Ein guter Junge. Lisa Henry

Ein guter Junge - Lisa Henry


Скачать книгу
um viel zu sehen, und was Lane gesehen hatte, hatte ihn krank gemacht. Die Haut war gesprenkelt, schwarz und rot und gelb und braun.

      Verfluchter Acton.

      Lane zog das T-Shirt aus und kniff die Augen zusammen, als ein frischer Schorf riss. Er ließ das T-Shirt auf den Duschboden fallen und schob seine Jeans nach unten.

      Scheiß Acton.

      Lane lehnte seine Stirn gegen die Fliesen. Er hatte gehofft, dieses beschissene Motel nie wieder sehen zu müssen, und doch war er hier – und hatte sein iPhone für das Privileg verkauft, weitere zwei Wochen hier zu verbringen.

      Seine Kehle schmerzte. Tränen stachen.

      „Was habe ich dafür zu tun?“

      Er konnte nicht glauben, dass er Acton das gefragt hatte. Konnte nicht glauben, dass er nicht einfach weggelaufen war.

      Mist. Er würde wieder weinen, und nicht nur vor Schmerz.

      Der unsignierte Scheck, den Acton über seinen Schreibtisch geschoben hatte, war über zwanzigtausend Dollar gewesen. Nur ein wertloses Stück Papier, als Lane es sah, ein unerfülltes Versprechen, leeres Potenzial, das darauf wartete, dass Actons schleifenförmige Unterschrift es in alles verwandelte, was Lane brauchte. Vielleicht nicht ganz alles – das Boston College war teuer –, aber mit finanzieller Unterstützung und einem Job hätte es reichen können, bis die Anwälte das Chaos mit dem Geld seiner Eltern geklärt hatten.

      Bis zu diesem Sommer war Geld nichts, worüber Lane jemals nachgedacht hatte. Geld war nur einen Telefonanruf oder eine E-Mail entfernt. Wenn man etwas wollte, musste man fragen. So funktionierte es, bis es plötzlich nicht mehr so war.

      Und Freunde der Familie waren Freunde der Familie, bis sie es plötzlich nicht mehr waren.

      Acton hatte ihm den nicht unterschriebenen Scheck nicht gezeigt, weil er Lane als eine Art Neffe betrachtete.

      „Was willst du dafür?“, hatte er Acton gefragt.

      „Ich will eine Woche.“

      Es war dumm, aber er hatte Acton vertraut. Er hatte Acton gewollt. Er hatte es am Abend der Party selbst zugegeben: „Als ich fünfzehn war, habe ich mir bei dem Gedanken an dich einen runtergeholt.“ Bei dem Geruch von Actons Aftershave – er hatte eine Flasche nur für diesen Zweck gekauft – und mit einem Bild von Actons hübschem Gesicht und schiefem Lächeln auf einem Schild, das Lane aus dem Vorgarten eines zu verkaufenden Hauses gestohlen hatte.

      Und dieser Scheck. Dieser Scheck war seine Zukunft.

      Lane schlug seinen Kopf sanft gegen die rissigen Fliesen.

      „Was müsste ich denn tun?“

      Er hatte alles getan, verdammt noch mal, nicht wahr?

      Zog sich in Actons großer Küche aus. Übergab seine Kleider, seine Telefone, nicht nur, weil es Teil des Deals war, sondern auch, weil es Teil der Fantasie war. Acton würde das Sagen haben. Acton würde ihn dazu bringen, Dinge zu tun.

      Die erste Sache war ein Blowjob, direkt in der Küche. Lane war nicht sehr erfahren. Er konnte an einer Hand abzählen, wie oft er jemandem schon einen geblasen hatte. Auf dem College sollte es darum gehen, sich zu betrinken und Sex zu haben, und Lane war in beidem schlecht. Er war ein paar Mal gefickt worden, hatte ein paar Blowjobs gegeben und noch ein paar weniger bekommen, und er schämte sich für seine Unerfahrenheit. Sex war unbeholfen und ungeschickt, wenn Lane ihn initiierte. Er brauchte jemand anderen, der das Sagen hatte. Acton wusste das. Und nutzte das.

      Lane seufzte, als das warme Wasser die offenen Striemen auf seinem Rücken sowohl brannte als auch linderte.

      Das erste Mal, als Acton ihn bestraft hatte – für den Blowjob: zu langsam, zu schlampig, nicht genug Enthusiasmus –, und er es nicht gehasst. Lane war aus dem Gleichgewicht geraten, nervös gewesen, hatte nicht wirklich geglaubt, dass es überhaupt passierte, aber er hatte es nicht gehasst.

