Catra Corbett: Wiedergeburt. Catra Corbett

Catra Corbett: Wiedergeburt - Catra Corbett


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Schluss gekommen, dass ich mich nicht wirklich umbringen wollte, auch wenn ich es versucht hatte. Bei einem weiteren Termin mit meiner Therapeutin riet sie mir, bei Jason auszuziehen, da es kein sicherer Ort für mich sei.

      Ich musste ihr versprechen, dass ich so schnell wie möglich ausziehen würde. Wenn ich dies schaffte, könnte ich wieder meinen Weg gehen.

      Es war mir bewusst, dass ich meine Mutter anrufen und ihr sagen musste, was sich alles abgespielt hatte.

      XXX

      Als ich zum Hörer griff, zitterten meine Hände. Ich wollte meiner Mutter nicht erzählen müssen, dass ich Drogen nahm. Es hätte ihr das Herz gebrochen.

      Eine Tochter, die anruft und sagt, sie sei drogenabhängig, würde jeder Mutter das Herz brechen, doch da Peggy meiner Mutter bereits solchen Kummer bereitet hatte, würde es sie endgültig am Boden zerstören.

      Meine Schwester Peggy war drogenabhängig, seit sie 15 Jahre alt war. Als sie süchtig wurde, versuchte meine Mutter alles, um sie wieder von den Drogen loszukriegen. Sie empfand es in vielerlei Hinsicht als ihre Mission. Meine Eltern liebten Peggy, und es brach ihnen das Herz, dass sie ihnen so viel Kummer bereitete.

      Zu jener Zeit, als ich das Telefonat führte, hatte meine Mutter bereits Jahre mit den Folgen von Peggys Drogensucht leben müssen. Sie hatte Zehntausende Dollar ausgegeben, um Peggy dabei zu helfen, ihre Heroinsucht zu besiegen, doch die traurige Wahrheit war, dass sich Peggy scheinbar gar nicht helfen lassen wollte. Meine Mutter schien dies nie zu begreifen. Sie steckte Peggy in die verschiedensten Entzugskliniken und Behandlungszentren, doch es war vergeblich.

      Das Traurige daran war, dass es immer wieder Phasen gab, in denen Peggy sich bessern wollte. Tatsächlich hatte es auch einmal eine Zeit gegeben, in der Peggy ganz normal war und keine Süchtige. Peggy heiratete mit 18 und hatte zwei Kinder. Es schien, als liefe alles gut bei ihr. In Wirklichkeit war aber nichts in Ordnung. Sie war nie wirklich von ihrer Sucht losgekommen, sondern hatte nur eine kleine Pause gemacht.

      Drei Jahre später, im Alter von 21, traf Peggy wieder auf ihre Highschool-Liebe, und mit einem Fingerschnippen verfiel sie wieder in ihr altes Leben. Da waren wieder ihre Dämonen, die von ihr Besitz ergriffen. Sie verließ ihre Familie und lebte von nun an auf der Straße. An jenem Punkt gab meine Mutter nicht nur Geld für sie aus, sondern verbrachte Stunden damit, zusammen mit einer Freundin durch die Straßen von San Francisco zu fahren und nach Peggy zu suchen, in der Hoffnung, sie irgendwo aufzulesen und zu retten.

      Damals hörte meine Mutter nur gelegentlich von Peggy. Wenn Peggy wieder einmal ein paar Dollar brauchte, kam sie vorbei. Dann sagte sie, dass sie das Geld für Zigaretten brauche. Wenn du ihr aber sagtest, dass du ihr die Zigaretten holen würdest, machte sie eine Szene. Sie wollte einfach nur das Geld.

      Sie wollte das Geld, um Drogen zu kaufen. Zumindest das hatte meine Mutter erkannt, und sie weigerte sich, ihr Geld zu geben. Sie konnte nicht einmal ihre Geldbörse offen herumliegen lassen, wenn Peggy zu Besuch kam, denn dann fehlte immer Geld, und Peggy würde nicht einmal glauben, dass sie es gestohlen hatte. Denn das Schlimme war: Peggy konnte sich manchmal wirklich nicht mehr daran erinnern, dass sie es genommen hatte.

      So schlimm stand es bereits um sie. Sie war komplett von der Rolle und konnte nur mehr an ihre Drogen denken. Patty und ich fragten uns damals, wie lange es dauern würde, bis die Polizei an Mutters Tür läuten würde, um ihr die Nachricht von Peggys Tod zu überbringen. Meine Mutter verdrängte diesen Gedanken komplett. Sie hatte immer die Hoffnung, dass Peggy sich wieder erfangen könnte.

