Unsichtbare Architektur. Inge Podbrecky

Unsichtbare Architektur - Inge Podbrecky


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und zur Entscheidung für eine Freifigur, denn links von der Fassade wurde ein kleiner Hof geöffnet, der als eine Art Freiluftkapelle eine Statue aufnehmen konnte.249 Im Jänner 1934 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben. Im Sommer langten Entwürfe von Gustav Jekel, Edwin Grienauer, Alfons Riedel und Franz Santifaller ein, außerdem ein Entwurf außer Konkurrenz von Hans Mauer (1879–1962). Mauers Entwurf setzte eine Darstellung d’Avianos von Rudolf Sagmeister auf dem Titelblatt einer Broschüre des Denkmalkomitees fast wörtlich um.250 Auch auf einer 1934 aufgelegten Plakette von J. Trautzl war der Kapuziner mit dem erhobenen Kreuz dargestellt, ebenso auf einem Epitaph von 1891 im Kircheninneren.251 Die Entwürfe der Beteiligten unterschieden sich nur wenig: Edwin Grienauer und Hans Mauer hatten den Pater im Voranstürmen mit erhobenem Kreuz dargestellt. Grienauers Figur war stärker stilisiert als die von Mauer. Alfons Riedel zeigte Aviano mit erhobenem Kreuz in einer statischen Pose, während in Franz Santifallers Entwurf einen nachdenklichen Mann mit gesenktem Kreuz, wie nach vollbrachter Mission, dargestellt war.252 Obwohl Franz Santifaller den Wettbewerb gewonnen hatte, bestand Kardinal Innitzer auf der Realisierung von Mauers Vorschlag (Abbildung 49).253

      Abbildung 49: Marco-d’Aviano-Denkmal, Entwürfe von Franz Santifaller (links, Profil 1935, 393) und Hans Mauer (rechts, ausgeführt)

      Die Figur wurde so aufgestellt, dass sie von der Kärntner Straße aus durch die eigens so benannte Marco-d’Aviano-Gasse sichtbar ist. „Im Mönchsgewand, barfuß, in ekstatischer Bewegung“ ist die Figur naturalistisch ohne Bezug auf die neoklassizistischen Tendenzen der 1930er Jahre gestaltet. Bildhauer Mauer, ein Schüler von Karl Kundmann und Caspar von Zumbusch, „Vertreter eines maßvollen Neubarock“,254 war in der Tradition der Ringstraßen-Denkmäler ausgebildet worden.

      Marco d’Aviano ist überlebensgroß und im Voranschreiten dargestellt, in der hoch erhobenen rechten Hand das Kreuz, das er den „Ungläubigen“ entgegenhält. Diese Ikonografie wurde in einer Broschüre des Denkmalkomitees 1934 beschrieben, wo es hieß, dass der Pater „nur mit dem Reliquienkreuze – als Waffe – […] in der vordersten Reihe des Entsatzheeres“ stand. Er hätte es „blitzschnell gegen den Feind“ gewandt, wobei er sprach: „Ecce crucem Domini, fugite partes adversae!“255 Das eindringliche Zeigen des Kreuzes, das dem Betrachter unübersehbar entgegen gehalten wird, ist eine deutliche Bezugnahme auf die habsburgische Kreuzesfrömmigkeit, wie sie zum Beispiel in der Legende vom Ferdinandskreuz256 in Anspielung auf die Kreuzesvision Kaiser Konstantins vor der Schlacht an der Milvischen Brücke tradiert wurde. Deren überlieferte Worte, „In hoc signo vinces“, finden sich auf dem von Kaiser Leopold I. gestifteten Turmkreuz für den Südturm des Stephansdoms wieder. Bei seiner Weiherede am 11. September 1934 – dem Jahrestag von Dollfuß’ Trabrennplatzrede und dem Abend vor der Schlacht auf dem Kahlenberg – zog Kardinal Innitzer explizite Parallelen zwischen d’Aviano und Dollfuß, dem „Kreuz- und Fahnenträger des neuen Österreich.257

      Die Kapuzinerkirche, eine Stiftung von Kaiser Matthias’ Witwe Anna aus dem Jahr 1617, war wegen der dort eingerichteten Kaisergruft der Habsburger selbst ein wichtiger Erinnerungsort. Die frühbarocke Kirche hatte seit 1842 eine Fassade in Formen des Romantischen Historismus – eines „kleinlichen romantischen Aufputzes“, wie Anselm Weißenhofer 1935 fand.258 Die Überarbeitung der Kirchenfassade wurde Otto Wytrlik und Ludwig Tremmel übergeben, die den Dekor umgehend entfernten. Beibehalten wurden das Oculum mit den flankierenden Rundbogenfenstern und das Portalhäuschen vom frühbarocken Bau. Die Fenster wurden mit breit vortretenden, manschettenartigen Faschenrahmungen gestaltet, in den Giebel malten Rudolf Holzinger und Hans Fischer ein großes Fresko mit der Darstellung der Gewährung des Portiunkula-Ablasses an den heiligen Franz von Assisi. Davor wurde ein großes Kreuz montiert, das auf Marco d’Avianos in der Schlacht von 1683 verwendetes Kreuz verweist. Die Fassadengestaltung greift in ihrer Nüchternheit auf das franziskanische Ideal zurück, zieht aber mit den wenigen zeitgeistigen Elementen auch Verbindungen zum zeitgenössischen Kirchenbau her, dessen Fassadengestaltungen sich oft auf wenige geometrische Elemente beschränkten. Auch der Zugang zur Kaisergruft wurde neu gestaltet.259 Anlässlich der Enthüllung des Avianodenkmals im Rahmen der Wiener Festwochen am 2. Juni 1935 wurde das angebliche Originalkreuz Marco d’Avianos aus Cattaro/Kotor ausgeliehen und in einem Festzug mit zahlreicher militärischer Präsenz auf den Kahlenberg, per Schiff nach Korneuburg und Klosterneuburg und dann zur Festmesse in den Stephansdom gebracht. Abends gab man in der Urania ein Weihespiel zur Person Marco d’Avianos.260

