Unsichtbare Architektur. Inge Podbrecky

Unsichtbare Architektur - Inge Podbrecky


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der Rohes Denkmal für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin (1927; Abbildung 26).

      Abbildung 26: Ludwig Mies van der Rohe, Denkmal für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Berlin, 1926 (https://omg-deutschland.de/2017/08/30/ludwig-mies-van-der-rohe-denkmal-fur-rosa-luxemburg-und-karl-liebknecht-berlin/)

      Die avantgardistische, bis auf die Büsten völlig auf die Architektur eingeschränkte Form des Republikdenkmals war möglicherweise für den politischen Gegner „modern“ und sozialdemokratisch konnotiert. Immerhin finden sich in der sozialdemokratischen Denkmalkultur Wiens weitere Beispiele eines ähnlich reduzierten Denkmalstils: Das Denkmal für die zivilen Opfer des 15. und 16. Juli 1927 (Justizpalastbrand) am Wiener Zentralfriedhof, ebenfalls von Anton Hanak (1928), besteht aus drei enggestellten vertikalen Inschriftstelen (Abbildung 27.), und das Denkmal zur Errichtung des Wiener Stadions ist ein klar umrissener Steinblock mit Inschriften. Diese sachlich-nüchterne Formgebung scheint auf die „offiziellen“ sozialdemokratischen Denkmale beschränkt gewesen zu sein; im halböffentlichen Raum der Gemeindebauhöfe wurden gegenständliche Darstellungen bevorzugt.

Illustration

      Abbildung 27: Anton Hanak, Denkmal für die Opfer des Justizpalastbrands, 1928, Wien, Zentralfriedhof

      Vor seiner Entfernung noch im Jahr 1934 wurde das Republikdenkmal von den Austrofaschisten zunächst temporär verhüllt.

      Abbildung 28: Republikgründungsdenkmal nach den Februarkämpfen 1934 (Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek)

      Schon am 12. Februar 1934 wurden die drei Porträts der sozialdemokratischen Politiker mitsamt den Stelen mit schmalen, fahnenartigen Stoffbahnen mit Kruckenkreuzen verdeckt (Abbildung 28). Diese Stoffbahnen wurden auf Halshöhe der Porträtköpfe abgebunden, so dass die abstrakten Denkmalstelen mit den Köpfen zu anthropomorphen Stellvertretern menschlicher Figuren umgedeutet wurden. Die Kreuze kamen bei den flankierenden Stelen so zu liegen, dass sie wie Brustpanzer wirkten; aus Reumann und Hanusch waren abstrakte Kreuzritter geworden. Über dem Porträt von Victor Adler, der zentralen Figur des Denkmals, wurde ein Dollfußporträt aufgehängt, das von zwei dunklen Stoffbahnen mit Kruckenkreuzen gerahmt wurde und formal an eine katholische Prozessionsfahne erinnerte. Über dem Porträt, auf dem Querbalken, verdeckte eine Fahne mit mittlerem Kruckenkreuz die Inschrift. Das Denkmal wurde zum Altar umgedeutet, mit einem Dollfußporträt anstelle des Altarbilds, mit Kreuzessymbolik und Altarfiguren, geradezu die spätere Sakralisierung des Kanzlers nach seiner Ermordung vorwegnehmend. Die abstrakte, vage klassizistische Architektur des Denkmals war nun in Art eines Altars überformt. Diese Denkmalverhüllung stand nicht nur im Dienst der Tilgung der Erinnerung, sie illustrierte auch überdeutlich die politische Wende zum austrofaschistischen „Gottesstaat“, dessen Symbol auf dem kleinen Raum insgesamt sechs Mal angebracht wurde. Nur die Surrealität der verhüllten Büsten schien die quasisakrale Inszenierung zu brechen.

      Am 15. Februar 1934 begrüßte die „Reichspost“ die Verhüllung und verhöhnte das Denkmal als „Grabdenkmal der Republik“, für das sich auf einem Wiener Friedhof ein Platz finden würde.182 Bereits im April wurde auch die Straßenbezeichnung des Denkmalstandorts, bis dahin „Ring des 12. November“, in „Ignaz-Seipel-Ring“ und „Dr.-Karl-Lueger-Ring“183 geändert, so dass die Erinnerung an den Tag der Republikgründung ausgelöscht werden sollte.184 Hinter der Eile dieser damnatio memoriae, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen, steckte der dringende austrofaschistischen Wunsch nach Tilgung der Erinnerung an die verhasste Sozialdemokratie.

