Erfolgreiches Verpflegungsmanagement. Nora Brehme

Erfolgreiches Verpflegungsmanagement - Nora Brehme


Скачать книгу
zu differenzieren in Unfreiwillige (Captive Consumer) und Freiwillige (Non-Captive Consumer; Daily Commuter), vgl. Abb. 1.2.

image

      Abb.1.2: Arten von Nutzern in Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen

      Der Begriff Captive Consumer kommt aus dem Englischen und meint einen Gefangenen, der keine andere Wahl hat, als die Verpflegungsdienstleistung in Anspruch zu nehmen. Am stärksten ist diese Unfreiwilligkeit bei Inhaftierten, die der Verpflegung lediglich durch Hungerstreik entkommen können. In abgeschwächter Form trifft diese Unfreiwilligkeit bei Bewohnerinnen und Bewohnern von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, psychiatrischen Einrichtungen und Altenpflegeheimen, Kinderheimen, Internaten, Krankenhäusern oder Rehabilitationskliniken zu. Solche Kundinnen und Kunden sind tendenziell schwerer zufriedenzustellen, da die Unfreiwilligkeit als unangenehm empfunden wird. Dies gilt vor allem dann, wenn keine Auswahlmenüs angeboten werden. Die fehlende Ausweichmöglichkeit kann von der Kundin bzw. dem Kunden subjektiv auch als Abhängigkeit empfunden werden. Das kann zum Beispiel in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder in Altenpflegeheimen dazu führen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner sich nicht trauen, sich zu beschweren. Auch bei Nachfragen über die Zufriedenheit wird möglicherweise positiver geantwortet, um vermeintlich das Wohlwollen der Betreuenden nicht zu verspielen. Daraus ergibt sich, dass von Captive Consumern ein Feedback über die Zufriedenheit mit der Leistung nur sehr schwer zu bekommen ist. Da auch die Anzahl der Gäste bei verminderter Qualität gleichbleibt, besteht die Gefahr, dass Unzufriedenheit bei den Gästen gar nicht wahrgenommen wird. Qualitätsmanagement ist in solchen Einrichtungen besonders wichtig und auch schwierig.

      Gäste, die frei über die Inanspruchnahme der Verpflegungseinrichtung entscheiden können, werden Non-Captive Consumer oder Daily Commuter (Pendler) genannt. Sie kommen aus freiem Entschluss in die Einrichtung und signalisieren mit ihrem Besuch ein Mindestmaß an Zufriedenheit mit der Leistung. Die Planung der Anzahl der Verpflegungsteilnehmer ist in solchen Einrichtungen schwieriger als in Einrichtungen mit Captive Consumern.

      In einer Gemeinschaftsverpflegungseinrichtung wird je nach Umfang entweder Vollverpflegung oder Teilverpflegung angeboten. Vollverpflegung umfasst alle Mahlzeiten eines Tages. Der Verpflegungsteilnehmer isst ausschließlich das, was ihm die Einrichtung anbietet. Die Möglichkeit der persönlichen Ergänzung ist gar nicht oder nur in begrenztem Umfang gegeben durch Speisen und Lebensmittel, die der Verpflegungsteilnehmer in einem Kiosk zukauft oder sich von Verwandten oder Bekannten mitbringen lässt.

      Teilverpflegung umfasst meistens nur das Mittagessen, das etwa ein Drittel der Energiezufuhr eines Tages ausmachen sollte (vgl. Kapitel 2.2.3.1 Ernährungsphysiologische Anforderungen).

      Die Dauer der Inanspruchnahme hat Auswirkungen auf die geforderte Abwechslung.

      Bei Einrichtungen, die nur einmalig in Anspruch genommen werden, ist keine Abwechslung notwendig. Das wird am Beispiel Flugverpflegung deutlich. Dort gibt es über einen längeren Zeitraum bei einem bestimmten Auslandsflug immer die gleichen Speisen.

      Patienten im Krankenhaus haben eine durchschnittliche Verweildauer von 7,3 Tagen (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2015) . Hier kann sich der Speisenplan alle 14 Tage wiederholen. Eine Ausnahme bilden psychiatrische Krankenhäuser, in denen wesentlich längere Verweildauern vorkommen.

      Die Betriebsverpflegung oder Studentenverpflegung hat etwa 245 Verpflegungstage pro Jahr (das sind die Betriebstage eines Betriebs ohne Schichtarbeit). Hier hat der Verpflegungsteilnehmer in der Regel noch am Wochenende die Möglichkeit, sich anders zu verpflegen.

      Am schwierigsten sind solche Verpflegungssituationen, in denen die Verpflegungsteilnehmer 365 Tage im Jahr auf die Einrichtung angewiesen sind: Justizvollzugsanstalten, Altenpflegeeinrichtungen, stationäre Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Kinderheime, psychiatrische Langzeitkrankenhäuser. Hier sind die Anforderungen an die Abwechslung am größten.

