Unsichtbare Architektur. Inge Podbrecky

Unsichtbare Architektur - Inge Podbrecky


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      Der Entwurf von Heinzle/Simony (Abbildung 41) verzichtete weitgehend auf monumentale Akzente: Ausgehend von der Nordkante der Amalienburg stellten die Entwerfer einen gepflasterten Reckeckplatz, von einer niedrigen Pfeilerhalle mit Reliefs umzogen, in den Platzraum ein. Dieser hortus conclusus sollte ein Dollfußdenkmal und eine Adlersäule enthalten.

      Abbildung 41: Josef Heinzle/Stefan Simony, Wettbewerbsentwurf für das Dollfußdenkmal (Profil 1936, 447)

      Das Dollfußdenkmal von Clemens Holzmeister war 1938 bis auf die Reliefs fertiggestellt und wurde dann abgetragen. Der künstlerische Entwurf war wenig originell; Sarkophage und Mensen gehörten seit den 1910er Jahren zum Kernrepertoire der Grabmal- und Denkmaltypologie, die damals ihrerseits auf Vorbilder der Klassik, der Klassizismus und des Biedermeier zurückgriff, wie zum Beispiel das Loudongrab an der westlichen Peripherie Wiens. So zeichnete zum Beispiel Josef Hoffmann im Rahmen der Frage nach der Gestaltung von Kriegerdenkmälern 1917 einen Entwurf mit einer Sarkophagmensa (Abbildung 42).229

      Abbildung 42: Josef Hoffmann, Entwurf für ein Kriegerdenkmal, 1915 (Kunst und Kunsthandwerk XX [1917], 1, 9)

      Einen ähnlichen Entwurf in kleinerem Maßstab hatte Holzmeister selbst schon für ein Kriegerdenkmal im Garten der Pädagogischen Akademie in Innsbruck realisiert. Auch Holzmeisters Denkmal für die Exekutive in Ankara, insbesondere seine Rückseite, geht von einer ähnlichen Grundlage aus, dort bereichert um einen Figurenfries.230

       Die „Dollfuß-Führerschule“

      Das Gebäude, das nach einem Standortwechsel im Schönbrunner Fasangarten errichtet wurde, war das Ergebnis der stückweisen Demontage eines zunächst recht ambitionierten Projekts für ein Dollfußnationaldenkmal der Vaterländischen Front, dessen Geschichte L. Dreidemy erstmals ausführlich publiziert hat.231 Kanzler Schuschnigg war für ein Forum nach dem Vorbild des römischen Foro Mussolini, das der Ausbildung von Jugendführern dienen und unter anderem durch eine Lotterie finanziert werden sollte. Wie so oft saß Clemens Holzmeister nicht nur im entsprechenden Ausschuss, er übernahm auch gleich die Planung für die Anlage, die auf einem Grundstück in unmittelbarer Nähe seiner Seipel-Dollfuß-Grabeskirche auf der Schmelz errichtet werden sollte (Abbildung 43). Das Projekt sollte das einzige staatlich gewollte Kolossalprojekt des Austrofaschismus bleiben.

      Abbildung 43: Clemens Holzmeister, Entwurf für eine „Dollfuß-Führerschule“ am Vogelweidplatz (Universitätsbibliothek Wien, Projektmappe)

      Die „Anlage zur Ertüchtigung der Jugend, verbunden mit einer Akademie zur Heranbildung entsprechender Lehrkräfte“, hatte das „am Monte Mario bei Rom vor zwei Jahren errichtete Mussolini-Forum“ zum Vorbild.232 Der zitierte Text ist einer der wenigen expliziten Hinweise auf die Vorbildwirkung der Architektur des italienischen Faschismus für Österreich. Der erste Abschnitt des Foro Mussolini (heute Foto Italico, Abbildung 44), eines monumentalen Komplexes von Schulungsgebäuden und Sportstätten, war im November 1932 am Jahrestag des Marsches auf Rom eröffnet worden. Am Nordrand der Stadt zwischen dem Tiber und dem Abhang des Monte Mario gelegen, war es ein Versuch Mussolinis, dem antiken Forum Romanum etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Initiator war Renato Ricci, Leiter der faschistischen Jugendorganisation „Opera nazionale Balilla“, dem eine Ausbildungsstätte zur ideologischen und sportlichen Indoktrinierung der Jugend in einem einzigen architektonischen Komplex vorschwebte. Das Zentrum des ersten Bauabschnitts der Anlage bildete die Accademia Fascista dell’Educazione fisica, bestehend aus zwei symmetrischen, quer verbundenen Blöcken. Durch einen Bogen gelangte man in das monumentale, axial auf die Accademia bezogene Stadio dei Marmi mit seinen Kolossalstatuen von Sportlern. Seitlich lag das zweite Stadion, das 100.000 Zuschauerinnen und Zuschauer aufnehmen konnte. Der weite Vorplatz enthielt das symbolische Denkmal der Anlage, einen 18 Meter hohen monolithen Obelisk mit der vertikalen Inschrift „Mussolini Dux“.233 Die Gebäude des Foro Mussolini sind in einem synkretistischen Stil gehalten, der historische Vorbilder im Sinn des Novecento romano, des frühen „offiziellen“ Stil des italienischen Faschismus, nicht wörtlich zitiert, sondern symbolisch und materiell assoziiert, so dass ein Eindruck einer „Romanità“ entsteht, die dem antiken Rom ein neues, eben das mussolinianische, gleichberechtigt entgegensetzen sollte.

