Catra Corbett: Wiedergeburt. Catra Corbett

Catra Corbett: Wiedergeburt - Catra Corbett


Скачать книгу
und nicht weiß, wovon sie redet. Aber sie hat sich nicht geirrt oder gelogen. Das war das einzige Mal, dass sie nicht gelogen hat“, sagte meine Mutter.

      Also sagte ich, dass ich einfach vom Weg abgekommen sei. Sie wollte eigentlich gar nichts anderes hören als das.

      Ich zog also wieder bei meiner Mutter ein, doch ich musste nach ihren Regeln leben. Sie wollte auf Nummer sicher gehen, dass ich nicht so wie meine Schwester von einem Entzug zum anderen eilte.

      Wieder bei meiner Mutter in Freemont zu leben, war irgendwie deprimierend für mich. Bevor ich einzog, war ich der Meinung, dass ich mich eigentlich ganz gut schlug. Ich stand auf eigenen Beinen, verdiente genügend Geld und konnte tun und lassen, was ich wollte. Ich lebte mein eigenes Leben.

      Doch es war kein Leben für mich selbst. Es war ein Leben für die Drogen. Ja, ich verdiente gut, doch das Geld ging für die Drogen drauf. Ja, ich stand auf eigenen Beinen, doch ich lebte zusammen mit Jason und seiner verkorksten Familie.

      Ich ging zu NA-Meetings und zu wöchentlichen Drogentests und arbeitete, aber es war mir peinlich, was aus mir geworden war. Ich war von meinem Weg abgekommen. Ich war traurig und hatte das Gefühl, meine Mutter enttäuscht zu haben.

      Schlussendlich wollte ich mit diesen scheußlichen Drogen ein für alle Mal abschließen. Ich wollte ein neuer Mensch werden. Vielleicht der Mensch, der ich schon längst hätte sein sollen. Zu dem Menschen, wie es vermutlich auch mein Vater gewollt hätte.

      Also begann ich mit dem Laufen.

       KAPITEL 3

       PAPAS MÄDCHEN

      Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist ein Rennen, das mein Vater zwischen mir und meinem Bruder zu veranstalten pflegte.

      Sonntags, wenn Mutter das Haus putzte, ging Paps immer mit uns raus. Dann fuhr er mit uns zum Sportplatz einer Highschool, wo er sich mitten auf den Platz stellte, während wir eine Art Staffellauf machen mussten, bei dem wir immer wieder hin und her liefen.

      Ich hasste es.

      Damals war ich so unglaublich mädchenhaft, dass ich weinte, wenn ich draußen spielte und mich schmutzig machte.

      Also konnte ich es auch nicht ausstehen, mit meinem Bruder um die Wette zu laufen. Zwar gab ich mein Bestes, doch mein Bruder gewann jedes Mal. Das Schlimme daran war, dass er etwa zwei Jahre jünger ist als ich und mich damals trotzdem immer um Längen schlug.

      „Toll machst du das, Kleines. Gib, was du kannst“, rief mein Vater mir zu.

      Ein paar Jahre später, ich war sieben und mein Bruder fünf, beschlossen unsere Eltern, uns beide in einem Fußballverein einzuschreiben.

      Ich wollte aber nicht Fußball spielen, ich wollte lieber steppen. Ich liebte das Steppen und schlief sogar in meinen Steppschuhen. Es war etwas, das mir unheimlich gefiel. Das Klicken der Schuhe, die Kleidung. Wenn du einmal ein paar Monate trainiert hattest, dann durftest du bei einer Aufführung mitmachen, und das bedeutete wiederum, dass du Make-up tragen durftest, eine neue Frisur bekamst und dieses glitzernde Gewand tragen konntest, Dinge, zu denen du als Siebenjährige normalerweise nie gekommen wärst. Ich hatte schon immer ein Faible für alles, was mit Glamour zu tun hat. So liebte ich Soul Train, eine TV-Show mit farbigen Tänzern, die zu Funkmusik tanzten, und vor allem ihre glitzernden Outfits, die sie dabei trugen. Es war einfach toll.

      Es dauerte nicht allzu lange, bis mein Vater zum Coach für das Fußballteam meines Bruders bestellt wurde und beschloss, auch mein Team zu coachen. Doch ich war keine besonders gute Teamspielerin. Während die anderen das Feld rauf und runter liefen, saß ich an der Seitenlinie, da ich nicht dreckig werden wollte, und weigerte mich lautstark zu spielen. Irgendwann gab ich dann nach, doch ich hasste es. Ich hasste es, zu laufen.

      Da ich im Dezember geboren bin, war ich immer die Jüngste im Team. Ich war elf Jahre alt, als ich in das 12+ Team kam. Als ich 13 war, waren die anderen Mädchen alle 14 oder 15. Sie waren älter und größer, und ich kam mir immer viel kleiner und schwächer vor.

