Catra Corbett: Wiedergeburt. Catra Corbett

Catra Corbett: Wiedergeburt - Catra Corbett


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nicht dabei. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich da tat. Trotzdem ging ich bei der Tür hinaus und begann zu joggen.

      Gleich von Anfang an spürte ich, dass ich etwas tat. Ich spürte es in meiner Brust und kam schnell außer Atem. Ich steigerte meinen Puls. Das war genau das, was ich wollte, also lief ich weiter.

      Ich wusste nichts darüber, wie man sich die Geschwindigkeit einteilt. Damals lief ich wahrscheinlich schneller, als ich sollte.

      Wenn du trainierst, solltest du mit einer Geschwindigkeit beginnen, bei der du noch ohne Probleme eine Unterhaltung führen kannst. Nur das wusste ich damals nicht. Ich lief einfach.

      Ich lief einfach um den Häuserblock und dachte, ich würde gleich sterben.

      Als ich es dann geschafft hatte, fühlte ich mich überhitzt und völlig erschöpft. Ich setzte mich auf die Treppe vor dem Haus und atmete tief durch.

      Irgendwie fühlte ich mich gut.

      Wow, dachte ich. Ich bin die ganze Strecke gelaufen, ohne zu gehen, stehen zu bleiben oder eine Pause einzulegen. Ich bin gelaufen. Ich bin tatsächlich gelaufen.

      Ich fühlte mich so gut, dass ich beschloss, Läuferin zu werden. Ich wollte so sein wie diese Leute im Fernsehen, die an diesen großen Rennen teilnahmen.

      Gleich neben dem Bagel-Shop, in dem ich arbeitete, gab es einen Barnes & Noble-Buchladen. In meiner Pause ging ich immer hinüber und schmökerte ein wenig in den Büchern. Am Eingang gab es auch einen Ständer mit Flyern, die einen darüber informierten, was alles in Freemont los war. Da gab es auch Prospekte, die 5K- und 10K-Läufe bewarben.

      Einmal sah ich dort einen Aushang für ein Rennen namens Carousel-to-Carousel im California’s Great America-Themenpark. Ich nahm mir einen der Zettel und ein Anmeldeformular und sagte meiner Mutter, dass ich mich für das Rennen anmelden wolle. Ich erklärte ihr, dass sie sich für den 5K-Spaziergang anmelden solle und ich würde den 10K-Lauf absolvieren.

      Zwei Wochen nach meinem ersten erschöpfenden Lauf um den Häuserblock war ich bereit, an meinem ersten Rennen teilzunehmen. Es war mir egal, dass zehn Kilometer doppelt so viel waren wie die längste Strecke, die ich bis zu jenem Zeitpunkt gelaufen war. Es war mir auch egal, dass mein erstes Rennen hart sein würde. Ich war der Meinung, dass ich es schaffen würde. Wie hart konnte es denn schon sein?

      Am Tag des Rennens hatte ich richtige Laufschuhe, ein Paar Reebok, die ich in einem Laden in meiner Nähe gekauft hatte, doch das war es dann schon mit meiner Laufausrüstung. Dazu trug ich meine Cut-Off-Shorts und ein schwarzes T-Shirt, das ich immer beim Laufen anzog. Das Rennen fand im März statt, doch in Kalifornien war es nur ein weiterer heißer Tag. Das schwarze T-Shirt zog die Hitze der Sonne richtig an, und so tropfte mir bereits vor dem Rennen der Schweiß von der Nase.

      Ich stand an der Startlinie und blickte mich um. Da waren all diese Leute rund um mich herum, und sie alle sahen so fit aus.

      Nun gut, dachte ich mir. Los geht’s.

      Als der Startschuss ertönte, lief ich los wie eine Rakete.

      Noch immer hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie man sich ein Rennen einteilt.

      Ich blieb auch an keiner Wasserstation stehen, da ich nicht wusste, dass man hydriert bleiben sollte.

      Ich rannte einfach, so schnell ich konnte, und wollte jeden überholen. Ich dachte, ich müsse sterben.

      Nach knapp 50 Minuten war ich im Ziel. Ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt. Kaum hatte ich die Ziellinie überquert, brach ich erschöpft zusammen. Jemand kam zu mir und fragte, ob alles in Ordnung sei, und zu meiner Überraschung antwortete ich mit Ja.

      Ich fühlte mich gut.

      Nein, ich fühlte mich großartig.

      Wow, dachte ich. WOW.

      Ich war gerade zehn Kilometer gelaufen.

      Am anderen Ende des Zielraums sah ich meine Mutter, die sich unheimlich für mich freute.

