Beyond price. Svea Lundberg

Beyond price - Svea Lundberg


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schrumpeligen Handrücken. Blieb nur fraglich, wen genau ich gerade zu beruhigen versuchte.

      ~*~*~*~*~*~

      Nicht nur die Decke, eine Wand und mein Bettzeug hatten gelitten. Das Schlimmste offenbarte sich mir erst, als ich rund zwei Stunden später wieder in meine Wohnung kam: Das Modell, an dem ich am vergangenen Abend stundenlang gebastelt hatte, war dahin. Gut, nicht vollständig dahin, es war durchaus noch als Modell einer modernen Mehrfamilienhaussiedlung mit parkähnlicher Grünanlage und einem Kinderspielplatz erkennbar. Aber das von der Decke tropfende Wasser hatte die Farbe verwaschen und fleckig werden lassen und stellenweise sogar ganz abgelöst, sodass an einigen Stellen wieder das Styropor durchschien. Außerdem waren einige Ecken an den kleinen Modellhäusern aufgeweicht und eingedrückt, an einem Häuschen war sogar das Dach so sehr aufgeweicht, dass es in sich zusammengesunken war. Kurzum: Auch wenn noch erkennbar war, worum es sich handelte, das Modell war am Arsch. Und das bedeutete nicht nur, dass Dutzende Stunden Arbeit der letzten Wochen umsonst gewesen waren, sondern vor allem auch, dass ich ein verdammtes Problem hatte. Morgen war Abgabe und ich würde es niemals schaffen, das Modell bis dahin zu retten, geschweige denn, ein neues anzufertigen.

      Warum, zur Hölle, hatte ich es dort neben dem Bett auf dem Boden stehen lassen? Ich hatte gewusst, ich hätte das verfluchte Modell in der Nacht noch ordentlich beiseite räumen sollen. Warum nur war ich manchmal so ein verdammter, fauler Schlamper? Diese Kann-ich-morgen-noch-machen-Mentalität würde mich irgendwann den Kopf kosten. Oder eben ein Modell. Und damit die notwendige Abschlussqualifikation für das Praxisseminar, ohne die ich im kommenden Semester nicht für die Folgeveranstaltung zugelassen werden würde. Was in letzter Konsequenz hieß, dass ich das Seminar wiederholen und dadurch im schlimmsten Fall ein Semester würde dranhängen müssen, was auf lange Sicht nicht nur einen Zeitverlust bedeutete, sondern vor allem immense Kosten nach sich ziehen würde.

      Was bitte war das heute eigentlich für ein Scheißtag?

      Mit einem rauen Laut in der Kehle ließ ich die Stirn auf meine angezogenen Knie sinken und versteckte mein Gesicht zwischen den verschränkten Armen. Verdammt, ich würde jetzt sicher nicht heulen! Nicht wegen einer übergelaufenen Badewanne.

      Ich konnte Mabel ja nicht mal richtig böse sein. Sie war über achtzig und manchmal einfach ein wenig vergesslich und ein wenig müde. Viel eher wollte ich stinkwütend auf diese gottverdammte, alte Badewanne sein. Oder auf denjenigen, der sie in Mabels Wohnung montiert hatte. Eine Badewanne ohne Überlaufschutz – wer erfand so eine Scheiße? Wie konnte es denn sein, dass eine Badewanne eine Decke, einen Kissenbezug, ein Architekturmodell und einen ganzen Tag versaute?

      Okay, vielleicht würde ich doch wegen einer Badewanne heulen. Ein kleines bisschen nur.

      Irgendwo rechts neben mir vibrierte mein Handy. Schniefend hob ich den Kopf, wischte mir über die Augen und entdeckte das Gerät auf meinem Schreibtisch, wo es noch einmal über die Tischplatte summte und dann still liegenblieb. Wer auch immer mir schrieb, würde an diesem bekackten Tag vermutlich nichts ändern können, aber Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Also kämpfte ich mich auf die Füße hoch und tappte – noch immer barfuß und deswegen mit inzwischen echt kalten Zehen – hinüber zum Schreibtisch.

      Aus dem Treppenhaus drangen gedämpfte Stimmen bis in meine Wohnung. Ich hatte die Wohnungstür extra nur angelehnt, weil Mabel mir versprochen hatte, mir als Entschuldigung »für das feuchte Malheur« und als Dankeschön, weil ich ihr Bad und ihren Flur weitgehend trockengelegt hatte, zwei Stück Kuchen herunterzubringen, sobald dieser aus dem Ofen kam. Okay, und um ehrlich zu sein, wollte ich sichergehen, mitzubekommen, falls in der Wohnung über mir auch gleich noch ein Elektrobrand ausbrach. An Tagen wie diesen wusste man ja nie …

      Im ersten Moment wollte mein Herz einen kleinen, erfreuten Hüpfer tun, als ich sah, dass die eingegangenen WhatsApp-Nachrichten von Devin waren. Im zweiten Moment allerdings entschied sich mein Herz zu einem enttäuschten Pochen, als ich mich in den Chatverlauf geklickt hatte.

