Verlorenes Land. Andreas M. Sturm

Verlorenes Land - Andreas M. Sturm


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      Sie lief ihm voraus in ein leicht chaotisches, aber ungemein gemütliches Wohnzimmer. Dort zeigte sie auf eine abgewetzte Couch, ließ sich in einen Sessel fallen und sah ihn erwartungsvoll an.

      Wie bestellt und nicht abgeholt saß Uwe der Frau seiner Träume gegenüber und hatte keine Ahnung, was er jetzt sagen sollte. Als ihm der Grund für seine Anwesenheit wieder in den Sinn kam, holte er tief Luft.

      Doch das kleine Energiebündel ließ ihm keine Chance. »Möchtest du ein Bier? Ich habe heute Bock in der Kaufhalle erwischt.«

      Bevor er sich einen schwachen Hinweis auf den Dienst und seine Verkehrstauglichkeit abringen konnte, huschte sie aus dem Wohnzimmer. Uwe hörte eine Tür klappen und nutzte die Gelegenheit, seine Blicke durch den Raum huschen zu lassen. Dabei stach ihm die umfangreiche Sammlung medizinischer Literatur sofort ins Auge. Bevor er dazu kam, sich die Titel auf den Buchrücken genauer anzusehen, war Frau Fuchs zurück und hielt ihm eine geöffnete Flasche hin.

      »Prost«, sagte sie fröhlich und schlug ihre Flasche gegen seine.

      Uwes schloss ergeben die Augen, wobei er nicht sagen konnte, was das stärkere Argument war, sein trockener Mund oder die wunderschönen graugrünen Augen, die ihn schelmisch ansahen. Das starke, süffige Bier entfaltete auf der Stelle seine Wirkung. Wärme breitete sich in seinem Körper aus, und seine Selbstsicherheit kehrte zurück. Er zückte Notizbuch und Kugelschreiber und räusperte sich.

      Wieder kam er nicht dazu, seine Fragen zu formulieren, Frau Fuchs war schneller. »Ich war ja vielleicht hin und weg, als im Ödland der Kaufhalle wie eine Fata Morgana die Palette voller Bockbier vor mir stand.« Sie beugte sich vor und grinste über beide Ohren. »Da hab ich gleich zehn Flaschen eingesackt. Das war eine Schlepperei, kann ich dir sagen. Aber ...«, sie nahm einen großen Schluck und warf der Flasche einen verliebten Blick zu, »es hat sich gelohnt. Schmeckt eindeutig nach mehr.«

      Erneut setzte sie die Flasche an, und Uwe ergriff die Gelegenheit. »Ich habe noch ein paar Fragen an Sie, wegen des Toten, den ...«

      Sie fuhr hoch, stellte sich vor Uwe, machte einen Knicks und streckte ihm die Hand hin. »Wenn du es unbedingt förmlich möchtest, bitteschön. Ich heiße Sabine und du Uwe, jedenfalls stand der Name im Ausweis.« Sie hob ihre Hand über den Kopf und ließ neckisch lächelnd den Finger kreisen. »In dieser Wohnung wird nicht gesiezt. Ist ein Prinzip von mir.«

      Uwe blinzelte überrascht, dann grinste er wie ein kleiner Junge, drückte Sabines Hand und spülte seine Verlegenheit mit einem gewaltigen Schluck herunter. Er unterdrückte ein Aufstoßen und wurde dienstlich. »Der Mann ist erschossen worden. Den Knall müsste man eigentlich gehört haben. Ist dir nichts aufgefallen?«

      »Ich schlafe immer wie ein Stein.« Zurück im Sessel wühlte sie andächtig ihren Hintern ins Polster. »Da muss schon das Nachbarhaus gesprengt werden, ehe ich aufwache.«

      Er hob die Schulter und kam zur nächsten Frage. »Kanntest du den Toten?«

      »Woher denn?«

      »Na ja, ich versuche herauszufinden, was der Mann hier zu suchen hatte. Wenn er zu jemandem wollte, hätte ich einen Anknüpfungspunkt.« Er zupfte nachdenklich am Bieretikett und wog ab, inwieweit er Sabine trauen konnte. Sie war eindeutig ein kommunikativer Mensch. Wenn ihm jemand Auskünfte über die Menschen in der näheren Wohngegend liefern konnte, dann sie. »Weißt du zufällig, ob einer deiner Nachbarn Antiquitäten verkauft?«

      Sabine, die an ihrem Bier nuckelte, verschluckte sich. »Du bist ja süß«, brachte sie nach mehrmaligem Husten heraus. »Alle Wohnungen kenne ich nicht von innen, aber die, in denen ich schon mal war, da stammt das Mobiliar zum größten Teil aus dem A & V. Was denkst du denn, weshalb in den oberen zwei Etagen keiner wohnt? Dort regnet es rein und wenn du da einen Chippendale-Sessel stehen hast, schwimmt der dir glatt weg.«

      »Hm, dann habe ich nur noch eine Frage: Gibt es in der Umgebung Typen, denen du so eine Tat zutrauen würdest?«

      Stirnrunzelnd dachte Sabine nach und schüttelte schließlich energisch den Kopf. »Wir haben schon ein paar zwielichtige Gestalten im Viertel, die ab und zu lange Finger machen, einen Mord traue ich jedoch keinem zu. Jedenfalls nicht den Leuten, die ich kenne«, schob sie schnell noch hinterher.

