Catra Corbett: Wiedergeburt. Catra Corbett

Catra Corbett: Wiedergeburt - Catra Corbett


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Meth für mich nicht mehr nur eine Gelegenheitsdroge war. Nun wurde es zu einer Droge, die ich nahm, um mich normal zu fühlen. Ich musste diese unangenehmen Nebenwirkungen nicht mehr durchmachen. Ich musste einfach nur etwas mehr Meth nehmen. Und so dachte ich, dass ich die Lösung gegen diese Tiefs gefunden hätte.

      Wie falsch ich damit lag.

      Zwei Jahre später hasste ich mein Leben. Wenn du drogenabhängig bist, dann geben dir die Drogen nicht mehr diese Wahnsinnsenergie. Sie saugen dir die Energie ab. Der einzige Grund, warum du sie überhaupt noch nimmst, ist, dass du dich noch viel schlimmer fühlst, wenn du sie nicht nimmst.

      Zwar schaffte ich es, meinen Job im Frisiersalon zu behalten, doch ich mied meine Familie. Ich hatte immer eine enge Beziehung zu meinen Eltern gehabt, doch als ich süchtig wurde, sah ich meine Mutter vielleicht einmal im Monat. Ich schämte mich für das, was aus mir geworden war. Peggy hatte unsere Mutter bereits so viele Male enttäuscht.

      Und nun ich. Immer wieder fasste ich in guter Absicht den Plan, meine Mutter zu besuchen, oder verabredete mich mit ihr, doch dann kreuzte ich einfach nicht auf.

      Nach einer Weile, als mir die Drogen nicht mehr die Energie gaben, nach der ich mich so sehnte, färbte das Meth meine Welt grau. Alles war dumpf, leblos und hoffnungslos.

      In den seltenen nüchternen Momenten öffnete sich dann der Vorhang, und die Welt kam wieder zurück, und ich sah aus meinem Zugfenster und war ganz erstaunt, wie bunt sie war und wie hell und lebendig alles um mich herum war.

      Mein Leben war scheiße. Die Droge war alles, was ich hatte.

      Ich konnte nicht mehr in den Clubs abtanzen oder mit meinen Freunden rumhängen oder eine gute Tochter oder Schwester sein. Ich wollte nicht mehr die Person sein, zu der ich geworden war, doch ich wusste nicht, wie ich mein Leben ändern sollte. Und dann standen auf einmal die Cops in der Wohnung.

      XXX

      Ich blickte auf die kleine Koffeinpille in meiner Hand. Nun wusste ich bereits, dass es auch zwei entscheidende Momente im Leben einer Süchtigen geben konnte: den Punkt, an dem du süchtig wirst, und, wenn du Glück und den Willen hast, den Punkt, an dem du dich entscheidest, aufzuhören. Die Nacht im Gefängnis, nachdem die Polizei in meine Wohnung gekommen war, hatte mich so verängstigt, dass ich erkannte, dass ich mit den Drogen aufhören musste.

      Bis zu diesem Moment hatte ich mich erfolgreich vor einem Rückfall in die Sucht gewehrt – ich war weggezogen, hatte meine Freunde aufgegeben, und ich zog nicht mehr durch die Clubs und hatte sogar dem Alkohol Lebewohl gesagt.

      Ich befolgte die mir im Diversionsverfahren auferlegten Maßnahmen und besuchte täglich meine Narcotics-Anonymous-Treffen. Ich fand eine Anstellung in einem Bagel-Shop, doch es war trotzdem eine harte Zeit für mich. Ich vermisste meine Freunde, die ohrenbetäubende Musik der Clubs und den Kick nach einer Dosis Speed, speziell jetzt, da noch die letzten 20 Meilen vor mir lagen.

      Ich wollte nichts nehmen, was Drogen nur im Entferntesten ähnlich war. Schließlich lief ich hier, um sie zu vergessen. Ich hoffte, dass Ultrarunning genau das war, was mir helfen würde, die Drogen zu vergessen. Für mich sollte Ultrarunning diese eine Sache sein, die Peggy leider niemals gefunden hatte. Aus diesem Grund machte mich nach meiner Abhängigkeit alles, was mich an Drogen erinnerte, nervös. Ich nahm nicht einmal mehr Schmerztabletten, obwohl dir gerade solche Mittel bei einem 100-Meilen-Lauf wirklich helfen können.

      Ich drehte die kleine Koffeintablette in meiner Hand herum. Sie ähnelte dem Speed, das mich in der Vergangenheit stundenlang wachgehalten hatte. Diese Tablette würde mir ähnlich viel Energie geben. Egal, wie nötig ich diesen Koffeinschub hatte, ich hatte furchtbare Angst davor, die Tablette zu nehmen.

      „Das ist genauso wie Kaffee“, erklärte Kim, die mein Zögern bemerkt hatte. „Da ist genauso viel Koffein drinnen.“

      Sie konnte sehen, dass ich noch immer Zweifel hatte.

      „Dann nimm einfach nur eine halbe“, schlug sie vor.