      Hi Eli, sorry, dass ich mich gestern nicht mehr gemeldet hab.

      Wir waren bei meinen Schwiegereltern zum Essen eingeladen.

      Was treibst du so?

      Ich wusste nicht, was mich mehr traf: Dass Devin von sich und seinem Ex wie selbstverständlich als ›wir‹ schrieb – denn dass er von sich und seinem Ex redete, war wohl offensichtlich – oder dass die beiden gemeinsam zum Essen bei der Familie eingeladen wurden. Und diese Einladung auch annahmen. So, als seien sie immer noch ein Paar.

      Waren sie nicht, verdammt! Devin hatte sich vor mehreren Wochen von seinem langjährigen Partner getrennt, nachdem der ihn betrogen hatte. Und das anscheinend mehrfach. Über Monate hinweg. Und dann auch noch die Dreistigkeit besessen hatte, als er von Devin zur Rede gestellt wurde, so zu tun, als seien seine Seitensprünge vollkommen in Ordnung, da Devin es vor der Kamera ja auch mit anderen Männern trieb. Als ob seinem Ex jetzt erst aufgefallen war, dass er seit Jahren mit einem Pornodarsteller liiert war und ihm dieser Umstand eigentlich missfiel.

      Zur Hölle, warum tanzte Devin mit diesem Arschloch bei einer Familienfeier an, als sei nichts geschehen?

      Und warum, zum Teufel noch mal, machte es mich überhaupt so wütend, dass er das tat?

      ›Weil es dich verletzt. Weil du in ihn verkna…‹

      »Bin ich nicht!«, schnauzte ich meine innere Stimme an und zuckte gleich darauf heftig zusammen, als es von der Tür her tönte: »Ist das nicht die Wohnung mit dem Wasserschaden?«

      Abrupt wandte ich den Kopf, um in den Flur blicken zu können. Im Türrahmen zu meiner Wohnung stand ein Mann mittleren Alters im Blaumann und linste fragend herein.

      »Was? Doch, ja. Also, in der Wohnung oben drüber ist die Badewa…«

      »Das habe ich mir schon angesehen.«

      ›Danke fürs Ausreden lassen.‹

      »Aber du hast den Wasserschaden an der Decke?«

      Nicht nur an der Decke.

      »Ja, hier im Wohnraum. Willst …?«

      Schon stapfte der Kerl durch den Flur auf mich zu und hinein in den Raum. Mit seinen Dreckschuhen an den Füßen.

      ›Ja, komm doch rein, fühl dich wie zu Hause, darf’s vielleicht noch ein Tee sein?‹

      Ich verkniff mir jedweden Kommentar. Immerhin war ich ja froh, dass Mabel augenscheinlich so schnell jemanden herbekommen hatte, der sich das ganze Desaster mal ansah.

      »Aha, na das ist ein ordentlicher Schaden.«

      Das hatte ich befürchtet.

      Während der Kerl den riesigen Fleck an der Decke mit akribischem Blick inspizierte und dabei ungeachtet der Fußspuren, die er auf dem Boden hinterließ, um mein Bett herumging, nahm ich kurzerhand dieses Exemplar von Mann in Augenschein. Wenn heute schon alles schieflief, konnte ich mir ja wenigstens ein bisschen Augenschmaus gönnen. Denn auch wenn der Kerl nicht unbedingt durch dezent-höflichen Charme glänzte, so war doch zumindest sein Äußeres recht ansprechend: etwa gleich groß, aber deutlich breiter gebaut als ich selbst, mit erahnbaren Muskeln unter dem Blaumann, kantigem Gesicht mit leichtem Bartschatten und dunklen, kurzgeschorenen Haaren. Zugegeben, ein bisschen längeres Haar hätte mir besser gefallen, aber man konnte nicht alles haben. Außerdem wollte ich ihn ja nicht direkt in mein Bett zerren, sondern einfach nur ein bisschen anschauen.

      Er selbst hatte anscheinend noch nicht genug geschaut. Noch einmal ging er um mein Bett herum, trat näher an die Wand und direkt auf das ruinierte Modell zu. Ich öffnete schon den Mund, sein Blick glitt nach unten. Ein Zögern und dann …

      Geräuschvoll schnappte ich nach Luft.

      … schob er das Modell einfach mit seinem Dreckschuh beiseite, um näher an die Wand herantreten zu können.

      ›Ja, flipp ich gleich aus, oder was?‹

      »Hör mal …«

      »Hier müssen Trockner rein.«

      Ich verschluckte


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