      Betriebe können entweder wohlfahrtsorientiert oder gewinnorientiert ausgerichtet sein. Entsprechend ist das Management dieser Betriebe unterschiedlich.

      Ein wohlfahrtsorientierter Betrieb misst seinen Erfolg an der Bedarfsdeckung der bedürftigen (oder unterstützungswürdigen) Menschen, für deren Unterstützung er gegründet wurde. Der Betrieb ist dann erfolgreich, wenn es gelungen ist, den Bedarf zu decken. Wirtschaftlichkeit definiert der wohlfahrtsorientierte Betrieb in der Regel als Minimierung der Kosten, während die Art der zu erbringenden Leistung fix bleibt. Träger von wohlfahrtsorientierten Betrieben sind Gebietskörperschaften (Kommunen, Landkreise, Länder, der Bund) oder Organisationen ohne Erwerbszweck (zum Beispiel Verbände der freien Wohlfahrtspflege). Es können öffentlich-rechtliche (zum Beispiel Körperschaft öffentlichen Rechts, Anstalt öffentlichen Rechts) oder privatrechtliche (GmbH, Verein, AG, Stiftung) Rechtsformen angewandt werden. Die Preise in wohlfahrtsorientierten Betrieben werden zumeist kostendeckend gestaltet. Falls der Betrieb (direkt oder indirekt) subventioniert wird, sind auch Preise möglich, die unter den Kosten liegen.

      Erschwerend ist bei vielen öffentlichen Betrieben zu berücksichtigen, dass hier aufgrund der Tarifbindung an den öffentlichen Tarif relativ hohe Personalkosten entstehen. Viele Betriebe versuchen, die Tarifbindung durch Auslagerung der Prozesse an Fremdbetriebe zu umgehen (vgl. Kapitel 4).

      In einem gewinnorientierten Betrieb ist das Management anders. Das Erfolgsziel eines gewinnorientierten Betriebs ist natürlich der Gewinn. Der Betrieb ist dann erfolgreich, wenn es (kurzfristig, mittelfristig oder langfristig) möglich ist, Gewinne zu erwirtschaften. Träger von gewinnorientierten Betrieben sind Einzelunternehmungen in privatrechtlicher Rechtsform.

      Die Preise berücksichtigen in einem gewinnorientierten Betrieb neben den Kosten auch noch einen Gewinnzuschlag.

      Für das Personal gilt hier nicht die Bindung an den öffentlichen Tarif. Es kann der Tarifverband der übergeordneten Institution (zum Beispiel IG Metall für Betriebskantinen in der metallverarbeitenden Industrie) oder der Tarifverband Nahrung-Genuss-Gaststätten relevant sein. In manchen rechtlichen Konstellationen ist es auch möglich, einen sogenannten Haustarif anzuwenden, der vom Flächentarifvertrag des entsprechenden Tarifverbandes abweicht.

      Der Unterschied zwischen wohlfahrtsorientierten und gewinnorientierten Betrieben wird am deutlichsten, wenn es um die Motivation für die Gründung oder den Beibehalt eines Betriebs geht. Während der wohlfahrtsorientierte Träger auch solche Betriebe beibehält, mit denen langfristig keine Gewinne zu erzielen sind (zum Beispiel eine Suppenküche in einer Tafel), wird der gewinnorientierte Unternehmer sich aus solchen Geschäftsfeldern zurückziehen.

      Die Differenzierung von wohlfahrtsorientierten und gewinnorientierten Betrieben ist in der Literatur nicht unumstritten. Manche Autoren bezeichnen diese Unterscheidung als nicht mehr zeitgemäß, da doch jeder Betrieb die Bedarfe seiner Kunden decken und somit die Kunden zufrieden stellen muss. Allerdings ist die Motivation unterschiedlich. Ein wohlfahrtsorientierter Betrieb deckt die Bedarfe aufgrund einer übergeordneten Ideologie bzw. wegen eines Wohlfahrtsauftrags. Ein gewinnorientierter Betrieb stellt die Kunden zufrieden, damit sie wiederkommen.

      Der Gemeinschaftsverpflegungsmarkt in Deutschland kann nach den Betreibern und nach den Bewirtschaftern charakterisiert werden.

      Bei jeder Betrachtungsweise besteht die Problematik, dass es keine umfassende Statistik über die Gemeinschaftsverpflegungsbetriebe in Deutschland gibt. Die Informationen können nur bruchstückhaft aus Sekundärstatistiken zusammengetragen werden, wobei unterschiedliche Bezugszeitpunkte, unterschiedliche Mengenbezüge und unterschiedliche Definitionen die Zusammenführung der Statistik erschweren. Schätzungen überwiegen in der Statistik. Heinrichsdobler (2003) schätzt die Anzahl der


Скачать книгу