      Vom Republikdenkmal wurden wenig später die Büsten entfernt. Das Denkmal wurde auf denkbar simple Weise, nämlich durch die Anbringung von Fotos von Bundeskanzler Dollfuß, Heimwehrführer und Vizekanzler Emil Fey und Bundesführer der Vaterländischen Front, Ernst Rüdiger von Starhemberg umgewidmet,185 in der Folge verkleidet und noch 1934 abgetragen. Bürgermeister Schmitz meinte, dass das Republikdenkmal „kein Schmuck für die Stadt Wien und den schönsten Teil ihrer schönsten Straße“ gewesen sei.186 Dies mag neben den ideologischen Motiven eine Reaktion auf die avantgardistische Form gewesen sein. Für den Standort des Republikdenkmals, dem laut Schmitz „künstlerisch keine Bedeutung“ zukam,187 wurde ein Wettbewerb für ein „Denkmal der Arbeit“ ausgeschrieben.

       Das „Denkmal der Arbeit“

      Friedrich Grassegger vermutet, dass das „Denkmal der Arbeit“ den Wiener sozialdemokratischen Arbeitern einen Ersatz für das von den Austrofaschisten in großer Eile noch 1934 abgetragene Republikdenkmal bieten sollte. Anstelle von Persönlichkeiten sollte die Arbeit selbst gefeiert werden,188 eine magere und zynische Kompensation für eine große gesellschaftliche Gruppe, der man ihre Partei, ihre Institutionen und Organisationen gewaltsam genommen hatte.

      Der Wettbewerb für das „Denkmal der Arbeit“ sollte auch die städtebauliche Integration eines solchen Denkmals an der prominenten, aber städtebaulich problematischen Knickstelle der Ringstraße beim Parlament lösen und den Blick auf den Justizpalast verstellen, der nach dem Urteil im Schattendorf-Prozess am 15. Juli 1927 gestürmt und in Brand gesetzt worden war. Der Justizpalast war nicht einer 1927 angedachten Neubebauung gewichen, er war 1928 nur wiederhergestellt und aufgestockt worden. Außerdem wurde versucht, mit dem Projekt „der notleidenen Künstlerschaft zu helfen“. Bürgermeister Schmitz nahm die Idee für das „Denkmal der Arbeit“ für sich selbst in Anspruch, und Clemens Holzmeister schlug vor, die Monolithe des Republikdenkmals weiterzuverwenden.189

      Abbildung 29: Theiss & Jaksch/Ferdinand Opitz, Siegerprojekt für das Denkmal der Arbeit, 1935 (Profil 1935, 113)

      Die 115 Wettbewerbsbeiträge wurden von einer Jury gesichtet, die unter anderem den Bildhauer Michael Powolny und die Architekten Peter Behrens, Josef Hoffmann, Karl Holey und Clemens Holzmeister umfasste. Die Beurteilungskritierien waren: Versinnbildlichung des Gedankens der Arbeit; Wirkung der Gesamterscheinung; Gestaltung des Platzbildes und architektonische Durchbildung.190 Das Siegerprojekt, am 22. Jänner 1935 gekürt, war ein Projekt der Architekten Theiss & Jaksch/Bildhauer Ferdinand Opitz mit dem Titel „Frühling“ (Abbildung 29): Das segmentförmige Grundstück wurde mit einer flachen Terrasse mit dem Grundriss eines fragmentierten Kreisrings akzentuiert. Eine asymmetrisch angeordnete Folge flacher Stufen führte an zwei Seiten der Anlage zum höhergelegenen, hinteren Teil hinauf, der links durch einen breiten Inschriftstein abgeschlossen wurde. Das Aufeinandertreffen der Treppenläufe wurde mit einer Reliefstele betont, die Arbeitsszenen zeigte und an der oberen Kante mit der Inschrift „Arbeit“ abgeschlossen war. Stele und Inschrift waren die einzigen skulpturalen Zutaten des sonst architektonisch gestalteten Monuments. Der erste Entwurf für die vierseitige, gedrungene Stele mit ihren tief unterschnittenen, großformigen Reliefs erinnert an Totempfähle oder folkloristische Produkte des Nordens. In jedem Fall war die flache Konzeption der Gesamtanlage, die von reichlicher Bepflanzung hinterfangen war, erstaunlich zurückhaltend und modern in Gestus und Dimensionen – nicht zuletzt deshalb, weil sie den Blick freigeben sollte auf ein dahinter gelegenes „Haus der Stände“, für dessen Planung sich die Architekten auf diese Weise empfehlen wollten.191 Die Fassade des Ständehauses sollte in Art einer Exedra, die dem Denkmalgrundriss folgte, gestaltet werden – Erinnerungen an das nahe gelegene Sempersche Kaiserforum,


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