      Abbildung 44: Enrico Del Debbio, Masterplan für das Foro Mussolini (heute Foro Italico), Rom, 1928 (Architettura, Februar 1928, 66)

      1936 konzipierte Clemens Holzmeister, der umfangreiche Baukomplexe bereits während seiner Tätigkeit unter Atatürk im Regierungsviertel von Ankara bewältigt hatte, eine vom Foro Mussolini inspirierte Anlage für das Grundstück des heutigen Stadthallenkomplexes am Vogelweidplatz. Der dortige Schmelzer Friedhof, in den 1920er Jahren zum sogenannten Märzpark umgestaltet,234 war der Friedhof der Gefallenen der Revolution von 1848. Vom Austrofaschismus war der Platz bereits durch Dollfuß’ Grabeskirche überformt, an die das Forum östlich anschließen sollte. Holzmeister nahm die Versatzstücke von Del Debbios Foro Mussolini – zwei Stadien, Obelisk, Gebäude – und arrangierte sie neu. Die Hauptachse der Anlage war die verlängerte Sorbaitgasse, die auf die Chorwand der Dollfußkirche und damit auf die Krypta mit den Gräbern von Dollfuß und Seipel zulief. Nördlich davon lag die „Führerschule“, die der Ausbildung von Jugendführern der Vaterländischen Front dienen sollte. Zwischen Schule und Kirche projektierte Holzmeister ein Schwimmbecken, in dem man mit Blick auf die Grabeskirche schwimmen hätte können. Der dreiflügelige Ehrenhof der eigentlichen „Führerschule“ (Abbildung 43) öffnete sich nach Süden zur Breitseite des Stadions, dessen Zugang durch einen hohen Turm betont war. Nördlich hinter der Führerschule lag damals der Fußballplatz des traditionsreichen Penzinger Clubs „Red Star“, den Holzmeister zur „Kampfbahn“ umfunktionierte. Holzmeisters Zeichnung der Gesamtanlage ist relativ summarisch, eine besondere Rolle spielte aber der Turm, der Gebäude und Stadion axial verband, zwischen dem versenkten Parterre des Ovals und der höher gelegenen Schule vermittelte und der mit einer Inschrift als eigentliches Dollfußmemorial ausgewiesen war. Obwohl der Turm von Holzmeister als „Obelisk“ bezeichnet wurde, war er ein flach geschlossener, quadratischer und begehbarer Turm, der mit einem spiralförmig angeordneten Fries mit Darstellung des „Aufmarschs der Stände“ zugleich auf antike Triumph- und Memorialsäulen wie die Trajans- oder die Marc- Aurel-Säule in Rom, aber auch auf die Säulen der Wiener Karlskirche verwies – allerdings mit eckigem Grundriss, ein in der Architekturgeschichte aus gutem Grund seltener Fall (Abbildung 45). Die Kombination von Stadion und Turm hatte eine etwa gleichzeitige Parallele in Werner Marchs Glockenturm auf dem Berliner Maifeld, der in Zusammenhang mit dem Olympiastadion von 1934 bis 1936 errichtet wurde. Ähnlich wie Holzmeisters „Obelisk“ wurde der wesentlich höhere Berliner Turm in die Längsseite der Ränge gestellt, wo sein Aufragen ohne weitere Vermittlung wesentlich zur Monumentalisierung beitrug. – Holzmeisters Turm wurde von einem riesigen dreidimensionalen Kruckenkreuz bekrönt, das als parteipolitisches Symbol und zugleich als sakralisierendes Element wirksam wurde. – Ähnliche schlanke, in der Höhe überdehnte Türme, deren Proportionen an italienische Geschlechtertürme erinnern, hat Holzmeister in sakralem wie profanem


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