      Uwe, der hingerissen die Sommersprossen auf Sabines Nase und Oberlippe studiert hatte, war mit seinem Latein am Ende. Um keinen Preis wollte er sich auch nur einen Millimeter aus der Nähe der hübschen Frau fortbewegen, aber ihm fiel beim besten Willen kein Grund ein, seinen Besuch länger auszudehnen.

      Enttäuscht erhob er sich. »Ich muss dann mal los. Vielen Dank, du hast mir sehr geholfen.«

      Sabine sprang flink auf und streckte ihm mit einem hilflosen Lächeln die Hand entgegen. »Welche Hilfe denn? Viel konnte ich ja nicht beitragen.« Sie zögerte kurz. »Klingel doch einfach bei mir, wenn du in der Gegend zu tun hast.«

      Nachdem sich die Tür hinter ihrem Gast geschlossen hatte, verschwand das Lächeln aus Sabines Gesicht. Nachdenklich lief sie zum Fenster und schaute im Schutz der zugezogenen Gardine auf den Innenhof. Sie sah Uwe nach, bis er im Vorderhaus verschwunden war, blieb noch einen Moment stehen und nagte dabei unentschlossen auf ihrer Unterlippe. Schließlich kam sie zu einem Ergebnis. Sie schnappte sich ihren Schlüssel und verließ eilig die Wohnung.

      9

      Ludwig lag nackt unter der Bettdecke, ließ den Rauch aus dem offenen Mund strömen und sah den blauen Wölkchen nach, die sich unter der Decke des Schlafzimmers zu einer Nebelschicht verdichteten. Seine neue Geliebte war gerade in der Küche verschwunden, um etwas zu trinken zu holen, und er bemerkte erstaunt, dass der Anblick ihrer erfreulich wippenden Pobacken seine Begierde erneut aufflammen ließ. Dabei hatte sie ihn ganz schön gefordert, die letzte Stunde war schweißtreibend gewesen.

      Die Sekretärin hatte ihn überrascht, eine derart unersättliche Frau war ihm noch nie untergekommen. Dass er ihrem Mann Hörner aufsetzte, interessierte Ludwig herzlich wenig. Selbst schuld der Kerl, im Grunde genommen hatte er damit rechnen müssen. Man heiratete doch keine Nymphomanin!

      Pia selbst sah die Angelegenheit ebenfalls locker. Ihr Gatte war zur Nachtschicht, und da war eine Seite des Bettes eben frei. Gleich zur Begrüßung hatte sie die Fronten geklärt. Wenn sie fertig waren, hatte sie Ludwig ohne rot zu werden erklärt, hatte er sich dünnzumachen. Immerhin wartete nach dem Vergnügen eine Menge Arbeit auf sie. Das Bett musste neu bezogen und die Wohnung durchgelüftet werden.

      Wenn Ludwig es recht besah, kam ihm dieses Arrangement sehr entgegen. Keine Verpflichtungen für ihn, nur Vergnügen.

      Pias Rückkehr holte ihn aus seinen angenehmen Gedanken. Zwei Gläser Grüne Wiese in den Händen balancierend, drehte sie vor dem Bett eine Pirouette und ließ ihre Zunge lasziv über die Lippen gleiten. Danach reichte sie ihm eins der Getränke, stellte ihr eigenes auf den Nachttisch, kuschelte sich an ihn heran und schickte Zunge wie auch Hände sofort auf Entdeckungsreise.

      Auch wenn es ihn all seine Kraft kostete, Ludwig bändigte seinen Trieb. Ehe er zur nächsten Nummer überging, wollte er unbedingt noch seine Fragen loswerden. Hastig griff er zum Glas und kostete. Anschließend verdrehte er genussvoll die Augen. »Mixen kannst du also auch wie eine Göttin.«

      »Nicht wahr?!« Pia folgte seinem Beispiel und genehmigte sich einen tiefen Schluck.

      Ludwig läutete seine Fragerunde mit einem Kompliment über ihre schicke Wohnungseinrichtung ein. Durch den Alkohol locker geworden, ging sie sofort auf seine Vorlage ein. Sie sprachen über Möbel und Tapeten, kamen dann zu Filmen und Romanen und lachten über dieselben Witze. Ludwig erfuhr, dass Pia gern kochte und es hasste, zu putzen. Sie hingegen fand heraus, dass er bei seiner Mutter wohnte und in seinem Hobbykeller Pyramiden bastelte.

      Schließlich kam Ludwig beiläufig zu dem Thema, das ihm unter den Nägeln brannte. »War dein Chef sehr niedergeschlagen? Immerhin waren er und Rost befreundet.«

      »Am Anfang war er ganz schön aufgewühlt, das hat sich aber gegeben.«

      Ludwig horchte auf. »Da war die Kameradschaft


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