Jüdische Altertümer. Flavius Josephus

Jüdische Altertümer - Flavius Josephus


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davon Mitteilung gemacht hätten. Da nun der Vater keine Kenntnis von ihrem Verbleib hatte, und auch keiner von den Hirten zu ihm kam, der ihm etwas Sicheres von ihnen hätte melden können, wurde er sehr betrübt und sandte bekümmerten Herzens den Joseph zu den Herden, damit er sich nach seinen Brüdern erkundige und ihm Nachricht über sie bringe.

      DRITTES KAPITEL

      Wie Joseph aus Hass von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde.

      1. Die Brüder freuten sich, als sie den Joseph kommen sahen, jedoch nicht wie über die Ankunft eines nahen Verwandten und Boten ihres Vaters, sondern wie über die eines Feindes, den Gott in ihre Gewalt gegeben. Um nun die günstige Gelegenheit nicht entschlüpfen zu lassen, schickten sie sich sogleich an, ihn umzubringen. Als aber Rubel, der älteste von ihnen, sah, was sie tun wollten und dass sie eines Sinnes waren, versuchte er ihren Frevelmut zu zügeln, indem er ihnen zeigte, welch gewagtes und schändliches Beginnen sie vorhätten. Denn wenn es vor Gott und den Menschen schon ein Gräuel sei, einen fremden Menschen zu töten, um wie viel frevelhafter sei es dann, die Schuld des Brudermordes auf sich laden zu wollen, zumal das Unglück rückwirkend auch den Vater treffen und die Mutter in trostlose Verlassenheit stürzen würde. Sie sollten sich daher hüten, eine so unnatürliche Tat zu begehen, und von ihrem verwegenen Unternehmen abstehen. Sie möchten doch bedenken, was sie selbst leiden würden, wenn ihnen ihr bester Sohn entrissen werden sollte. Auch sollten sie Gott fürchten, der ihren Anschlag gegen das Leben des Bruders durchschaue. Wenn sie von der Tat Abstand nähmen, werde Gott sie um ihrer Reue und Sinnesänderung willen lieben. Beständen sie hingegen auf der Ausführung ihres Vorhabens, so werde er sie gewiss mit den erdenklichsten Strafen belegen, weil sie seine allgegenwärtige Vorsehung beleidigt, vor der nichts verborgen bleibe, möge es nun in der Einsamkeit oder im Gewühl der Städte geschehen. Denn wo immer der Mensch sei, da sei auch Gott gegenwärtig. Auch würde, wenn sie die Tat wagten, ihr eigenes Gewissen sie verfolgen; diesem aber könne niemand entfliehen, sei es gut oder böse wie das ihrige, wenn sie den Brudermord begingen. Überdem fügte er noch hinzu, wie unrecht es sei, selbst einen nichtswürdigen Bruder zu töten, und dass man auch an Freunden sich nicht räche, wenn man sich von ihnen beleidigt glaube. Sie aber wollten den Joseph umbringen, obgleich er ihnen nicht das geringste Böse zugefügt habe und sein zartes Alter vielmehr ihr Mitleid, ihre Fürsorge und ihren Schutz verlange. Vermehrt werde übrigens die Schlechtigkeit der Tat noch durch den Beweggrund, der sie dazu treibe, und das sei nur der Neid über das zukünftige Glück Josephs, das sie doch mitgenießen würden, da sie in engster Gemeinschaft mit ihm lebten. Denn sie müssten bedenken, dass das, was Gott dem Joseph beschere, auch ihnen zugute kommen werde. Der Zorn des Himmels werde also schwer auf ihnen lasten, wenn sie den töteten, den Gott eines solchen Glückes gewürdigt habe. Auch beraubten sie Gott selbst dessen, den er mit Glücksgütern überhäufen wolle.

      2. Durch diese und andere Vorhaltungen und Bitten versuchte Rubel sie vom Brudermorde abzuschrecken. Da er aber sah, dass sie um nichts versöhnlicher geworden waren, vielmehr es mit dem Morde eilig zu haben schienen, suchte er sie wenigstens zu einer milderen Todesart zu bestimmen. Denn da sie seiner flehentlichen Bitte, die Tötung zu unterlassen, nicht nachkämen, vielmehr darauf beständen, ihn aus dem Wege zu räumen, so würden sie wenigstens eine leichtere Sünde begehen, wenn sie seinem Rate folgten. Ihren Zweck würden sie ja so auch erreichen, aber auf eine andere, weniger gehässige Weise. Er beschwor sie nämlich, nicht selbst Hand an ihren Bruder zu legen, sondern ihn in die nächste Zisterne zu werfen und dort sterben zu lassen; so würden sie den Vorteil haben, ihre Hände nicht zu beflecken. Als sie hierzu ihre Zustimmung gaben, führte Rubel den Knaben weg, band ihn an ein Seil und ließ ihn langsam in eine Zisterne hinab, die hinreichend trocken war. Dann entfernte er sich und suchte sich einen passenden Weideplatz.

