Unsichtbare Architektur. Inge Podbrecky
mit glatten Flächen – für den Platz der Vilayets mit dem Denkmal der Türkei in Ankara, wo er den Turm ebenfalls wie eine Stele axial in einen Ehrenhof stellte (Abbildung 45).235
Abbildung 45: Clemens Holzmeister, Turm für das „Dollfußforum“ (HOLZMEISTER, Bauten, 286) und für den Platz der Vilayets, Ankara, um 1932/1933
Für die Kombination eines stelen- oder pfeilerförmigen Elements mit einem bekrönenden Kreuz gab es Vorläufer in der kleinen Form der Kriegerdenkmalsentwürfe der 1910er Jahre, zum Beispiel von Josef Hoffmann als Grabdenkmal für einen Waldfriedhof (Abbildung 46).236
Abbildung 46: Josef Hoffmann, Entwurf für ein Kriegerdenkmal, 1917 (Kunst und Kunsthandwerk XVIII [1915], 286).
Das Stadion war ähnlich wie sein römisches Vorbild nur mit umlaufenden Stufen für Stehplätze ausgestattet und an seinem Rand mit Figuren besetzt. Holzmeister waren die römischen Projekte mit Sicherheit bekannt. Er hatte im Sommer 1932, als der erste Abschnitt des Foro Mussolini kurz vor seiner Fertigstellung stand, in Rom einen Vortrag über den modernen Kirchenbau gehalten. Die aktuelle römische Architektur empfand er bei diesem Besuch als retrospektiv.237 Holzmeister hatte von 1923/1924 bis 1927/1928 in Bozen zusammen mit dem Architekten, Bergsteiger und Schauspieler Luis Trenker ein Architekturbüro unterhalten, in Südtirol unter den italienischen Faschisten gebaut und war mit der Architektur des Novecento vertraut.238 Auch Kanzler Schuschnigg, der 1934 und später mehrmals nach Rom reiste, hat das Foro Mussolini mit Sicherheit gekannt.
Im Juli 1936 war Holzmeisters Projekt vom Tisch – vielleicht, weil Schuschnigg von Anfang an den Fasangartenstandort favorisiert hatte.239 Für den Forumsbauplatz am Vogelweidplatz regte die Gewerbliche Fortbildungsschule Mollardgasse die Errichtung von Sportstätten für den eigenen Gebrauch an. An der Hütteldorfer Straße sollte eine Badeanstalt entstehen, an der Gablenzgasse eine Turnhalle mit Umkleiden. Gegenüber der Kirche war ein „besonders würdiger Charakter“ gefordert, dem ein Verwaltungsgebäude entsprechen sollte. Ein Eislaufplatz im Anschluss an den bestehenden Red Star-Fußballplatz sollte die Anlage ergänzen.240 Der Cluster von Sportstätten an diesem Standort präfigurierte den nach dem Zweiten Weltkrieg hier errichteten Stadthallenkomplex.
Die „Führerschule“ wurde am Südostende des Schönbrunner Schlossgartens nach einem Entwurf von Robert Kramreiter in ganz anderer Form, in wesentlich reduzierten Dimensionen und an einem fast unsichtbaren Standort innerhalb des Schönbrunner Schlossgartens erbaut. Der Spatenstich erfolgte am 27. März 1937, am selben Tag wie die Grundsteinlegung für das Haus der Vaterländischen Front, zugleich Dollfuß’ dritter Todestag.241 Die Anlage sollte die Jugendführerschule, ein Internat, eine Ehrenhalle, eine Kapelle und ein Freilufttheater des „Neuen Lebens“ für 1.500 Personen enthalten (Abbildung 47). Das Theater mit seiner Einbettung in die umgebende Natur mag sich unter anderem deutschen Anregungen, etwa der Berliner Waldbühne (1936), verdankt haben.242
Abbildung 47: Robert Kramreiter, Entwurf für eine „Dollfuß-Führerschule“ im Schönbrunner Fasangarten, Modellfoto (Österreichische Kunst [Jänner 1938], 5)
Kramreiter gestaltete einen symmetrischen Dreiflügelbau mit mittlerem Ehrenhof und Walmdächern, wie ihn bereits Holzmeister für das Dollfußforum vorgesehen hatte. Auch der Standort nahe Schloss Schönbrunn legte wohl einen symmetrischen Ehrenhof nach barocken Vorbildern nahe. Der dreigeschoßige Haupttrakt enthielt die Schule und an der Rückfront kreuzförmig vortretende Kapelle, deren Fassade mit Rundbogennischen in drei Geschoßen an Kramreiters eigene Kirchenfassade für Floridsdorf erinnert, die damals in Bau war. Solche geschoßweise angeordneten Rundbogenöffnungen hat auch Clemens Holzmeister oft und gerne verwendet, zum Beispiel bei der Kapelle der Schulschwestern in Linz. Kramreiter selbst gebrauchte das Motiv zum Beispiel an der etwa gleichzeitig erbauten Kirche Maria Königin des Friedens.