      Er befolgte gerne Befehle. Er mochte es, wenn Leute ihm sagten, was sie erwarteten. Die Sache mit Acton stand auf einer ganz anderen Skala, aber was hatte er sich gesagt, als er sich für seine erste Bestrafung über den Schreibtisch beugte?

      Es war nur eine Woche.

      Acton hatte ihm geholfen.

      Es hatte wehgetan. Sein ganzer Hintern hatte gestochen, als Acton ihm die sechs Hiebe mit dem Rohrstock verpasst hatte. Die Haut hatte sich straff und geschwollen angefühlt. Lanes Beine hatten gezittert, als er endlich aufgestanden war.

      Und, dumm wie er war, hatte er gedacht, das sei das Schlimmste.

      „Was für ein Mensch lutscht Schwänze für einen Schulgeldscheck?“, hatte Acton ihn gefragt.

      Das hatten sie schon besprochen. Diesmal hatte Lane nicht gezögert, trotz seiner Tränen. „Eine Hure.“

      Acton hatte lächelnd mit dem Rohrstock auf seinen Schreibtisch geklopft. „Und wo sind deine Manieren, Landon? Was sagst du, wenn dir jemand genau das gibt, was du brauchst?“

      Lane hatte sich ein Schluchzen verkniffen. „Ich danke Ihnen, Sir.“

      Oh Gott. Nein.

      Hör auf. Hör auf, daran zu denken.

      Wenn diese erste Bestrafung die schlimmste gewesen wäre, hätte Lane die Woche überstehen können. Wenn die letzte Nacht nicht gewesen wäre, hätte er es vielleicht getan. Aber letzte Nacht … Er konnte sich nicht einmal überwinden, an letzte Nacht zu denken.

      Lane schaltete die Dusche aus und stieg aus der Wanne. Er griff nach dem dünnen Hotelhandtuch und rieb damit durch sein Haar. Langsam und vorsichtig ab tupfte er seinen Körper ab. Seinen Rücken wischte er nicht ab. Er wollte das Handtuch nicht blutig machen.

      Er hatte dummerweise gedacht, dass seine Verletzungen am Morgen besser sein würden.

      Sie waren nicht besser und hatten sich den ganzen Tag über verschlimmert.

      Lane zuckte zusammen, als er sich bückte, um seine Kleidung aufzuheben. Er wrang sie im Waschbecken aus und hängte sie über den Handtuchhalter.

      Lane verließ das Bad und setzte sich auf das schmale Bett. Er zog sich mühsam eine Hose an, denn alles tat noch verdammt weh, und das meiste war noch blutig. Jedes Mal, wenn er sich bewegte, riss er den Schorf auf.

      Lane wollte Acton hassen, aber er hasste sich selbst mehr. Er war schwach, er war dumm, und deshalb war es passiert. Er hatte es verdient, denn so war er nun mal.

      Und was er letzte Nacht getan hatte – wie konnte er überrascht sein, dass Acton durchgedreht war? Hatte ihn fertiggemacht, ihn rausgeschmissen.

      „Es geht nicht um den Betrag, es geht ums Prinzip. Verstehst du mich?“

      Er sollte froh sein, dass Acton ihn zwei Tage früher hatte gehen lassen.

      Er wollte sich nicht im Stich gelassen fühlen.

      „Hast du mich verstanden?“

      Lanes Eingeweide verdrehten sich, und er schmeckte Galle. Er musste die Augen öffnen und auf den Boden starren, um sich zurück in die Gegenwart zu zwingen. Sein Blick wanderte zu seinen Händen, die zitterten. Die blauen Flecken an seinen Handgelenken. Gott, er hatte so eine Scheißangst gehabt.

      Verfluchter Acton.

      Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufschrecken.

      „Polizei, Mr Moredock. Öffnen Sie die Tür.“

      Lane kämpfte sich auf die Beine und griff nach einem trockenen T-Shirt.

      „Nur eine Minute!“

      Das hatten sie doch im Fernsehen gesagt, oder? Jetzt würden die Cops wahrscheinlich denken, dass er zur Toilette rannte, um Drogen runterzuspülen oder so. Oder, in seinem Fall, Dokumente zu schreddern. Er zog das Hemd an, zuckte zusammen und ging zur Tür. Er öffnete sie einen Spalt. Die Kette war kaputt, also würde das niemanden aufhalten, aber er hasste die Vorstellung, sich mehr zu entblößen,


Скачать книгу