Catra Corbett: Wiedergeburt. Catra Corbett
redete mir nur ins Gewissen, aber meine Mutter hätte mich am liebsten umgebracht.
Im Jahr darauf begann ich zu rauchen. Ich war noch zu jung, um Nachtclubs zu besuchen, also ging ich zusammen mit meinen Freundinnen auf die Rollschuhbahn, wo wir im Raucherbereich rauchten. Das war auch etwa die Zeit, in der ich begann, Alkohol zu trinken und mich für Jungs zu interessieren. Meine beiden älteren Schwestern halfen uns, an Alkohol zu kommen. Mit der Zeit lernte ich auch, wie ich mich in Nachtclubs hineinschmuggeln konnte, indem ich ein falsches Alter angab. Ich sagte, ich wäre 16, doch ich sah nicht wie 16 aus. Ich war klein und dünn, doch die Türsteher ließen mich hinein, da meine Freundinnen älter aussahen. Aufgrund meines Verhaltens entfernte ich mich emotional immer mehr von meinem Vater, doch er war immer nett zu mir. Manchmal fuhr er mich sogar zu diesen Clubs, selbst wenn meine Mutter es mir nicht erlaubt hatte.
Damals wollte ich so wenig wie möglich mit meinen Eltern zu tun haben. Mein Vater konnte richtig peinlich sein, und es war mir unangenehm, wenn er in der Nähe war, während ich mich mit Jungs unterhielt. Dann kam er herüber und begann mit dem Jungen zu reden. Ich hasste das. Meinem Vater war das egal. Ich denke, er sah ein, dass Teenager gewisse Phasen durchmachten und es prinzipiell in Ordnung war, solange sie dabei nicht außer Kontrolle gerieten. Außerdem waren meine Eltern damals mehr mit Peggy und ihrem Drogenproblem beschäftigt.
Meine Schwierigkeiten wurden größer, weil ich nun auch begann, die Schule zu schwänzen. Ich wollte nur noch Party machen, und außer meinem eigenen Vergnügen interessierte mich nichts. Ich ging in einen Laden, suchte mir ein Outfit aus und bat dann eine Freundin, es für mich zu stehlen. Sie war so gut darin, dass nicht einmal ich es mitbekam, wie sie es klaute. Das ging für einige Zeit so weiter.
Als ich 17 war, bat ich meinen Vater um etwas Geld, um mir neue Klamotten damit zu kaufen. Doch Paps weigerte sich, es mir einfach so zu geben. Er meinte, ich bekäme erst Geld von ihm, wenn ich gewisse Aufgaben erledigen würde. Aber ich wollte keine Aufgaben übernehmen oder erledigen. Also sagte er, dass er mir Taschengeld geben würde, wenn sich meine Schulnoten verbesserten. Ich war wütend und schrie, wie sehr ich ihn dafür hasste. Dann ging ich auf mein Zimmer.
Es sollten die letzten Worte sein, die ich zu meinem Vater sagte.
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Ich erinnere mich noch, wie Paps am nächsten Morgen aufstand, um zur Arbeit zu fahren. Ich ging in die Schule und danach shoppen. Ein wenig Geld hatte ich noch übrig, und ich musste mir noch ein Paar Schuhe abholen, die ich mir zurücklegen hatte lassen. Es war ein Tag wie jeder andere.
Dann rief mich Patty an und sagte, dass Paps im Spital sei. Bereits einen Monat zuvor war er wegen Brustschmerzen ins Spital gefahren, wo ihm die Ärzte sagten, dass er wahrscheinlich chronisches Sodbrennen hätte, was aber nicht so tragisch wäre, da man das in den Griff bekommen könne.
Als ich dann zu Hause ankam, rief meine Mutter an. Vater war tot.
Ich fuhr zum Krankenhaus und erinnere mich nur mehr daran, dass ich unter Schock stand. Schließich war ich noch so jung und kannte niemanden aus meinem näheren Umfeld, der gestorben war. Der Tod war etwas, das anderen Menschen zustieß. Ich betrachtete seinen Körper. Er sah nicht tot aus, sondern so, als schliefe er.
Meine Mutter weinte, und meine Tante versuchte sie trösten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich stand da wie angewurzelt.
Mein Bruder stand völlig unter Schock und starrte nur vor sich auf den Boden.
Wie ich später herausfand, hatte mein Vater wieder Brustschmerzen verspürt, und sein Doktor meinte, er solle ins Spital fahren. Mein damaliger Freund hatte gerade seinen Führerschein gemacht und fuhr meinen Vater und meinen Bruder ins Spital.
Nach etwa eineinhalb Kilometern Fahrt erlitt mein Vater einen Herzstillstand. Er krümmte sich und konnte nicht mehr atmen. Mein Bruder versuchte, ihn mittels Herzmassage wiederzubeleben. Doch es half nicht.
