Krebs beim Hund. Kerstin Piribauer

Krebs beim Hund - Kerstin Piribauer


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diese im Zuge der Zellteilung identisch an all ihre Tochterzellen weitergibt. Sogenannte Karzinogene wie beispielweise Strahlung, Viren oder verschiedenste chemische Substanzen können für derartige bleibende Veränderungen in der DNA einer einzelnen Zelle verantwortlich sein. Wenn die physiologischen Reparaturmechanismen der Zelle diese Schädigungen nicht mehr beheben können, werden sie bei der Zellteilung identisch auf alle neu entstehenden Tochterzellen übertragen.

      Ein Tumor besteht zunächst lange aus genetisch identischen Zellen. Eine Tumorerkrankung zeigt daher ein monoklonales Krankheitsbild. Monoklonal bedeutet, dass alle Zellen die gleiche Abstammung haben und auf eine einzige gemeinsame Ursprungszelle zurückgehen.

      Diese Mutationen im Genom einzelner Körperzellen, die die Onkologie heute als Ursache einer Krebserkrankung versteht, betreffen somit nicht alle Zellen des Organismus und werden im Gegensatz zu Mutationen in den Keimzellen nicht von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben. Krebs an sich ist nicht von einer Generation auf die andere übertragbar, aber natürlich haben auch erbliche Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf eine möglicherweise erhöhte Neigung, Tumorerkrankungen zu entwickeln. Dieser Aspekt ist insbesondere für die Rassehundezucht von besonderem Interesse. Zudem beeinflussen die unterschiedlichsten äußeren Faktoren und Umwelteinflüsse die Schalterfunktionen im Genom und können so bestimmte Gene aktivieren oder blockieren, deren physiologische Funktionen eine Tumorentwicklung entweder begünstigen oder hemmen.

      Damit eine Zelle schließlich über die Eigenschaften einer malignen Tumorzelle verfügt, zum Beispiel über die Fähigkeit, ungehindert in umliegendes gesundes Gewebe einzuwachsen oder über das Potenzial, Metastasen zu bilden, reicht eine genetische Mutation alleine nicht aus. Bereits in der Ursprungszelle einer Tumorerkrankung sind mehrere Veränderungen notwendig, um diese massiven Prozesse zu initiieren. Eine Zelle wird also nicht von einer Sekunde zur anderen, sondern in mehreren kleinen Schritten zur Krebszelle. In dieser langsamen Entwicklung einer Tumorerkrankung, der Karzinogenese, spielt somit auch der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle.

      Eine durch ein Karzinogen hervorgerufene Mutation hat das Genom einer Körperzelle irreversibel geschädigt.

      Zusätzliche Mutationen und ein Versagen der Kontrollmechanismen haben die Eigenschaften der Zelle weiter verändert: Sie ist zur Tumorzelle geworden!

      Ein maligner, infiltrativ wachsender Tumor mit dem Potenzial zur Metastasierung ist entstanden.

      Die Medizin fasst den komplexen Prozess der Karzinogenese in einem mehrstufigen Modell zusammen: Am Anfang steht die Initiation, die erste genetische Veränderung im Genom der Zelle. Meist haben krebsauslösende Faktoren aus der Umwelt zu dieser ersten Mutation geführt und eine einzelne oder einige wenige Zellen eines Organs oder einer Körperregion damit irreversibel geschädigt. Dies kann durch Strahlen, Viren oder auch chemische Substanzen geschehen, die über eine karzinogene Wirkung verfügen. All diese Karzinogene haben eine gemeinsame Eigenschaft: Sie verändern das Genom!

      Diese initial geschädigten Zellen können nun entweder in einem Ruhezustand verbleiben oder aktiv werden, sich teilen und identische Tochterzellen bilden, proliferieren, wie es in der medizinischen Fachsprache heißt. In der Phase der Promotion beeinflussen verschiedene Faktoren dieses Wachstumspotenzial: Dabei können entweder tumorfördernde Substanzen, Promotoren oder Co-Karzinogene, im Mittelpunkt stehen oder aber tumorhemmende Stoffe, die sogenannten Anti-Karzinogene. Dieser Prozess kann sich beim Menschen über Jahrzehnte, beim Hund über einige Monate oder auch Jahre hinziehen. Verschiedene Studien unterschiedlicher Wissenschaftsgebiete gehen heute davon aus, dass sinnvolle präventive Maßnahmen möglicherweise verhindern können, dass sich aus dem frühen Stadium einer irreversiblen Zellveränderung eine wirkliche Tumorerkrankung entwickelt. Dazu gehört vor allem eine bewusste Lebensweise mit einer entsprechenden gesunden Ernährung in einem harmonischen Umfeld. Der Kontakt und Umgang mit Stoffen, die sich als karzinogen erwiesen haben, sollte weitgehend vermieden werden. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass die gleichen Faktoren einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Überlebenszeit mit einer Tumorerkrankung haben.

