Unsichtbare Architektur. Inge Podbrecky

Unsichtbare Architektur - Inge Podbrecky


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der weitgehend regimetreuen Architektenvereinigung, reagierte gereizt auf die Gedenktafelinflation: „Wenn schon einem fast manischen Triebe, zahllose Gedenktafeln zu enthüllen, Folge geleistet werden soll, dann müssen dieselben […] künstlerischen Wert besitzen […]. Unähnliche, geradezu lächerliche Portraits und elende Schriftformen scheinen leider fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein.“145

      Abbildung 17: Ferdinand Kitt, Entwurf für Kunst-am-Bau in der Bäckerstraße (Profil 1934, 447)

      Wiener Sagen und Legenden hatten sich bereits unter Bürgermeister Lueger einer Renaissance erfreut146 und damit einer neuen Mittelalterrezeption Vorschub geleistet, an die der Ständestaat nun anschloss. Ein Neubau am Wienfluss, „Zum Wassermännlein“, erinnert an eine Altwiener Sage und erhielt eine entsprechende Skulptur von Otto Hofner, der immerhin den prominenten „Sämann“ vor dem Karl-Marx-Hof geschaffen hatte.

      Neubauten, wie die Siedlungshäuser am Wienerberg, wurden mit Hauszeichen in Form von Heiligenbildern versehen, ebenso die „Familienasyle“, die die Namen von Ständestaat-Lieblingsheiligen, vorwiegend Namenspatronen des politischen Personals, erhielten.

       Das „Heldendenkmal“ im Burgtor

      Das früheste gewollte und realisierte Denkmal der austrofaschistischen Ära reicht noch in die Erste Republik zurück: Mit der Einrichtung des Österreichischen Heldendenkmals im Wiener Burgtor erfolgte die austrofaschistische Neukodierung eines bereits bestehenden Denkmalbaus (Abbildung 18).

      Abbildung 18: Burgtor, Fassade zur Ringstraße

      Die Initiative für das Heldendenkmal im Burgtor nahe der kaiserlichen Hofburg am Burgring ging auf das Militär zurück, das im Februar 1934 wichtigster Verbündeter des Regimes bei der Unterwerfung der Sozialdemokratie werden sollte.

      Unter dem Titel „Der große Undank“ beklagte der Präsident der Vereinigung zur Errichtung eines österreichischen Heldendenkmals den Empfang, der den heimkehrenden Soldaten des Ersten Weltkriegs in Österreich bereitet worden war: „Bei der Heimkehr empfing die Braven kein Dank. Der Wehr beraubt, verspottet und verunglimpft […] ging das Millionenheer still auseinander.“ Der Verlust von Einkommen und Beschäftigung, aber vor allem von sozialem Status hatte den Soldaten der k. k. Armee nach dem Ersten Weltkrieg und der folgenden Republikgründung besonders hart zugesetzt. Die ehemaligen Soldaten fühlten sich nach Auflösung der Armee – auch mangels friedenstauglicher Berufsausbildung – als Verlierer der Republikgründung. Ein wenig Anerkennung boten die in vielen Orten der Provinz entstandenen Kriegerdenkmäler,147 ein solches Denkmal fehlte jedoch in Wien. Seit 1925 bemühte sich die Frontkämpfervereinigung um ein Wiener Kriegerdenkmal. Der Vorschlag zur Umgestaltung des Äußeren Burgtors zu einem Heldendenkmal stammte von Generalmajor Karl Jaschke. Auch von ziviler Seite wurden ähnliche Projekte betrieben; so bemühte sich ein Kommerzialrat Wallace um die Errichtung eines Grabmals des Unbekannten Soldaten in der Mitteldurchfahrt des Burgtors.148 Beide Intentionen – Kriegerdenkmal und Grab des Unbekannten Soldaten – wurden von Jaschke zusammengeführt. Man wünschte sich ein Denkmal für die toten und lebenden Soldaten des „Großen Krieges“, aber auch ein Denkmal der „Jahrhunderte alten ruhmreichen Armee, ein Denkmal der tausend Schlachten, in denen die Söhne Österreichs gefochten hatten“,149 Identifikationsort für die kaisertreue Armee als Statusgarant und Identifikationsobjekt einer rückwärtsgewandten gesellschaftlichen Gruppe, die mit der Republik wenig anfangen konnte und wollte. Bald kam es zur Gründung einer Vereinigung zur Errichtung des Denkmals, die sich unter den Ehrenschutz von Regierung, Erzbischof Kardinal Innitzer und den Landeshauptleuten stellte. Ehrenpräsident war Staatssekretär Generaloberst Alois Schönburg-Hartenstein, der wenig später in den Februarkämpfen 1934 „persönlich die großen militärischen Unternehmungen zur Unterdrückung der Schutzbund-Rebellion“ leiten sollte“.150