Am Tag des Begräbnisses konnte ich es gar nicht fassen, wie viele Leute da waren. In der Kirche gab es nur mehr Stehplätze. Einige der Anwesenden hatten Trauerreden vorbereitet, in denen sie voll Lob darüber sprachen, was für ein guter Mensch er war und wie sehr er andere inspiriert hat.
An jenem Tag lernte ich viel über meinen Vater, Dinge, die ich davor nicht gesehen hatte.
Die Fußballmannschaft meines Bruders legte einen unterschriebenen Ball in seinen Sarg. Das war wundervoll.
Wir alle trauerten. Mutter war völlig verloren, und sie musste nun auch wieder arbeiten gehen. Mein Bruder, der seinen Vater sterben gesehen hatte, war besonders still. Und ich wusste nicht, was ich ohne die lenkende Hand meines Vaters mit meinem Leben anfangen sollte. Meine Mutter war noch immer wie benommen und lenkte sich mit ihrer Arbeit ab.
Nur einige Monate nachdem mein Vater gestorben war, ich war noch immer 17, flog meine beste Freundin von der Schule. Ich beschloss, zusammen mit ihr auf eine andere Schule zu gehen. Doch die Idee mit der neuen Schule funktionierte nicht, und ich entschloss mich dazu, mit der Schule aufzuhören und eine Ausbildung als Friseurin und Kosmetikerin zu machen. Das war keine schlechte Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Ich war eine gute Friseurin, und ich hatte einen guten Job. Ich konnte nebenbei Drogen nehmen und arbeiten.
Aber es würde noch Jahre dauern, bevor ich meine Liebe zum Laufsport entdecken sollte. Davor musste ich erst noch in einem Frisiersalon arbeiten und drogenabhängig werden, verhaftet werden und von den Drogen loskommen. Ich war auf der Suche nach etwas, das mir helfen sollte, die Drogen endgültig zu vergessen. Und am Ende meiner Suche sollte das Laufen stehen.
Mein ganzes Leben lang sollte ich an jenen Moment denken. Es war eine wunderbare Erinnerung an meinen Vater, wie er während meiner verkorksten Teenagerjahre versuchte, eine engere Beziehung zu mir aufzubauen. Das ist auch der Grund, warum ich denke, dass Paps so wie einer dieser älteren Läufer geworden wäre, vielleicht sogar jemand, der die Rennen mit mir bestritten hätte. Ich glaube auch, dass ich deswegen zum Laufsport gefunden habe. Ich war auf der Suche nach etwas, was mir helfen sollte, nie mehr rückfällig zu werden, und selbst so viele Jahre danach kommt es mir vor, als wäre mein Vater noch da und erteilte mir ungewollte Ratschläge und half mir, etwas zu finden, das ich dringend brauchte.
KAPITEL 4
MEINE ERSTEN SCHRITTE
Im Jahr 1996, zwei Jahre nachdem ich wieder clean war, ging es mir gut. Ich arbeitete in einem Bagel-Laden, betrieb Sport und ging wieder zur Schule, um meinen Abschluss zu machen. Außerdem hatte ich ein Dach über dem Kopf, auch wenn ich wieder bei meiner Mutter lebte.
Allerdings hatte ich keine Freunde. Ich steigerte mich so sehr in meinen Entzug, die Schule und den Sport hinein, nur damit ich diese ekeligen Drogen aus meinem Körper bekam. Meine einzigen Kameraden waren Oskar, mein Zwergdackel, Kevin, mein Trainingspartner und späterer Freund, und meine Mutter.
Die alte Süchtige oder der freche Teenager in mir hätten mich ausgelacht. Aber ich war nun ein anderer Mensch. Ich war keine Goth, keine Clubgeherin oder Tänzerin mehr. Ich war Assistant Manager in einem Bagel-Laden und eine 30-jährige Schülerin an der Highschool sowie eine erwachsene Frau, die mit ihrer Mutter lebte. Das genaue Gegenteil meines früheren Lebens. Das war in vielerlei Hinsicht auch gut so. Also entschied ich mich, dieses neue Ich mit offenen Armen willkommen zu heißen.
Zu jenem Zeitpunkt hatte ich bereits zwei Jahre lang Krafttraining hinter mir und war mit Oskar täglich an die fünf Kilometer spazieren gegangen. Doch eines Tages beschloss ich, dass ich das Spazierengehen satthatte. Es war einfach extrem langweilig.
Der Gedanke kam mir, als ich die Leute auf den Laufbändern im Fitnesscenter beobachtete. Das sah nicht gerade bequem aus. Tatsächlich wirkte es eher anstrengend. Doch ich dachte auch, dass ich es einmal ausprobieren könnte, anstatt mit Oskar jedes Mal fünf Kilometer spazieren zu gehen. Sonst gab es eigentlich keinen Grund dafür. Irgendwie möchte ich daran glauben, dass es mein Vater war, der mir diesen Gedanken zugeflüstert hat.
Am nächsten Tag stand ich auf und zog mir meine Sportsachen an. Ich besaß kein