Musikergesundheit in der Praxis. Claudia Spahn
Knochen des Armes umfassen den Oberarmknochen (humerus) und die beiden Unterarmknochen Elle (ulna) und Speiche (radius). Alle drei Knochen sind an der Bildung des Ellenbogengelenks beteiligt. Die Hauptbewegungen im Ellenbogengelenk sind das Beugen, Strecken und Drehen des Unterarms. Die Drehbewegung mit der Handinnenfläche nach oben nennt man Supination, diejenige mit der Handinnenfläche nach unten Pronation (Abb. I.41). Da man beide Begriffe leicht verwechseln kann, eignet sich als »Eselsbrücke« für die Bewegung der Supination die Position beim Halten eines Suppenlöffels. Die Pronation ergibt sich dann als gegenläufige Bewegung.
Am Unterarm sind für das Musizieren besonders die Beuge- und Streckmuskeln des Handgelenks und der Finger von Interesse. Sie entspringen am Ellenbogen, haben ihren Muskelbauch an der Ober- und Unterseite des Unterarms und laufen mit ihren langen Sehnen bis an die Endglieder der Finger.
Hand
Die Hand hat für jeden Musiker eine besondere Bedeutung, da sie neben den Lippen der Bläser und dem Kehlkopf der Sänger den direkten Kontakt zum Instrument herstellt. Die Hand spielt für die Evolution des Menschen darüber hinaus eine entscheidende Rolle, da durch die Befreiung der Hände in der Körperaufrichtung erst kulturelle Leistungen wie das Spielen eines Instruments möglich wurden.3
Knöchern besteht die Hand aus den acht Handwurzelknochen des Handgelenks, denen die Mittelhand mit fünf Mittelhandknochen und die Finger folgen (Abb. I.40). Die Finger besitzen Glieder, die sog. Phalangen. Der Daumen weist zwei Glieder auf. Zeige-, Mittel-, Ringfinger und kleiner Finger dagegen besitzen jeweils drei Phalangen und drei Gelenke: das Fingergrundgelenk (MCP: Metacarpophalangealgelenk), das Fingermittelgelenk (PIP: proximales Interphalangealgelenk) und das Fingerendgelenk (DIP: distales Interphalangealgelenk). An den Fingern selbst befinden sich keine Muskeln.
Abb. I.46: Kurze Handmuskeln, mittlerer Nerv und Karpaltunnel der rechten Hand
Die Muskeln der Hand sind in der Mittelhand angesiedelt und werden funktionell und nach ihrer Lage in drei Gruppen eingeteilt: in die Binnenmuskeln der Hohlhand – sog. intrinsische Muskeln, zu denen die Regenwurmmuskeln (Mm. lumbricales) und die Zwischenknochenmuskeln (Mm. interossei) zählen –, in die Muskeln des Daumenballens und die Muskeln des Kleinfingerballens. (Abb. I.46). Die intrinsischen Muskeln werden vom Ellennerv (Nervus ulnaris) und vom mittleren Nerv (Nervus medianus) versorgt. Sie sind für die Feinbewegungen von Zeige-, Mittel-, Ringfinger und kleinem Finger – Spreizen und Zusammenziehen, Strecken in den Mittel- und Endgelenken – zuständig. Die Muskeln des Daumen- und Kleinfingerballens ermöglichen die Überkreuzbewegung des Daumens sowie die Griffbildung der Hand.
Die Hand stellt im Zusammenwirken von Muskeln, Sehnen und Bändern die biomechanisch komplizierteste Struktur des Menschen dar.4
Die Sehnen müssen teilweise lange Strecken – von den Muskeln am Unterarm bis zu den Fingern – überwinden. Diese langen Sehnenverläufe in den Sehnenscheiden stellen anfällige Stellen für Überlastung dar. An der Oberseite des Handgelenks laufen die Strecksehnen durch die Sehnenfächer. Hier kann durch Überlastung eine Sehnenscheidenentzündung auftreten. An der Beugeseite befindet sich ein Kanal, der Karpaltunnel, dessen untere und seitliche Begrenzung von den Handwurzelknochen gebildet wird. Zur Beugeseite des Handgelenks hin spannt sich ein breites Band – das sog. Retinaculum flexorum – zwischen den Handwurzelknochen aus. Durch den Karpaltunnel verlaufen die Beugesehnen der Finger sowie der mittlere Nerv (Nervus medianus) und Gefäße (Abb.I.46). Wird er durch die umgebenden Strukturen gedrückt, kann es zum sog. Karpaltunnelsyndrom kommen. Bei den Beugesehnen v. a. des Ring- und Kleinfingers existieren anatomische Varianten, die für die Spieltechnik beachtet werden müssen (Kap. II.3.2, S. 138).