      Ich fühlte mich wie eine Heldin. Nachdem sie mir gratuliert hatte, besuchten wir den Vergnügungspark, denn für die Teilnahme an den Rennen hatten wir gratis Eintrittskarten erhalten.

      Dort trafen wir auf eine andere Teilnehmerin, die mich vom Rennen wiedererkannte.

      „Warum bist du ganz schwarz angezogen?“, fragte sie mich.

      Die Antwort war einfach, ich hatte nichts anderes gehabt, doch das sagte ich ihr natürlich nicht, denn es war mir peinlich. Ich sah wie eine blutige Anfängerin aus, die keine Ahnung hatte, was sie tat. Doch das sollte sich bald ändern. Ich lernte. Ich lief mehr. Ich liebte Rennen. Ich wollte mehr.

      Mutter und ich fuhren auf einigen der Attraktionen in dem Vergnügungspark, doch schon bald war ich zu müde, um noch länger durchzuhalten. Ich wollte nur mehr heim und ins Bett.

      Als wir mein Auto erreichten, sah ich einen Flyer an der Windschutzscheibe meines Wagens stecken. Ich nahm ihn heraus und las darauf in großen, fetten Buchstaben „SAN FRANCISCO MARATHON“. Dem Prospekt war ein Anmeldeformular beigelegt.

      Ich musste sofort an meinen Vater denken, der gerade für seinen ersten Marathon trainierte, als er starb. Als ich das Anmeldeformular sah, stieg meine Motivation. Ich werde einen Marathon laufen.

      Auch wenn ich nach diesem ersten 10K-Lauf dachte, dass ich tot umfallen würde, fühlte ich mich gleichzeitig fantastisch. Ich wollte dieses Gefühl unbedingt noch einmal verspüren. Also warum nicht für ein Rennen trainieren, das viermal so lang war wie ein 10K-Lauf?

      Also sagte ich meiner Mutter, dass ich den Marathon in Angriff nehmen würde, und sie sah mich stirnrunzelnd an und fragte: „Wie lange ist das?“

      „Oh, ich weiß nicht genau. Vielleicht so knapp über 30 Kilometer?“, antwortete ich.

      „Guter Gott. Du bist ja verrückt“, sagte meine Mutter darauf und schüttelte den Kopf.

      Ich rief Kevin an, meinen Trainingspartner (und noch nicht Lebenspartner), und fragte ihn, wie lange so ein Marathon eigentlich sei. 42,195 Kilometer, kam die Antwort.

      Oh Mann.

      „Stell dir vor, ich werde an einem teilnehmen“, sagte ich.

      An diesem Abend schnitt ich das Anmeldeformular von dem Flyer für den San Francisco Marathon, den ich an meinem Auto vorgefunden hatte, ab und schickte ihn ab. Nun gab es kein Zurück mehr.

      XXX

      Am Tag darauf ging ich in meinen örtlichen Barnes & Noble-Buchladen und suchte nach einem Buch über das richtige Training für den ersten Marathon. Ich griff zum erstbesten Buch, das ich sah. Was ich am dringendsten brauchte, war ein Trainingsplan. Ich kaufte das Buch und blätterte es durch.

      Bingo! Da war der Plan.

      Beim Training für einen Marathon waren laut dem Buch die Trainingsläufe während der Woche weniger wichtig als die langen Dauerläufe an den Wochenenden. (Das gilt im Großen und Ganzen auch für Ultramarathons, obwohl, das würde ich erst später lernen.) In diesem Trainingsplan wurden die Wochenendläufe als lange Dauerläufe bezeichnet, das heißt, dass diese Läufe das richtige Marathontraining waren. Die Idee dahinter war, sich langsam auf die 42 Kilometer einzustellen, indem man diesen langen Dauerlauf jede Woche etwas länger macht.

      Mein Marathon würde in drei Monaten stattfinden. Um im Plan zu bleiben, musste ich also am Sonntag 15 Kilometer laufen.

      Oh Mann. Bis zu jenem Punkt war meine längste Strecke der 10-Kilometer-Lauf gewesen. Nun musste ich den und zusätzliche fünf Kilometer laufen.

      Es war Freitag.

      Zu jener Zeit besaß ich keine GPS-Uhr, um die gelaufene Distanz ablesen zu können. Also setzte ich mich ins Auto, setzte meinen Kilometerzähler auf null und fuhr, bis er 7,5 Kilometer anzeigte, also die Hälfte, und sah, dass es an diesem Platz eine Tankstelle gab. Perfekt. An der Tankstelle kann ich umdrehen, dachte ich mir.

      Am


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