Nachspielzeit. Dana Müller-Braun
bevor wir Richtung Parkhaus marschieren.
Am Auto angekommen, redet Tim kaum ein Wort mit mir. Schon als ich ihm sagte, dass wir uns mit Achim im Bull and Bear treffen, war er sehr schweigsam.
Als er am Kino vorbei den Oederweg entlangfährt, räuspere ich mich und werfe einen unauffälligen Blick auf ihn.
„Entschuldige.“
„Für was?“
„Für was auch immer du sauer bist.“
Er schnauft nur und schüttelt wie so oft den Kopf. Wie ein Oberlehrer oder mein Vater.
„Was habe ich getan? Dich zu sehr rumgescheucht?“
„Darum geht es nicht. Du behandelst mich wie deinen Leibeigenen oder jemanden, der nur dein Anhängsel ist. Dabei …“
„Dabei was?“, frage ich. Meine Lider zucken.
„Dabei dachte ich, dass wir Freunde sind, Severin.“
„Sind wir“, sage ich schnell und fahre mir durch die Haare. „Wir sind Freunde und es tut mir leid. Ich war heute …“
„Ich dachte heute wirklich, du rufst mich an, um dich bei einem Bier für Samstag zu entschuldigen.“ Er seufzt. „Es ist wieder wie in der Türkei. Es hat dich zurückversetzt. Das verstehe ich. Aber rede mit mir und scheuch mich nicht herum.“
„In Ordnung.“
Er nickt zufrieden und stellt dann das Radio ein wenig lauter.
Als wir endlich bei mir ankommen, schnalle ich mich ab und drehe mich noch einmal zu Tim, der immer noch etwas angesäuert nach vorne starrt.
„Es tut mir leid, Hasibärchen. Schlaf gut. Küsschen“, sage ich in gestelzter Stimme und flüchte dann aus dem Auto, bevor er mich schlagen kann.
„Hauptkommissarin Lacker!“, begrüße ich Jules und knickse leicht, als ich in meine Wohnung trete, den Schlüssel auf meine kleine Kommode schmeiße und die Stiefel ausziehe.
Sie kocht vor Wut. „Du bist ein Kind!“
„Lady Polizei, Sie sind doch nur fünf Jahre älter“, entgegne ich gespielt schockiert. Sie brummt irgendetwas und deutet dann auf zwei weiße Tüten.
„Ich habe etwas zu essen mitgebracht.“
Mein Blick landet skeptisch auf den asiatisch riechenden Tüten auf meinem Couchtisch. „Warum?“, frage ich, statt mich einfach zu bedanken.
„Ich …“ Sie reibt sich nervös die Handgelenke. Eine seltene Geste bei Julia Lacker.
„Mache ich dich nervös?“ Ich hebe belustigt einen Mundwinkel.
„Lass das. Ich hatte Hunger und du hast sicher wieder gedacht, Bier ersetzt eine Mahlzeit.“
„Okay“, gebe ich knapp zurück und gehe zum Kühlschrank.
Das hier ist seltsam. Ich dachte, sie sei hier, um eine Nummer zu schieben, bevor sie die Nacht über wieder im Präsidium verbringt. So ist es immer. Und in meine Wohnung kommt sie nur, weil sie genau weiß, wo mein Ersatzschlüssel liegt. Was also wird das jetzt? Will sie mehr? Einen gemeinsamen Abend wie ein echtes Paar?
„Bier?“, frage ich, weil ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, was Jules trinkt, wenn sie einen Dienstagabend auf der Couch verbringt.
„Ich habe einen Sixer mitgebracht“, gibt sie zurück und deutet auf meinen Kühlschrank. Okay. Jetzt wird’s gruselig.
Ich nehme zwei Flaschen, öffne sie mithilfe meiner Arbeitsplatte und schlendere dann zurück zur Couch.
„Pass auf, Jules“, beginne ich eine ausholende und verwirrende Rede darüber, warum ich ein schlechter Kerl und sie eine viel zu gute Frau ist, aber sie unterbricht mich sofort, indem sie ihre Hand hebt.