      Einen geeigneten Denkmalbau gab es bereits: Das Burgtor auf dem Heldenplatz. Das alte Tor, Teil der Stadtbefestigung vor der kaiserlichen Burg, war beim Abzug der napoelonischen Truppen 1809 gesprengt worden. Der existierende Bau wurde von Luigi Cagnola und – nach Planänderungen – Peter von Nobile im Auftrag Kaiser Franz’ I. (II.) als Symbol der Überwindung Napoleons durch die kaiserliche Armee errichtet und 1824 am Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig als deren Denkmal eröffnet.151 Das verteidigungstechnisch längst nutzlose Tor war also bereits als Denkmalbau konzipiert worden, so dass hier auf historischem Identifikationsmaterial aufgebaut werden konnte. Dieser Denkmalcharakter des Burgtors war in der Ersten Republik allgemein verständlich: Auch die Sozialdemokratie hatte 1928 zum zehnten Jahrestag der Republikgründung über eine Überformung des Burgtors nachgedacht.152

      Das Tor markiert den Zugang zum Platz vor der kaiserlichen Burg, der durch die beiden Standbilder Erzherzog Karls, des Siegers von Aspern gegen Napoleon, und des Türkensiegers Prinz Eugen von Savoyen bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts dynastisch-militärisch konnotiert war, worauf auch die Gestaltung des Heldenplatzes durch Gottfried Semper ab 1869 reagierte. Durch den Abbruch der Stadtmauern und die daraus folgende Freistellung erhielt das Tor zusätzlichen Denkmalcharakter als Solitärbau.153 Im Ersten Weltkrieg wurde das Burgtor als Kriegerdenkmal überformt: Am Fries wurden auf Initiative entsprechender Organisationen Wappen mit Lorbeerkränzen angebracht. Die Lorbeerzweige an der Vorderseite hatten Kaiser Franz Joseph I. und die im Ersten Weltkrieg verbündeten Souveräne gestiftet. Dazu kam die Inschrift „Laurum militibus lauro dignis“ mit der Jahreszahl 1916. Diese bereits bestehende Symbolfunktion des Burgtors als Stätte des Gedenkens an die kaiserliche Armee und an einen Krieg, der 1933 noch nicht lange zurücklag, mag den Ausschlag für die Wahl des Objekts gegeben haben, denn „die Stadt und der urbane Kontext bilden sich nicht als bloße Akkumulation isolierter Gebäude und Plätze, vielmehr als ein palimpsestartiges Gebilde ineinandergreifender Schichten und Partikel.“154

      Das Burgtor wurde der Denkmalinitiative von Handels- und Verkehrsminister Guido Jakoncig zur Verfügung gestellt, vorbehaltlich der Genehmigung des Umbaus durch Burghauptmannschaft und Bundesdenkmalamt.155 Es wurden Spenden gesammelt, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeworben,156 der „Wehrmann in Eisen“ wurde reaktiviert.157

      Architekt Silvio Mohr formulierte die Bedingungen für den Architektenwettbewerb zur Umgestaltung des Burgtors, der Ende Juli 1933 ausgeschrieben wurde. Im Mittelpunkt standen „1. Dank den Gefallenen, 2. Gedächtnis der Lebenden, 3. Ehrenmal der Armee, der Marine und der Luftfahrt vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.“158 Die Jury setzte sich aus zahlreichen hohen Militärs, Künstlern und Architekten des konservativen Lagers zusammen (Silvio Mohr, Othmar Schimkowitz, Justus Schmidt, Ernst Hegenbarth, Karl Sterrer, Ferdinand Andri, Michael Powolny, Anselm Weißenhofer, Fritz Zerritsch, Karl Holey, Clemens Holzmeister, Karl Krauß). Ende Oktober 1933 waren 173 Entwürfe eingelangt. Von neun prämierten Projekten kam drei in die Endauswahl, und zwar jene von Leo von Bolldorf, Rudolf Wondracek und Fellerer & Wörle. Fellerer war ein enger Mitarbeiter des Jurymitglieds Holzmeister, dessen Einfluss bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal kritisch kommentiert wurde: In einem anonymen Brief hieß es: „niemand wagt es auch nur im geringsten sich dem mächtigen Prof. Holzmeister offen entgegenzustellen, da er an der Spitze der wichtigsten Künstlervereinigungen steht.“159

      Die Siegerprojekte wurden am 18. Februar, nur wenige Tage nach der gewaltsamen Niederschlagung der Februarkämpfe durch das Bundesheer, im Messepalast der Öffentlichkeit präsentiert. Das Projekt von Rudolf Wondracek aus St. Pölten wurde zur Ausführung bestimmt. Wondracek (1886–1942) hatte in Wien bei Karl König und Otto Wagner studiert, bevor er 1913 zu Peter Behrens nach Berlin ging. Seit 1927 war er Architekt und Hochbaureferent im Stadtbauamt St. Pölten, eine Tätigkeit,


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