Die Mittelachse von Kramreiters Entwurf war durch eine symmetrische Freitreppe und eine Rechtecknische über die gesamte Bauhöhe betont, wie er sie bereits für den österreichischen Pavillon in den Giardini in Venedig entworfen hatte (Abbildung 219). Einige Motive, wie die diaphane Struktur mit großer Ordnung vor den Eckpavillons, erinnern an Holzmeisters Bad Ischler Kurhaus oder an die „Halle der seelischen Gesundheit“ der Dresdner Hygiene-Ausstellung von 1930, die vom Wiener Stadtbauamtsmitarbeiter Gottlieb Michal entworfen worden war (Abbildung 48).
Abbildung 48: Gottlieb Michal, Hygieneausstellung Dresden 1930, Halle der seelischen Gesundheit (ANNO/ÖNB Bau-und Werkkunst 1930, 161)
Die Zeitschrift „Österreichische Kunst“ empfand Kramreiters Ehrenhofanlage „gegenüber der quälenden, kasernenartigen Nüchternheit, die mehrere Zweckbauten der allerletzten Zeit in Wien zeigen“, als „wohltuend“.243
Kramreiters Projekt gedieh nicht weit. 1939 diente das, was bis dahin gebaut worden war, als Fundament für ein Nebengebäude einer nahe gelegenen NS-Kaserne.244 Von 1949 bis 1951 wurde im Fasangarten nach anderen Plänen ein Gebäude für die Gartenbauschule errichtet.
Katholisch-dynastische Denkmäler für Marco d’Aviano und Kaiser Franz Joseph
Das Marco-d’Aviano-Denkmal
Ein wichtiger Aspekt des austrofaschistischen politischen Katholizismus war, wie bereits gesagt, die Betonung der Rolle Österreichs als Bollwerk des Christentums in den Türkenkriegen. Die Erinnerung daran, von den Austrofaschistischen kultiviert, bot den Anlass, „alte, uralte Ängste zu reaktivieren“,245 die sich einerseits auf den Bolschewismus, die „Gefahr aus dem Osten“ bezogen, andererseits aber auch auf das nationalsozialistische Deutschland: „Nun erhebt sich in unserem 20. Jahrhundert eine heidnische Bewegung von Norden her, die uns das Kreuz als unheldisch verekeln, es von den Altären und Türmen verweisen und dem Gespött der Welt preisgeben und verächtlich machen will.“246
Eine bedeutende historische Figur für den politischen Katholizismus war der oberitalienische Kapuzinerpater Marco d’Aviano (1631–1699.), denn er bot reichlich austrofaschistisches Identifikationspotential. Als Vertrauter Kaiser Leopolds I., im Beisein des Kaiserpaars verstorben und in der Kapuzinerkirche nahe der kaiserlichen Grablege beigesetzt, und als Einiger der christlichen Heerführer, der die Soldaten vor der Entsatzschlacht von Wien 1683 mit dem Kreuz angefeuert haben soll, trafen in Avianos Person habsburgische, katholische und militärische Bezüge zusammen. Am Morgen der Schlacht, die zum Entsatz Wiens bei der zweiten Türkenbelagerung 1683 führte, hat der Pater eine Messe gelesen, bei der der polnische König Jan III. Sobieski ministriert haben soll. – Als „Retter des Christentums“ vor den „Ungläubigen aus dem Osten“ war die Erinnerungsfigur Marco d’Aviano vom Bundeskanzler selbst verordnet worden. Bereits im Rahmen des Katholikentags 1933 fand eine Prozession zu Ehren Marco d’Avianos vom Stephansdom zur Kapuzinerkirche sowie eine Messe an seinem Grab statt.247 Mit dem Bezug zu den am Entsatz beteiligten Armeen und mit den zahlreichen Kriegerdenkmalen für einzelne Regimenter der k. k. Armee war die Kapuzinerkirche auch ein traditioneller militärischer Erinnerungsort.
Das Avianodenkmal sollte durch Spenden