„Spar es dir, Severin. Ich weiß, was du sagen willst, und es ist mir egal. Ich bin es leid.“
„Also verlässt du mich?“ Ich schlage mir theatralisch die Hand auf die Brust.
„Dass du Freunde hast, ist das größte Wunder dieser Welt“, faucht sie, schnappt sich das Bier und leert die halbe Flasche, bevor sie weiterspricht.
„Ich verlange nicht, dass du mich deinen Eltern vorstellst, mich heiratest oder auch nur händchenhaltend mit mir über die Zeil läufst. Ich will einfach nur etwas essen und trinken, bevor wir miteinander schlafen. Das ist eindeutig nicht zu viel verlangt.“
Ich schweige. Keine Ahnung, was ich dazu sagen soll, weil sie recht hat. Sie verlangt nicht viel und doch schnürt sich meine Kehle zu.
„Ich bin es einfach leid, abends schnell einen Döner vom Imbiss zu essen, zu dir zu fahren, ’ne schnelle Nummer zu schieben und dann ins Präsidium oder allein nach Hause zu fahren. So hab ich mir das nicht vorgestellt.“
„Ich war immer ehrlich, Jules“, finde ich endlich meine Stimme wieder.
„Ja. Und jetzt bin ich es auch.“
„Heißt das, dass du auch bei mir schlafen willst? Und frühstücken?“
„Das, was es bei dir zum Frühstück gibt, lebt wieder, Sev. Also nein. Ich will nicht mit dir frühstücken.“
„Aber bei mir schlafen?“
„Wenn das irgendwie im Bereich des Möglichen liegt und du nur einen kleinen Spalt deiner Severin-Zone für mich öffnen könntest, dann – ja. Ich würde gerne zusammen mit dir einschlafen und aufwachen und ab und zu etwas mit dir essen.“
Ich presse meine Lippen aufeinander und setze mich dann endlich neben sie. Vor allem, damit ich nicht mehr ständig ihren dunkel glänzenden Zopf anstarre, statt ihr in die Augen zu sehen.
„In Ordnung“, sage ich, greife nach dem Gummi in ihren Haaren und löse es. Ich hasse diese strenge Frisur. Wahrscheinlich habe ich nur deshalb Ja gesagt. Sie wirkt unheimlich, wenn sie ihre Haare so glatt und stramm nach hinten gebunden hat.
„Das klingt nicht begeistert.“
„Hast du denn wirklich erwartet, dass ich begeistert sein würde?“, schnaufe ich.
„Geht es hier um andere …?“
„Nein!“, unterbreche ich sie und lege meine Hand in ihren Nacken. „Nein, Jules, und das weißt du. Ich will keine anderen Frauen. Ich will …“
„Deinen Freiraum?“
Ich nicke bedeutungsvoll und beuge mich ein wenig zu ihr. „Aber ich werde ein Stück davon mit dir teilen. Und es wird mich bestimmt nicht umbringen.“
Ich hauche ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und trinke dann selbst von meinem Bier. Sie wirkt nicht wirklich zufrieden. Aber zufrieden ist gerade wohl keiner von uns beiden.
„Wo warst du am Samstag noch?“, fragt sie unvermittelt, während sie die Tüten ausräumt. Na, das geht ja super los. Wir reden jetzt also über unseren Tag wie ein echtes Pärchen. Und nicht nur das. Mein Treffen mit Lydia liegt Tage zurück, aber offenbar nicht weit genug.
Sie reicht mir eine der Boxen und Stäbchen.
„Bei Lydia im Stadion“, gebe ich knapp zurück und betrachte das Essen in meiner Box. Woher weiß Jules, was ich gerne esse? Ist sie wirklich so aufmerksam und ich ein vollkommener Idiot? Ich habe das alles nicht kommen sehen. Dachte, Jules sieht das alles genauso wie ich.
„Was wollte sie denn?“ Ihre Stimme ist plötzlich viel höher.
„Ich unterliege der Schweigepflicht.“
„Severin!“, sagt sie genervt und isst ihre Nudeln wie ein verdammter Profi, während ich meine Fleischstücke mit dem Stäbchen aufspieße, um wenigstens etwas davon in meinen Mund zu bekommen.
„Dein Sarkasmus geht mir echt auf die Nerven.“
„Was