      Aber wenigstens war unsere Mutter nicht völlig naiv. Sie wusste, was Heroin mit einer Person anstellen konnte, und nachdem sie es bei Peggy gesehen hatte, wusste ich, dass sie sich nicht vorstellen konnte, wie jemand anderer auf das Zeug hereinfallen konnte. Sie würde nicht glauben können, dass auch ich drogenabhängig war. Peggy versuchte, meiner Mutter immer wieder von meiner Drogensucht zu erzählen. Sie erwähnte gelegentlich, dass sie glaube, ich sei auf Drogen, da ich so dünn war und mich auch so anzog. Doch Mutter glaubte ihr nicht.

      Ich wollte es mir selbst ja auch nicht eingestehen. Ich war doch keine Drogensüchtige, schließlich steckte ich mir ja keine Nadel in den Arm, so wie Peggy. Peggy war die Süchtige. Ich war nicht süchtig. Doch durch die eine Nacht im Gefängnis hatte sich meine Perspektive verschoben.

      Nun musste ich es meiner Mutter und mir selbst gestehen, dass ich drogenabhängig war.

      „Hallo?“, sagte meine Mutter, als sie den Hörer abnahm.

      Ich atmete tief durch.

      „Ich will wieder zu Hause einziehen“, sagte ich.

      „Kein Problem. Was ist denn los?“

      „Nun ja, ich bin verhaftet worden.“

      „Was?“

      „Ja, wegen Drogenhandels.“

      „Was?“, fragte sie nun lauter.

      Ich versuchte es mit Samthandschuhen: „Wir haben gelegentlich ein wenig Speed genommen. Dann haben wir begonnen, ein bisschen davon zu verkaufen, damit wir es uns leisten können.“

      „WAS?“, schrie sie nun ins Telefon.

      Stille. Ich spürte, dass sie bitter enttäuscht war und auch ziemlich verärgert.

      „Catra, gerade du solltest es doch besser wissen“, sagte meine Mutter schließlich. „Deine Schwester ist drogenabhängig.“

      Ich wusste nicht, was ich ihr anderes hätte sagen sollte. Sie hatte vollkommen recht, doch ich fand es auch etwas seltsam, dass sie dachte, ich würde auf keinen Fall Drogen nehmen, nur weil meine Schwester abhängig war.

      „Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich wieder zu Hause einziehe und in Behandlung war und zu NA-Meetings gegangen bin und es mir nun langsam besser geht“, antwortete ich.

      Meine Mutter schwieg. Dann meinte sie, wenn ich wieder bei ihr einziehen wolle, müssten wir uns zusammensetzen und ich müsste ihr alles genau erzählen.

      Ein paar Tage später brachten mich Jasons Eltern zum Haus meiner Mutter. Sie grüßten meine Mutter, doch sie war nicht besonders gesprächig. Meine Mutter mochte die beiden nicht, denn sie dachte, sie wären kein guter Einfluss. Vermutlich hatte sie sogar recht.

      Als wir im Haus waren, befahl sie mir, mich hinzusetzen, so als wäre ich ein kleines Mädchen.

      Da saß ich nun am Tisch und fühlte mich an meine katholische Erziehung erinnert.

      Als kleines Mädchen musste ich immer mit zur Kirche gehen. Ich mochte die bunten Glasfenster und Statuen, doch andererseits konnte ich dieses alte, furchteinflößende Gebäude nicht ausstehen. Es roch muffig. Am meisten hasste ich den Beichtstuhl, denn dort bekam ich immer die Panik. Der Priester öffnete dieses kleine Fenster, und ich musste ihm meine ganzen Sünden erzählen. Es war eng und dunkel da drinnen, und der Priester saß auf der anderen Seite, und ich musste ihm immer zuhören, wenn er sprach, und dabei meine dunkelsten Geheimnisse verraten und auf meine Strafe warten.

      So saß ich also meiner Mutter gegenüber und fühlte mich wieder wie das kleine Kind in diesem engen, dunklen Beichtstuhl, verängstigt, da ich jemandem die Wahrheit erzählen musste und dabei hoffte, nicht in der Hölle zu landen.

      Ich atmete noch einmal tief durch und erzählte ihr alles. Ich erklärte ihr, dass ich mehrere Jahre lang Drogen genommen hatte.

      „WARUM?“, fragte sie entsetzt.

      Sie wollte nicht zuhören.

      „Du solltest es doch besser wissen“, sagte sie wieder und wieder.

      Sie war wütend, und zurückblickend kann ich sagen: zu Recht. Es war das Letzte, was sie brauchte, und sie befürchtete, sich erneut mit einer drogenabhängigen Tochter auseinandersetzen zu müssen. Sie hatte genug schlimme Erinnerungen an Dinge wie spät nachts durch San Francisco zu fahren und nach meiner Schwester Ausschau zu halten.

      Dann kam sie wieder auf Peggy zu sprechen.

      „Weißt du, Peggy hat mir gesagt,


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