       Das Kaiser-Franz-Josephs-Denkmal

      Ein wichtiger Eckpfeiler der austrofaschistischen Doktrin war die Verehrung des Hauses Habsburg, insbesondere der Kaiserin Maria Theresia als Repräsentantin der besonders „österreichischen“ Bezugsepoche des Barock, und des vorletzten Kaisers Franz Joseph I. (1830–1916), der über seine lange Regentschaft zur legendären Figur geworden war. 1935 fand in der Secession eine große Kaiser-Franz-Josephs-Ausstellung statt. Dort zeigte man die Entwicklung der österreichischen Kunst von Waldmüller über Makart zu Klimt. In Schönbrunn, Geburts- und Sterbeort des „Alten Kaisers“, wurden seine Persönlichkeit und seine Epoche durch Kunstwerke und Erinnerungsstücke geschildert.261 Während das Maria-Theresien-Denkmal auf dem gleichnamigen Platz zwischen den Museen an der Ringstraße bereits bestand, fehlte in Wien trotz früherer Projekte (zum Beispiel von Otto Wagner für den Karlsplatz, 1904, oder von Adolf Loos für die Gartenbaugründe, 1911) ein monumentales Franz-Josephs-Denkmal.

      Eine „Vereinigung zur Errichtung eines Kaiser-Franz-Josephs-Denkmals“ wurde im Februar 1936 gegründet,262 ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, der auch den Standort betraf. Als Standorte wurden der Michaelerplatz, damals ein „Autokarussell“263 (ein Kreisverkehr), der Heldenplatz und der Platz vor der Votivkirche diskutiert. Die Juroren des Wettbewerbs, Peter Behrens und Ferdinand Andri, fanden den „Dollfuß-Platz“ vor der Votivkirche ungeeignet, denn ein Kaiserdenkmal vor der ebenfalls als Kaiserdenkmal errichteten Votivkirche wäre eine unpassende doppelte Besetzung des Ortes gewesen. Ihre Wahl fiel auf drei Projekte: Erstgereiht wurde ein Entwurf von Clemens Holzmeister und Hans Andre, der den Kaiser in „zeitlosem Imperatorengewand“ vor dem Leopoldinischen Trakt zeigte, wie er sich vom Thron erhob, „als ob er wichtige Worte kundgeben wolle.“264 Dem Entwurf wurde eine interessante Silhouette bestätigt, auch die Möglichkeit, am Thron allerlei Herrschaftssymbole anzubringen. Ein zweiter Preis ging an ein Projekt von Josef Müllner für den Michaelerplatz. Er sah im Entwurf einen in Art einer Triumphsäule stilisierten Sockel aus „Relieftrommeln“ vor, auf dem der Kaiser stehend im Ornat dargestellt war, ein Projekt, das „außerordentlich sich einpasst, ohne das reich gegliederte Äußere Burgtor in irgendeiner Weise zu schmälern.“265 Den dritten Platz erzielte ein architektonischer Entwurf von Clemens Holzmeister für den Michaelerplatz, der sich auf einen gedrungenen Obelisken mit einem kronentragenden Genius beschränkte, sicherlich der modernste der drei Entwürfe (Abbildung 50).266 Anfang 1937 referierte die Reichspost eine andere Variante der Jurorenreihung: Müllner vor Holzmeister/Andre.267

      Abbildung 50: Clemens Holzmeister, Entwurf für ein Kaiser-Franz-Josephs-Denkmal auf dem Michaelerplatz (HOLZMEISTER, Bauten, 157)

      Mittlerweile waren noch weitere Standorte ins Gespräch gekommen – Schönbrunn, der Burggarten, sogar eine Versetzung der Reiterdenkmäler am Heldenplatz wurde diskutiert, um das Kaiserdenkmal axial zu Burg und Maria-Theresien-Denkmal zu platzieren. Auch über die Art einer möglichen Kaiserdarstellung schieden sich die Geister: Jüngling oder Greis, in Uniform, im Ornat oder in zeitloser Kleidung, sitzend, stehend, schreitend? Eine Spende ermöglichte 1937 die Durchführung eines zweiten Wettbewerbs. Die Jury bestand aus Leopold Bauer, Ferdinand Andri, Josef Bittner


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