Ein guter Junge. Lisa Henry

Ein guter Junge - Lisa Henry


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      Lane schaute auf die Papiertücher, die noch immer neben seiner Tasse lagen. „Nein, danke.“

      Bierbauch räusperte sich. „War Wagner in finanziellen Schwierigkeiten?“

      „Ja.“ Lane fragte sich, ob diese Männer ihm die Schuld dafür gaben, so wie Acton es getan hatte. Er riskierte einen Blick zu Boyne.

      Boyne blickte zurück.

      „Hat Wagner Ihnen gesagt, was er vorhatte?“

      Lane starrte auf den Tisch. Er hatte doch nichts gesagt, oder? Aber vielleicht hatte es Hinweise gegeben, die jemand, der schlauer war, gesehen hätte. Die Rücksichtslosigkeit. Der Schmerz. Jedes Mal mehr Schmerz. Lane war so darauf konzentriert gewesen, die Woche zu überstehen, so besorgt, wie weit Acton gehen würde, dass er nur an sich selbst gedacht hatte. Er hatte den größten Hinweis von allen nicht gesehen: Acton scherte sich einen Dreck darum, Lane zu verletzen, nicht weil er dachte, Lane hätte zu viel Angst, es zu erzählen, sondern weil es dort, wo er hinging, keine Konsequenzen für ihn haben würde.

      „Nein“, sagte er schließlich.

      Was würden sie sagen, wenn er aufstehen und sein Hemd ausziehen würde? Wenn er seine Jeans fallen lassen und ihnen zeigen würde, was letzte Nacht passiert war?

      Verflucht. Letzte Nacht.

      Selbst als er die kalte Wut in Actons Augen gesehen hatte, hatte Lane gedacht, er sei noch in Ordnung. Er sagte sich, er sei zu weit gekommen, um jetzt abzuhauen. Actons Scheck war seine Zukunft.

      „Zwanzig mit dem Rohrstock, du diebischer kleiner Scheißer.“

      Aber es war viel schlimmer als das.

      „Bitte, Acton. Gott, bitte!“

      Er hatte gedacht, er würde sterben.

      „Ich w-will den Scheck nicht. Du kannst den Scheck behalten. Ich flehe dich an. Ich will nichts weiter von dir. Lass mich einfach gehen.“

      Allein der Gedanke daran, ließ Panik in Lane aufsteigen. Er ballte die Fäuste.

      Bierbauch schob eine Plastiktüte über den Tisch. Darin sah Lane den Scheck, den Acton in Stücke gerissen hatte. Er zuckte instinktiv davon weg, und die geschwollenen Schnitte an seinem Rücken und seinem Hintern rissen auf.

      „Da steht dein Name drauf“, sagte Bierbauch.

      Lane versuchte, seine Atmung zu kontrollieren. „Er wollte für mein Schulgeld bezahlen.“

      „Nachdem deine Familie ihn abgezockt hatte, wollte er für dein Schulgeld aufkommen.“ Bierbauch lächelte daraufhin.

      „Das war nicht ich“, sagte Lane und blickte wieder zu Boyne. „Damit hatte ich nichts zu tun. Ich habe ihn nicht abgezockt.“ Mist. Niemand hatte gesagt, er hätte es getan. Nicht wirklich. Bierbauch hatte „Ihre Familie“ gesagt, was auf Lane schließen ließ, oder nicht? Lanes Abwehrhaltung war reflexartig, und es ließ ihn wahrscheinlich nur schuldig aussehen.

      „Das ist die übliche Antwort, und er bleibt dabei“, sagte Boyne den Detectives.

      Schnauzbart schnaubte. Vielleicht sollte es ein Lachen sein.

      Bierbauch nahm den Scheck zurück. „Wir haben das hier gefunden im …“ Er sah seinen Partner stirnrunzelnd an. „Wie hast du es noch mal genannt?“

      „Wintergarten.“

      „Im Wintergarten.“ Bierbauch lehnte sich zurück. „Haben auch etwas Blut gefunden. Habt ihr zwei euch gestritten?“

      „Ich werde dir eine Lektion erteilen, aber du wirst dich besser fühlen, wenn es vorbei ist. Du wirst wieder mein braver Junge sein.“

      „Nein“, sagte Lane. Sein Gesicht brannte, und seine Kehle schmerzte. Er wollte weg von hier, zurück zum Motel und versuchen zu vergessen, dass die letzte Woche je passiert war. „Ich hatte einen Unfall.“

      Wenn sie ihn fragten, würde er es ihnen zeigen müssen, und dann würden sie es wissen. Es würde für immer in einem Polizeibericht stehen, was Acton getan hatte. Was Lane ihn hatte tun lassen.