      Gewinnt die Ausbreitung dieser initial geschädigten Zellen die Oberhand, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine zweite, dritte und vierte Mutation diesen Zellverband weiter verändern wird. Ausgestattet mit den daraus resultierenden neuen Eigenschaften sind nun maligne Tumorzellen entstanden.

      Initiation und Promotion bedingen einander in diesem frühen Stadium der Entwicklung einer Krebserkrankung: Aus der Initiation einiger weniger Zellen allein entsteht keine Tumorerkrankung, und auch die Promotoren gewinnen erst dann an Wirkung, wenn sie auf eine bereits geschädigte Zelle treffen. Beide Faktoren – eine initiale Zellschädigung und eine beständige Konfrontation mit karzinogenen Substanzen als Promotoren – müssen zusammenkommen, um eine gesunde Körperzelle in eine Tumorzelle zu verwandeln.

      Am Ende dieser Entwicklung steht schließlich die Progression hin zu einer schwerwiegenden Tumorerkrankung. Während dieser Progressionsphase kann der Tumor ein zunehmend malignes und damit aggressives Verhalten im Organismus entwickeln: Jetzt weisen die Tumorzellen ein infiltratives Wachstum auf, und der Tumor kann das umgebende Gewebe zerstören. Darüber hinaus besitzt er jetzt die Fähigkeit zur Angiogenese, zur Ausbildung eigener neuer Blutgefäße, um seine Nährstoffversorgung sicherzustellen. Schließlich kommt es zur Metastasierung, und die Tumorzellen siedeln sich über den ursprünglichen Sitz des Primärtumors hinaus auch in anderen Körperregionen an.

      Die Zeitspanne von der initialen Zellmutation bis zur nachweisbaren Tumorerkrankung wird als Latenzzeit bezeichnet und kann beim Menschen bis zu 40 Jahre betragen. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Anzahl der diagnostizierten Krebserkrankungen beim Menschen genauso wie beim Hund mit zunehmendem Alter kontinuierlich ansteigt. Bis zum Zeitpunkt der klinischen Diagnose des Tumors sind über einen langen Zeitraum hinweg Veränderungen am Genom der Zelle vor sich gegangen, die letztendlich zu ihrer malignen Entartung und damit zu einer Krebserkrankung führten.

      Zu dem Zeitpunkt, an dem ein Tumor als kleines, kugelförmiges Gebilde mit einem Durchmesser von circa einem Zentimeter klinisch nachweisbar ist, umfasst die Tumormasse bei soliden Tumoren bereits etwa eine Billion Zellen. Trotz dieser unvorstellbar hohen Zelldichte wird der Tumor erst jetzt tastbar oder mit den Methoden der bildgebenden Diagnostik darstellbar. Jede darunterliegende Größenordnung – auch wenn es sich bereits um Millionen von Tumorzellen handelt – ist zumindest mit den derzeit in der Tiermedizin etablierten und flächendeckend eingesetzten Methoden noch nicht nachweisbar.

      Das Tumorwachstum verläuft zumeist in einer s-förmigen Kurve: Die Latenzphase, die Zeit, in der der Tumor im Verborgenen wächst und noch keinerlei Diagnose erfolgt ist, ist zunächst von einem langsamen Wachstum gekennzeichnet. Ab einem bestimmten Moment aber steigt die Wachstumsgeschwindigkeit exponentiell an. Dieses rasante Wachstum bereitet der tumoreigenen Nährstoffversorgung schließlich Probleme, nachzukommen: Das Wachstum verlangsamt sich wieder und die Kurve flacht ab, denn die Tumormasse ist so groß geworden, dass sie über ihr Gefäßsystem nicht mehr ausreichend versorgt werden kann. Möglicherweise sterben Teile des Tumorgewebes bereits ab und im Zentrum der Umfangsvermehrung entstehen Tumornekrosen, weil der Nährstoffbedarf des Gewebes nicht mehr gedeckt werden kann. Dennoch ist der Tumor oft erst zu diesem Zeitpunkt nachweisbar und diagnostizierbar.

      Auch präneoplastische Veränderungen, worunter die Medizin Vorstufen von Krebs versteht, oder zunächst benigne Tumoren können sich im Zuge der Progression zu einer Krebserkrankung mit malignen Eigenschaften entwickeln. Dieses Risiko besteht beispielsweise nicht nur bei zunächst als gutartig


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