Verlorenes Land. Andreas M. Sturm

Verlorenes Land - Andreas M. Sturm


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spielte um Dr. Buchmanns Lippen, als er die schlanke Silhouette der einsamen Spaziergängerin bemerkte, die geradewegs auf seine Bank zusteuerte. Immer schön melodramatisch, die liebe Eva, ging es ihm durch den Kopf, und das Lächeln wurde zu einem wölfischen Grinsen. Sie hätte ja auch zu ihm in die Dienststelle kommen oder ein Treffen in einer Gaststätte vereinbaren können. Doch egal, heute war ein schöner Tag, ein Hauch von Frühling wehte durch den Großen Garten, und von der gegenüberliegenden Wiese lächelten die Schneeglöckchen zu ihm herüber. Bald ist es Zeit für den Garten, dachte Dr. Buchmann glücklich, rekelte sich zufrieden auf der Bank und ließ die Sonne in sein Gesicht scheinen.

      Sein nächster Gedanke vertrieb den kurzen Moment des Glücks. Eva tat gut daran, vorsichtig zu sein. Die Wachsamkeit gegenüber dem Klassenfeind durfte nie nachlassen. Wenn sie ihn in diesen abgelegenen Winkel des Parks bestellte, würden gute Gründe dafür vorliegen.

      Als die langjährige Kampfgenossin vor seiner Bank stehen blieb, stand Dr. Buchmann auf und drückte sie fest an sich. »Es ist viel Wasser die Elbe hinabgeflossen, seit unserem letzten Treffen. Schön dich zu sehen.«

      Eva lächelte ihn herzlich an und setzte sich dicht neben ihn.

      Da ihre letzte Begegnung über drei Jahre zurücklag, hatten sich die zwei eine ganze Menge zu erzählen. Nachdem sie sich ausgetauscht hatten, lehnte sich Dr. Buchmann entspannt zurück. »Also, Evchen, wenn du mich hierher zitierst, dann muss es einen triftigen Grund dafür geben. Wo drückt der Schuh?«

      Eva boxte ihm freundschaftlich in den Oberarm. »Zitiert? Ich habe dich lieb gebeten, alter Brummbär.« Unvermittelt wurde sie ernst. »Hast du das von Siegfried gehört?«

      Dr. Buchmann pfiff leise. »Aha, daher weht der Wind. Hast du was mit der Sache zu tun?«

      »Also bitte! Weißt du schon Näheres?«

      »Nicht viel, nur dass er aus nächster Nähe erschossen wurde, hingerichtet. Ich vermute, dass ein Racheakt dahintersteckt.«

      Eva nickte nachdenklich. »Unangenehme Sache. Das Dumme ist, dass seine Frau, die blöde Kuh, der Polizei meinen Namen genannt hat. Zwei Kriminalisten sind im Geschäft aufgekreuzt und haben Fragen gestellt. Ich brauche dir nicht zu erklären, welche Auswirkungen das haben kann.«

      »Und ich soll dir das Problem vom Hals schaffen.« Seine Miene versteinerte.

      »Du weißt, wie wichtig meine Arbeit ist.«

      Er schien etwas abzuwägen. Als er zu einem Schluss gekommen war, reichte er ihr die Hand. »Ich kümmere mich um die Angelegenheit.«

      »Eins noch.« Eva hob die Stimme. »Die beiden Bullen hießen Unger und Friedrich. Unger kannst du vergessen, der ist ein notgeiler, selbstverliebter Idiot. Der andere aber hat es faustdick hinter den Ohren, auf den solltest du ein Auge haben.«

      »Ich werde es mir merken.«

      Eva wollte aufstehen, doch er hielt ihre Hand fest. »Du kannst es mir sagen, wenn du Siegfried das Licht ausgeknipst hast.« Er schaute ihr prüfend in die Augen.

      Sie hielt seinem Blick stand und zuckte nicht mit der Wimper.

      Dr. Buchmann ließ ihre Hand los, lächelte breit und hob die Schultern. »Na ja, Siegfried ist kein großer Verlust. Früher, ja, da stand er treu zu unserer Sache. In letzter Zeit hat er nur noch in die eigene Tasche gewirtschaftet.«

      Als sie sich erhob, stand er ebenfalls auf und drückte sie an sich. »War schön, dich wiederzusehen. Das können wir ruhig bald wiederholen. Und du musst nicht auf einen Mord warten, um dich bei mir zu melden. Komm doch wie früher einfach wieder zum Schießtraining. Du schuldest mir noch eine Revanche seit unserem letzten Wettbewerb.«

      Er lachte leise, und sie stimmte ein. »Ist eigentlich eine gute Idee.« Eva hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, winkte ihm noch einmal fröhlich zu und lief eilig davon.