      „Sie hatten einen Streit“, sagte Bierbauch. „Deshalb hat er den Scheck zerrissen.“

      „Nein“, sagte Lane.

      „Sie können es uns sagen“, sagte Bierbauch. „Wir wissen, dass es Selbstmord war. Sie sind nicht verhaftet. Wir wollen nur die Fakten erfahren.“

      Schnauzbart nickte. „Sie haben das Haus um neun Uhr verlassen und sich um elf Uhr im Motel eingecheckt. Der Gerichtsmediziner legt den Todeszeitpunkt auf diese Zeit fest, und ein Nachbar hat berichtet, dass er zu dieser Zeit etwas gehört hat, das sich wie ein Schuss angehört hat.“

      Lane erschauderte. „W-wo…“

      Im Wintergarten, in seinem Schlafzimmer, in seinem Arbeitszimmer? Er beendete die Frage nicht, weil er die Antwort nicht wissen wollte. Er wollte nicht so über Acton denken. Nicht einmal nach all dem.

      Boyne warf ihm einen Blick zu, der fast mitfühlend wirkte.

      „Warum hat er dann den Scheck zerrissen?“, fragte Bierbauch.

      „Er hat ihn zerrissen, weil er sowieso geplatzt wäre“, sagte Lane.

      Das war nicht Actons einziger kalter Triumph in dieser Nacht gewesen.

      „Weißt du, was du bist, Landon?“ Er spürte noch immer Actons heißen Atem in seinem Nacken.

      Gott, nein. Lane schob den Rest weg, bevor der Schock ihn wieder einholte. Er wollte hier nicht zusammenbrechen. Nicht vor diesen Männern. Er wollte nicht, dass sie wussten, was für ein dummer Idiot er war. Wollte nicht, dass sie allen erzählten, wie dumm der kleine Landon Moredock sich im Befragungsraum B die Augen ausgeweint hatte.

      Er schaute wieder auf seinen Schoß. Er hielt seine Hände unter den Tisch, wo sie die blauen Flecken nicht sehen würden.

      „Okay“, sagte Bierbauch mit einem Seufzer. „Warten Sie hier, und ich lasse Ihre Aussage abtippen, damit Sie sie unterschreiben können.“

      Lane nickte.

      Stühle scharrten. Die Tür öffnete und schloss sich. Lane schloss die Augen und versuchte, nicht zu zittern. Er bemerkte nicht, dass Boyne noch im Raum war, bis der Mann sprach.

      „Nun, es ist gut zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, bei dem du dich dumm stellst, Landon, aber lass mich dir einen Rat geben. Du musst dich steigern, wenn wir das nächste Mal reden.“

      Lane beugte sich vor.

      „Weißt du, wovon die Leute wirklich krank sind?“, fragte Boyne. „Reiche weiße Wall-Street-Arschlöcher, die das Geld anderer Leute stehlen. Es gibt eine Menge Wut da draußen. An jemandem muss ein Exempel statuiert werden, und deine Mutter wird da nicht reichen. Wenn du uns nicht sagen kannst, wo dein Vater ist, werden wir dich stattdessen sehr genau unter die Lupe nehmen. Deine Entscheidung.“

      „Ich weiß nicht, wo er ist. Ich glaube, irgendwo in Spanien. Das habe ich Ihnen doch gesagt.“

      „Du glaubst?“

      „Ich glaube nicht – ich werde keine Fragen ohne meinen Anwalt beantworten.“

      Boyne lächelte und schüttelte den Kopf. „Die Uhr läuft ab, und du hast die Chance, einen Deal zu machen. Denk darüber nach.“

      Lane ruckte mit dem Kinn und nickte.

      Boyne schwieg eine ganze Weile. Dann streckte er sich und gähnte. „Wenn du hier fertig bist, fahre ich dich zu deinem Motel.“

      Lane war zu müde und hatte zu große Schmerzen, um abzulehnen.

      „Danke“, sagte er stattdessen und studierte die vertrauten Bodenfliesen, während er auf die Rückkehr der Detektive wartete.

      ***

      Derek war betrunken genug, dass die


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