      4. Sobald nun die Brüder solches gegen Joseph bewerkstelligt hatten, überlegten sie, was zu tun sei, um den Verdacht des Vaters abzulenken. Und sie kamen darauf, das Unterkleid, welches Joseph getragen, als er zu ihnen kam, und das sie ihm ausgezogen, als sie ihn in die Zisterne hinabließen, mit Bocksblut zu bespritzen, es dem Vater zu bringen und ihm zu zeigen, damit er glaube, sein Sohn sei von wilden Tieren zerrissen worden. Also taten sie auch, begaben sich zu dem alten Vater, dem schon etwas über seinen Sohn zu Ohren gekommen war, und sagten ihm, sie hätten den Joseph nicht gesehen, wüssten auch nicht, was ihm zugestoßen sei. Doch hätten sie dieses blutbefleckte und zerfetzte Kleid gefunden, woraus sie geschlossen hätten, er sei von wilden Tieren angefallen worden und habe so den Tod gefunden, wenn dies das Kleid sei, in welchem er von Hause sich entfernt habe. Jakob aber, der noch leise gehofft hatte, der Knabe sei vielleicht irgendwohin gefangen weggeführt worden, gab nun diesen Gedanken auf, hielt das Kleid für ein sicheres Zeichen seines Todes (denn er erkannte, dass es dasselbe sei, in welchem er den Joseph zu seinen Brüdern geschickt hatte) und betrauerte ihn, als wenn er wirklich umgekommen sei. Und er stellte sich so an, als ob er sein einziger Sohn gewesen sei, und wollte von dem Troste der anderen Söhne nichts wissen. Denn er war überzeugt, dass Joseph, noch ehe er mit seinen Brüdern gesprochen hatte, von wilden Tieren zerrissen worden sei. So saß er da, mit einem Sacke bekleidet und von Schmerz gebeugt, verschmähte den Trost seiner Söhne und ließ selbst aus Erschöpfung von der Trauer nicht ab.

      VIERTES KAPITEL

      Josephs ausgezeichnete Selbstbeherrschung.

      2. Es war nämlich seines Herrn Weib wegen seiner Schönheit und Geschicklichkeit von Liebe zu ihm entbrannt, und sie glaubte, sie werde, wenn sie ihm dies mitteile, ihn leicht zu sündigem Umgang verlocken können, ja er werde es als ein Glück betrachten, dass seine Herrin solches von ihm verlange; denn sie dachte nur an seinen gegenwärtigen Stand eines Knechtes, nicht aber an seine guten Sitten, die trotz des veränderten Standes dieselben geblieben waren. Als sie aber ihr heftiges Verlangen ihm verriet und ihm den Beischlaf antrug, wies er ihr Begehren zurück und hielt es für unrecht, dass sie ihm eine Gunst gewähren wolle, welche über den, der ihn gekauft hatte und ihn in so hohen Ehren hielt, nur Schmach und Schande bringen würde. Dann ermahnte er sie, ihre Begierde zu zügeln, und nahm ihr die Hoffnung, als ob er je ihr willfahren würde; denn so, meinte er, werde sie eher von ihrem ungestümen Verlangen abstehen. Auch habe er sich fest vorgenommen, eher das Äußerste zu erdulden, als ihr zu Willen zu sein. Denn wenn es sich auch für den Knecht nicht zieme, der Herrin sich zu widersetzen, so glaube er doch für seinen Ungehorsam gegen ihren Befehl hinreichende Entschuldigung zu haben. Da sie aber solchen Widerstand nicht erwartet hatte, wurde ihre Liebe nur noch heftiger, und weil ihre schlechte Begierde sie dazu trieb, beschloss sie, ihn ein zweites Mal zu bestürmen.

      3. Als nämlich ein öffentliches Fest bevorstand, dessen Besuch auch für die Frauen Sitte war, schützte sie bei ihrem Gatten Krankheit vor, um ihr Verlangen an Joseph wieder stellen


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