Spielbewegungen
Koordination innerhalb der Funktionskette
Prinzipiell ist jede Fingerbewegung beim Instrumentalspiel Teil der Funktionseinheit Schultergürtel, Schultergelenk, Arm und Hand und kann nie isoliert gesehen werden. Die differenzierte Koordination der einzelnen Teile innerhalb der Funktionseinheit stellt deshalb eine Grundvoraussetzung dar, um die hohen Präzisionsleistungen beim Musizieren erbringen zu können (Meinel und Schnabel 2015, S. 129).
Abb. I.47 zeigt die Funktionskette bei einer Pianistin seitlich von hinten. Aus dieser Perspektive kann der Instrumentallehrer den Schüler im Unterricht beim Spielen beobachten. Der vordere Teil des Schultergürtels, der ihm aus diesem Blickwinkel entgeht, sollte – wie in Abb.I.41 dargestellt – immer mitbeachtet werden.
Abb. I.47: Funktionskette Hand-Arm-Schulter-Schulterblatt
Abb. I.48a und b: Rechte Hand beim Klavierspiel: a) angespannt und b) entspannt
Betrachtet man die Gelenke entlang dieser Funktionskette, so gilt prinzipiell, dass eine Bewegung dann optimal ausgeführt wird, wenn alle Gelenke so bewegt werden, dass sie in ihrem optimalen Bewegungsumfang an der Gesamtbewegung beteiligt sind. Dies sorgt dafür, dass das Gelenk am Ende der Funktionskette nicht in eine belastende Gelenkendstellung gebracht wird. Kommt ein Gelenk nämlich an die Grenzen seiner Beweglichkeit, so können die Bewegungen in dieser Position nicht mehr schnell genug und nur unter höchster Belastung ausgeführt werden. Jedes Gelenk besitzt einen Bereich, in dem Bewegungen schnell und mit geringem Gelenkwiderstand möglich sind. Bei größeren Auslenkungen im Gelenk außerhalb dieses Bereichs beträgt der Gelenkwiderstand bis zu einem Vierfachen des ursprünglichen Widerstands. Beim Instrumentalspiel ergeben sich aus der Grundposition mit dem Instrument und aus spezifischen spieltechnischen Anforderungen nicht selten Situationen, in denen Gelenke in eine Endstellung geraten können.
Gelenke sollten beim Musizieren nur im mittleren Bereich ihrer Beweglichkeit genutzt werden, da hier der Gelenkwiderstand niedrig ist (Wagner 2005, S. 82).
Ein häufiges Beispiel hierfür sind die Hände von Pianisten beim Spiel entsprechender Literatur. Insbesondere Akkordgriffe mit weit und ungünstig auseinanderliegenden Tastenabständen führen zu einer Spannung in der gesamten Hand und stellen einen Risikofaktor für Überlastungsbeschwerden dar (Abb. I.48a und b). Bei der Auswahl der Spielliteratur sollte deshalb berücksichtigt werden, welchen Anforderungen die Hand des jeweiligen Pianisten genügen kann.
Abb. I.49 zeigt eine Violinistin mit Position der Greifhand beim Spiel in der hohen Lage auf der G-Saite. Diese Bewegung erfordert eine Beugung im Handgelenk und in den Fingergelenken, eine Supination, Beugung und Innenrotation im linken Unterarm sowie zusätzlich eine Innenrotation im Schultergelenk und entsprechende Mitbewegungen von Schulterblatt und Schlüsselbein. Wären beispielsweise Schultergürtel, Schulter- und Ellenbogengelenk an der Bewegung zu wenig beteiligt, würde das Handgelenk unter große Spannung und in eine ungünstige Gelenkendstellung geraten. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass bei spieltechnischen oder gesundheitlichen Fragen hinsichtlich der Finger und des Handgelenks die anderen Gelenkabschnitte miteinbezogen werden müssen.
Unter kinematischen Gesichtspunkten bilden Bewegungen beim Musizieren einen sog. closed loop, da ihr Endpunkt durch Berührung des Instruments fixiert und die Bewegungskette damit geschlossen ist. Probleme, die sich in einem Funktionsabschnitt der Bewegungskette äußern, können ihren Ursprung deshalb in der nicht optimalen Position und Mitgestaltung eines anderen Funktionsabschnitts haben.
Abb. I.49: Greifhand und -arm beim Spiel auf der G-Saite der Violine
Beim Musizieren – als einer geschlossenen Bewegungskette – hat die Bewegungsveränderung eines Funktionsabschnitts unweigerlich Folgen für jeden anderen Abschnitt der Bewegungskette.
Ein anschauliches Beispiel hierfür sind Handprobleme, die ihren