Ein guter Junge. Lisa Henry

Ein guter Junge - Lisa Henry


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      „Du hast einfach das Gefühl, dass er gerne gefesselt wird?“, fragte Derek.

      „Ich weiß nicht, was er mag. Aber ich habe das Gefühl, dass er, du weißt schon …“

      „Ja?“

      „Unterwürfig ist.“

      Derek legte die Stirn in seine Handfläche.

      Erin tippte auf den Tasten ihrer Rechenmaschine herum. Die Maschine surrte und spuckte Papier aus. Es war Montagmorgen, und Derek hatte auf dem Weg zur Arbeit bei seiner Mutter vorbeigeschaut. Gestern Abend war er zu müde gewesen, um auch nur ansatzweise die Bilder von der Spendenaktion zu sortieren, und er musste noch bei Christy vorbeifahren, bevor er ins Studio ging. Erin hatte versucht, ihm Frühstück aufzuzwingen, aber Derek hatte ihr gesagt, dass er in ein paar Stunden mit Brin und Ferg essen würde. Was sie auf den Sohn ihrer Freundin Margie gebracht hatte.

      „Du hättest ihn sehen sollen, als wir beim Mittagessen waren“, fuhr sie fort. „Er ließ Margie für ihn bestellen.“

      „Das hat nichts zu bedeuten.“

      „Und er wirkt so schüchtern. Ein Weichei.“

      Derek riss den Kopf hoch. „Mom. Wie oft habe ich das schon erklärt? Ein Sub ist kein Weichei. Ich will kein Weichei. Wenn jemand bei diesem Lebensstil ein Weichei ist, wird er verletzt.“

      „Ich dachte, das ist der Punkt.“

      „Verletzt auf die schlimme Art.“

      Seine Mutter seufzte, als sie das Papier von der Rechenmaschine abriss und mit einer neuen Zahlenreihe begann. „So lange dachte ich, es gäbe nur die schlimme Art, verletzt zu werden.“

      „Tja, Überraschung.“

      Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Du hast mich schon immer überrascht.“

      Derek leerte den letzten Rest seines Saftes. „Ich kann nicht glauben, dass du das Ding immer noch benutzt, um dein Scheckbuch abzugleichen. Ich kann nicht glauben, dass du immer noch dein Scheckbuch abgleichst. Ich kann sogar nicht glauben, dass du noch ein Scheckbuch hast. Es gibt doch heute diese Dinger, die man Computer nennt …“

      „Oh, sei still. Ich werde die kleinen Affen in meinem Laptop nicht mit der Verwaltung meiner Finanzen betrauen. Das funktioniert prima.“

      Derek antwortete nicht. Er hatte seiner Mutter noch nicht von dem Geld erzählt, das er durch das Moredock-Fiasko verloren hatte. Er wusste, dass es sie beunruhigen würde.

      „Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen, mich mit Margies Sohn zu verkuppeln“, sagte er leise.

      „Ich kann sie fragen, ob sie weiß, ob er auf Spanking steht.“ Erin hob eine Augenbraue, sah aber nicht auf.

      „Bitte nicht.“

      „Sicher?“

      „Ich bin in der Lage, mir selbst einen Sub zu suchen, wenn ich bereit für einen bin. Und er wird kein Weichei sein. Er wird … Ich weiß es nicht. Stark sein. Jemand, der stark genug ist, um es mit mir aufzunehmen.“

      Derek brachte sein Glas zur Spüle und wusch es aus. Er konnte spüren, wie seine Mutter ihn anschaute. Er stellte das Wasser ab, steckte das Geschirr in die Spülmaschine und drehte sich um.

      Sie hatte ihre Brille abgenommen und musterte ihn mit diesem Blick, den sie manchmal hatte und den er nie ganz verstand. Es war, als sähe sie gleichzeitig eine vergangene, eine gegenwärtige und eine zukünftige Version von ihm, und er konnte nicht sagen, was sie von dem hielt, was sie sah. Entweder sagte sie nichts und widmete sich wieder ihrem Scheckbuch, oder sie fragte …

      „Was glaubst du, hat dich so interessiert?“ Ja. Das war es. „Ich sage nichts Schlechtes darüber. Ich frage mich nur, was eine Person dazu bringt, eine andere schlagen zu wollen. Habe ich dir nicht genug Streicheleinheiten gegeben, als du jung warst? Hätte ich dich stillen sollen?“