      Ich nahm die Pille in den Mund, biss sie entzwei und steckte die andere Hälfte weg. Nur 15 Minuten später war ich hellwach.

      Die anderen Läufer schienen nur da draußen zu sein, um mich anzufeuern. Das war diese Art von Unterstützung, die einfach süchtig macht. Ich kam wieder in die Gänge und folgte Kim, bis ich sie aus den Augen verlor. Jetzt, wo ich wusste, dass sie und ihr lächelnder, mit rotem Lippenstift geschminkter Mund hier draußen mit mir auf der Strecke waren, fühlte ich mich besser.

      Als ich auf die letzten 20 Meilen ging, flehten meine Füße mich an, aufzuhören. Ich ging und lief durch das Brennen meiner wundgescheuerten Zehen und die Kälte meiner zerfetzten Fersen. Ein Schleier der Erschöpfung umgab mich, und einzig der Rausch des Koffeins hielt mich auf noch den Beinen. Es war wie in einem Traum. Einem Albtraum. Nur meine Tränen und die stechenden Schmerzen erinnerten mich daran, dass ich noch auf der Strecke war und versuchte, eine Ultraläuferin zu sein.

      Die Geräusche der Nacht, die surrenden Insekten und das Flüstern der anderen Läufer verstummten allmählich, als die ersten Lichtstrahlen versuchten, sich ihren Weg durch die Baumkronen zu bahnen. Doch das zarte Morgenlicht war noch immer zu schwach, um gegen das dichte Geäst anzukommen. In diesem gedämpften Zwielicht erschien alles um mich herum bizarr. Büsche und Bäume sahen aus wie Menschen. Die Baumwurzeln am Boden verwandelten sich plötzlich in Schlangen, die aus dem Sumpf gekrochen kamen. Mehrere Male erschreckte ich mich vor imaginären Fangzähnen und sprang in die Luft, nur um mit einem schmerzverzerrten Ächzen wieder hart auf meinen wunden Füßen zu landen.

      Ich war von Schmerzen gepeinigt und fühlte mich miserabel. Aber ich gab nicht auf, obwohl mir meine Zweifel dicht auf den Fersen waren, während die Schmerzen mir weiter die Geschwindigkeit vorgaben.

      Das NoDoz hörte langsam auf zu wirken, und ich begann erneut zu gähnen. Inzwischen war auch das Zirpen der Grillen verstummt, und ich konnte die Vögel zwitschern hören. Nun sah ich auch, wie der Himmel immer heller wurde, und packte meine Taschenlampe weg.

      Als ich aus dem Wald kam, brach das morgendliche Sonnenlicht wie eine Welle über mich herein. Es war warm und hell, und ich konnte die frische Energie durch meinen Körper fließen spüren. Das Vogelgezwitscher wurde immer lauter. Immer mehr Zuseher standen an der Strecke. Das Ziel kam näher.

      Während ich die letzten Meilen vor mich hin stolperte, musste ich unentwegt an meinen Vater denken. Voller Stolz sprach ich zu ihm in meinem Kopf. Sieh doch, was ich hier tue, Paps, sagte ich zu ihm und taumelte heulend Richtung Ziel.

      Du musst nur ankommen, dachte ich. Es sind nur noch ein paar Meilen. Nur ins Ziel kommen.

      Das entfernte Jubeln, das ich schon die letzten paar Meilen hören konnte, wurde nun langsam immer lauter, und ich begann, etwas schneller zu laufen.

      Meine Füße schmerzten, und meine Beine brachten mich beinahe um, doch sie funktionierten noch. Ich musste an meinen Vater denken, an Peggy, an all die Drogenabhängigen, die ich hinter mir gelassen hatte, an die Läufer, deren Körper zu kaputt waren, um jemals wieder zu laufen. Ich lief für all jene, die selbst nicht laufen konnten.

      Ich bog um eine Ecke, an der ich bereits viermal vorbeikommen war. Der Jubel wurde immer lauter. Nun war mir bewusst, dass nur noch weniger als eine Meile vor mir lag, und dann sah ich das Ziel.

      Als ich nach diesem letzten Energieanfall endlich die Ziellinie überquerte, dachte ich, mich hätte der Blitz getroffen, um es etwas pathetisch zu sagen. Doch es war weit weniger dramatisch. Ich überquerte die Ziellinie, schlüpfte aus den Schuhen – das Klebeband hing noch an meinen wunden Füßen – und fiel lächelnd zu Boden.

      Das ganze Rennen über war ich keinem einzigen Alligator begegnet.

      XXX

      Im Hotel nahm ich ein heißes Bad, musste aber danach noch einmal kurz zurück zum Ziel, da ich vergessen hatte, den Preis, den man für die 100 Meilen bekommt, mitzunehmen. Zurück im Hotelzimmer rief ich dann Jim Boyd an.

      Jim, oder Jimbo, wie ich ihn nannte, war einer dieser älteren Herren, die mich an meinen Vater erinnerten. Ich hatte ihn


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