreissig Silberstücke. Er sass nun wieder da und schwieg und wurde


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