      „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es anfing, als du mich im Supermarkt im Gang mit dem Brot stehen gelassen hast, als ich zwei war. Ich fing an zu denken, der einzige Weg, die Leute auf mich aufmerksam zu machen, sei, sie zu fesseln und auszupeitschen.“

      „Sag so was nicht!“

      Dereks Eltern hatten ihn als Baby im Einkaufswagen im Gang mit den Broten festgeschnallt zurückgelassen – eine beliebte Familienanekdote, obwohl Erin fünfunddreißig Jahre später immer noch von Schuldgefühlen geplagt war. Sie hatte Christy dabei gehabt und gedacht, Dereks Vater sei für den Einkaufswagen zuständig gewesen. Sie und Christy waren in den nächsten Gang marschiert, um nach einem Müsli zu suchen, das sich als vergriffen herausstellte. Zehn Minuten später hatten sie Dereks Vater getroffen, der ohne Wagen in der Gemüseabteilung stand.

      Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und beugte sich hinunter, um sie auf die Wange zu küssen. „Du hast nichts falsch gemacht. Es war Dad. Sein männlicher Einfluss war zu stark.“

      Sie schnaubte und tätschelte seine Hand. „Dein Vater hat mir mal einen Klaps auf Hintern gegeben.“

      „Hast du ihn darum gebeten?“

      „Natürlich nicht. Es war unangekündigt und nicht von mir gewollt. Also rammte ich ihm mein Knie dorthin, wo es zählt.“

      „Siehst du? Es ist nichts, was ihr mir angetan habt. Das ist genetisch bedingt.“

      „Vielleicht.“

      „Ich muss los.“

      „Sag Christy, sie soll mich anrufen.“

      „Mach ich.“

      ***

      Derek klopfte an Christys Tür und hörte dahinter einen Chor aus Bellen und Heulen. Dann Christys Stimme: „Aus!“ und alle bis auf ein paar der Hunde verstummten. Sie öffnete die Tür und sah fix und fertig aus. Sie sah immer fix und fertig aus. Sie konnte an einem Tag am Strand auftauchen und dabei aussehen, als käme sie gerade von einem mörderischen Meeting und könnte nur ein paar Minuten bleiben, bevor sie zum nächsten musste.

      Derek nahm es ihr nicht übel. Ein unterfinanziertes Tierheim für wenig Geld und wenig Belohnung zu leiten, war nichts, was er sich zutrauen würde. Aber Christy tat es, und sie machte es gut. Sie arbeitete hart daran, dass die Belleview Humane Society nicht ausstarb, um sicherzustellen, dass das Tierheim die Mittel hatte, um mit verletzten Tieren zu arbeiten und sie wieder auf die Beine zu bringen. Aber das bedeutete, dass das Tierheim nicht viel Platz hatte und eine Reihe von Tieren abweisen musste, die dann in die Tötungsstationen kamen. Das führte dazu, dass Christy viele der abgelehnten Tiere mit nach Hause nahm und sie „aufpäppelte“. Sie gingen nur selten weg.

      Bei Dereks letzter Zählung hatte sie sechs Hunde – drei die dauerhaft blieben, und drei, für die Christy ein Zuhause suchte –, vier Katzen, ein Paar Teacup-Schweine, ein blindes Frettchen und einen Ara. Sie war in vielen Tierschutzgremien tätig und reiste häufig über Bezirks- und sogar Landesgrenzen hinweg, um Tiere zu retten oder an Veranstaltungen teilzunehmen. Das Haussitting für Christy, wenn sie nicht in der Stadt war, war immer ein Erlebnis.

      Gerade jetzt plante Christy ein Fotoshooting für das Tierheim, das Derek pro Bono machen wollte, weil sie zur Familie gehörte. Das Tierheim machte immer Fotos von seinen verfügbaren Tieren und stellte sie online, aber Christy wollte etwas Besonderes machen, das sich auf die Tiere konzentrierte, die unweigerlich übersehen wurden. Sie hatten noch keinen genauen Zeitplan für das Shooting, aber Derek wollte vorbeikommen, um Drehorte, Beleuchtung und Requisiten zu besprechen.

      Derek trat ein, vorbei an Katzen und Hunden.

      Breezer, ein großer Labradormischling, stupste an die Taschen seiner Shorts, während Shilah, der Beagle, sich hinter die Couch schlich, und zwei räudige Terrier, die Derek noch nie zuvor gesehen hatte, sprangen zurück und kläfften aus einiger Entfernung.

      „Die anderen sind in den Zwingern“, erklärte Christy. „Willst du etwas trinken?“

      „Nein,


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