      13

      Uwe und Ludwig saßen sich in ihrem Büro gegenüber und blätterten deprimiert in den vor ihnen liegenden Akten. Obwohl die Kollegen fleißig gewesen waren, hatten sie eine magere Ausbeute erzielt. Die Ermittlungen in Rosts Umfeld bei Pentacon und der Kampfgruppe hatten nichts Neues zutage gefördert. Im Wesentlichen bestätigten sämtliche Personen die Aussagen von Rosts Vorgesetztem.

      Durch geschicktes Nachforschen war es den Polizisten gelungen, Frau Dorns Liste der mutmaßlichen Geliebten von Rost zu überprüfen und zu vervollständigen. Die Befragungen dieses Personenkreises stellten sich als außergewöhnlich kompliziert heraus. Nur durch äußerstes Fingerspitzengefühl konnten die betreffenden Frauen zur Zusammenarbeit bewegt werden. Jedoch nicht alle. Einige stellten sich quer und verweigerten die Kooperation.

      Die Genossen standen vor der Mammutaufgabe, sich mühsam durch die Namensliste zu arbeiten und den Hintergrund der Frauen sowie der zugehörigen Partner zu durchleuchten. Erst wenn wirklich feststand, dass tatsächlich eine Liebesbeziehung zu Rost bestanden hatte, wurden die Alibis überprüft. Bis zum jetzigen Zeitpunkt tendierten die Ergebnisse dieses Ermittlungsansatzes gegen null.

      Auch die Klingeltour in der Umgebung des Tatortes hatte nichts von Belang ans Tageslicht gebracht. Keiner kannte Rost, und niemand wusste, ob irgendeiner der Nachbarn Antiquitäten privat verkaufte.

      Nach mehreren Stunden erfolglosen Blätterns in den Berichten und dem Vergleichen der vorliegenden Fakten schlug Ludwig schließlich den Ordner zu und schnaufte frustriert. »Wenn das so weitergeht, gute Nacht.«

      »Wir stehen doch erst am Anfang«, versuchte Uwe zu beschwichtigen. »Die Kollegen haben sich ja noch gar nicht richtig warmgelaufen.«

      Ludwig lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. »Spar dir deinen übersteigerten Zweckoptimismus. Du weißt ganz genau, dass die ersten vierundzwanzig Stunden in einer Mordermittlung entscheidend sind. Übrigens ...«, sein Blick schien Uwe zu durchbohren, »warum hast du die Höntsch eigentlich gefragt, welche speziellen Münzen Rost gesucht hat? Das interessiert nun wirklich kein Schwein.«

      »Ich fand es wichtig«, parierte Uwe. »Wenn Sie gelogen hätte und die Sache mit den Münzen aus der Luft gegriffen wäre, hätte sie einen Moment überlegt und uns mit irgendeiner Antwort abgespeist. Doch die Notiz in ihrem Buch stimmte mit ihren Worten überein. Natürlich kann es sein, dass sie einfach ein eiskaltes Luder ist und den Eintrag nachträglich hinzugefügt hat.« Er verzog das Gesicht. »Über den Weg traue ich dieser Raubkatze jedenfalls nicht.«

      Dieses Argument besänftigte den Oberleutnant. »Hm, da könnte was dran sein.« Er schloss die Augen und kippelte mit seinem Stuhl. Dann begann er zu grinsen. »Raubkatze, das trifft es gut. Ist schon ein heißer Feger, die Höntsch. Aber für mich wäre die nichts. Eine Eiskönigin mag ich nicht im Bett, da bekomme ich kalte Füße.«

      Uwe gestattete sich einen kurzen Augenblick der Schadenfreude. Zu gut stand ihm der Blickaustausch zwischen seinem Kollegen und der Antiquarin noch vor Augen. In neutralem Tonfall sagte er: »Mir wäre sie zu alt, die ist doch schon vierzig.«

      Ludwig lächelte überlegen. »Du hast ja keine Ahnung. Ab dem Alter sind die Frauen doch erst richtig knackig.»

      Urplötzlich stand Major Günzel neben ihren Schreibtischen. Geräuschlos war er durch die offenstehende Tür gekommen, und was er von ihrem Gespräch mitbekommen hatte, würden sie wohl nie erfahren. »In mein Büro, sofort!« Und auf den ratlosen Blick seiner Kriminalisten fügte er hinzu: »Beide.«

      Vollkommen verdattert sprangen Uwe und Ludwig hoch und folgten ihrem Chef. Im Büro blieben sie betreten vor seinem Schreibtisch stehen.

      Der Major musterte sie durch zusammengekniffene Augen; nach ein paar Minuten erbarmte er sich und deutete auf die Besucherstühle. »Wem seid ihr bei euren Ermittlungen auf die Füße getreten?«, fragte er in scharfem Ton.

      Uwe und Ludwig blieb kurz die Spucke weg. Der Leutnant fing sich als Erster. »Ich kann nur für die Befragungen sprechen, bei denen ich dabei war, aber da lief alles korrekt ab.« Er tauschte einen nervösen Blick mit seinem Kollegen.

      Ludwig


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