      Etwa zur selben Zeit meldete mich mein Vater in einer Softballliga an und übte mit mir im Garten. Eines schönen Tages blendete mich die Sonne, und der Ball traf mich genau auf der Nase, da ich ihn nicht gesehen hatte.

      Das jagte mir so einen Schrecken ein, dass ich eine Angst vor Bällen im Allgemeinen entwickelte. Wenn ich also Fußball spielte und der Ball auf mich zukam, drehte ich mich immer weg. Mit der Zeit verabscheute ich jegliche sportliche Betätigung.

      Paps versuchte weiter, über den Sport eine Verbindung zu mir herzustellen. Es dauerte Jahre, viele Jahre nach seinem Tod, ehe ich erkannte, wie sehr er mich beeinflusst hatte.

      XXX

      Einmal, als ich ins Wohnzimmer kam und hoffte, dass meine Eltern mich in Ruhe lassen würden, lief gerade eine Sendung über den Western States 100, damals der bekannteste Ultramarathon des Landes, im Fernsehen.

      „He, Catra, komm einmal kurz her“, sagte mein Vater.

      Ich war noch nicht ganz ein Teenager damals, aber knapp dran, und ich hasste das Laufen noch immer. Ich hasste auch das Fußballspielen. Ich sah, wie sich mein Vater irgendetwas im Fernsehen über Läufer ansah. Warum will er, dass ich mich zu ihm setze?

      „Sieh dir diese Läufer an“, sagte er. „Die laufen den ganzen Weg von Squaw Valley bis nach Auburn.“

      Na und, dachte ich mir.

      „Cool, Paps“, sagte ich nicht gerade enthusiastisch.

      Als ich so dasaß und den Läufern zusah, dachte ich mir, dass sie in ihren kurzen Hosen und mit den Brillen wie eine Horde Streber und Nerds aussahen. Viele von ihnen sahen auch so aus, als wären sie total erschöpft und am Rande eines Zusammenbruchs.

      XXX

      Mein Vater wurde nicht als Athlet geboren. Meine Großeltern waren sehr wohlhabend und Großvater sehr streng. Und so durfte er nur eine Handvoll Sportarten ausüben. Für meinen Großvater waren nur Tennis und Golf akzeptabel. Er schien niemals mit dem zufrieden zu sein, was mein Vater tat. Paps ging zur Armee, doch Großvater war dagegen. Großvater liebte Golf, mein Vater nicht. Auch war mein Großvater nicht einverstanden, als Paps mit meiner Mutter, einer kleinen Italienerin mit einem Dutzend Brüder und Schwestern, ausging und sie dann sogar heiratete. Für ihn kam sie aus armen Verhältnissen, und er wollte, dass sein Sohn jemanden aus der besseren Gesellschaft heiratet. So machte es sich mein Vater zur Aufgabe, immer das Gegenteil von dem zu tun, was sein Vater tat. Er war ein supernetter Kerl.

      Später, als mein Bruder seine Liebe zum Fußball entdeckte, beschloss unser Vater, dass er ihn dabei unterstützen und auch selbst ernsthaft Sport betreiben würde. Es war ein weiterer Schritt, sich von seinem eigenen Vater zu unterscheiden.

      Paps las alles, was er über Fußball in die Finger kriegen konnte. Einige Jahre später wusste er bereits so viel darüber, dass er selbst ein Handbuch schrieb, wie man Burschenteams coacht.

      Damit er als Fußballtrainer arbeiten konnte, musste er aber auch selbst spielen, und deshalb ging er laufen.

      Mein Vater nahm regelmäßig an 5K- und 10K-Rennen teil und lief Halbmarathons. Dazu nahm er auch meinen Bruder mit. Sie liefen oft auf den Mission Peak hinauf, einen kleinen, aber beliebten Hügel am Rande der Stadt. Mein Bruder war zwar noch recht jung, doch er lief auch die Halbmarathons zusammen mit Paps.

      Ich selbst wollte nichts davon wissen.

      XXX

      In der siebenten Klasse zogen wir in eine andere Gegend, wo ich keine Freunde hatte. Am ersten Tag in der neuen Schule stand ich ganz allein an der Bushaltestelle, wie immer, und die anderen Mädchen sprachen mich an. Sie wurden meine neuen Freundinnen. Das waren ziemlich wilde Kids, und sie alle hatten Geld, doch sie hatten auch ältere Schwestern, das war ziemlich cool. So hingen wir eben zusammen herum.

      Das erste Mal, dass ich wirklich in Schwierigkeiten geriet, war, als ich 13 Jahre alt war


Скачать книгу